Rosenheim/Traunstein/Wasserburg – Zwei Frauen und acht Männer, darunter ein Auszubildender, am Treffpunkt im Innenhof des Hauptzollamts Rosenheim: So setzt sich eines von zwei Teams der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zusammen, die im Rahmen einer bundesweiten Schwerpunktkontrolle Baustellen im Landkreis Rosenheim unter die Lupe nehmen.
Die bis dahin streng geheimen Ziele werden erst bei der Einweisung genannt. Während ein zweiter Trupp parallel eine Großbaustelle in der Stadt Rosenheim kontrolliert, steuert die Mannschaft mit FKS-Fachgebietsleiter Markus Grella an der Spitze den weitläufigen Neubau am Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg-Gabersee an.
Der Dienstbus und die anderen Zollfahrzeuge bleiben am südlichen Baustellenparkplatz stehen, während Markus Grella bei Dr. Stefan Piehler, dem kaufmännischen Leiter des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, telefonisch die nicht vorher angemeldete Kontrolle auf einer der größten Baustellen im südostbayerischen Raum ankündigt.
Nicht die
erste Kontrolle
Es ist nicht die erste Überprüfung. „Wir haben angesichts der Größenordnung des Projekts mit Dutzenden von beteiligten Firmen und zeitgleich bis zu mehreren Hundert Arbeitnehmern pro Tag vor längerer Zeit mit den Bauherrn Kontakt aufgenommen, ob sie mit einer regelmäßigen Bauüberwachung einverstanden sind. Das ist eine freiwillige Sache. Die Verantwortlichen waren sofort bereit dazu“, sagt Grella. Die Mitwirkung seitens Bauherrn und Bauleitung erfordere viel Koordination, verschaffe diesen aber auch die Sicherheit, „dass auf der Baustelle alles in Ordnung ist“.
Seit Baubeginn führten die Zoll-Mitarbeiter eine große Kontrolle an Ort und Stelle durch, dazu mehrere im Büro. Was am sinnvollsten sei, entscheide die FKS. Der Fachgebietsleiter erklärt Details: „Wir bekommen für eine Überprüfung in unserer Dienststelle von den auf der Baustelle tätigen Firmen der jeweiligen Gewerke Werkverträge, Rechnungen und andere Unterlagen. Wir können dann im Büro überprüfen, ob die Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig gemeldet sind und ob die Arbeitslöhne passen.“ Aktuell liege der über das sogenannte „Arbeitnehmerentsendegesetz“ geschützte unterste Mindestlohn für deutsche wie auch für ausländische Bauarbeiter bei 12,85 Euro pro Stunde.
Markus Grella veranlasst bei der Baustellenleitung, dass die erste Firma ihre an dem Tag anwesenden Mitarbeiter in das „Interimsbüro“ der FKS, ein großes Zelt zwischen Bauwagen im Süden der Großbaustelle, schickt. Deutsche wie ausländische Arbeiter müssen stets einen Ausweis dabei haben. EU-Ausländer müssen weitere Dokumente vorlegen können wie einen Aufenthaltstitel, der sie zur Arbeit berechtigt, und eine A1-Entsendebescheinigung über eine bestehende Sozialversicherung im Ausland. Jede in der EU ansässige Firma, jeder in der EU lebende Mitarbeiter darf laut Grella überall im EU-Gebiet arbeiten, müsse aber sozialversichert sein. Bei Werkverträgen achte man vor allem auf Unterschreitungen des Mindestlohns.
Nach Befragung der Arbeitnehmer werde in der betreffenden Lohnbuchhaltung geschaut, ob die Beträge gleichlautend seien – „ob also die Stunden, die gearbeitet werden, auch bezahlt werden“.
Mitwirkungspflicht
der Arbeitnehmer
Die ersten Männer, Subunternehmer einer deutschen Trockenbaufirma, kommen von ihrem jeweiligen Arbeitsplatz in das weiße Zelt, das angenehm beheizt ist. An Kontrollen sind die Leute offenbar gewohnt. Und sie haben laut Grella eine „Mitwirkungspflicht“: „Wir vollziehen einen Verwaltungsakt und setzen ihn auch durch.“ Die Zeit der Kontrolle werde als normale Arbeitszeit vergütet.
Nach und nach werden die Arbeiter, die vorwiegend aus Rumänien stammen, jeweils von einem der Zollbeamten anhand einer Checkliste befragt. Verständigungsprobleme gibt es selten. Die Arbeiter beherrschen die wichtigsten deutschen Begriffe. Zudem spricht einer der Beamten rumänisch und kann als Dolmetscher einspringen.
Im Dienstbus kann eine FKS-Beamtin unter anderem die Dokumente mit einem Prüfgerät auf Echtheit checken. Nach aktuellem Stand sind an diesem Tag alle Papiere in Ordnung. Markus Grella, gebürtiger Traunsteiner, sagt im Rückblick auf zahllose Einsätze bei der FKS: „Einzelne Verstöße gibt es immer wieder auf Baustellen. Aber bei diesem Projekt hatten wir bisher keine Beanstandungen.“
Der anschließende Kontrollgang aller zehn FKS-Mitarbeiter – nicht nur durch Masken, sondern auch durch weiße Helme geschützt,– führt durch sämtliche Stockwerke eines weitläufigen Gebäudetrakts. Von den langen Fluren zweigen zahllose Räume ab, die künftigen Kranken- und Stationszimmer. Die Zollbeamten orientieren sich an den Geräuschen, achten auf entfernte Stimmen. Jede Person – vor allem Rumänen, Ungarn und solo-selbstständige polnische Staatsangehörige – wird kontrolliert.
Die Corona-Pandemie habe einen „Rückschlag“ für die gesamte FKS-Arbeit bedeutet, so Fachgebietsleiter Markus Grella. „Wir konnten deutlich weniger und nur zielgerichtete Kontrollen durchführen.“ Das Gaststättengewerbe, die Hotels und die Tourismusbranche seien ganz weggebrochen. Dennoch habe die FKS „genügend Arbeit“ gehabt: „Viele Ermittlungsverfahren konnten endlich abgeschlossen werden.“
Weitere Ermittlungen
erforderlich
Nicht in jedem Fall läuft eine Aktion so reibungslos wie auf dieser Baustelle, bei der es „auf den ersten Blick“ nach Einsatzleiter Markus Grella keine Beanstandungen gab. Die FKS-Beamten überprüften bei diesem Einsatz die Unterlagen von 41 Personen, die bei 14 Arbeitgebern beschäftigt waren. Die Kollegen haben zwischenzeitlich im Büro nachgearbeitet. Das Fazit: Bei vier oder fünf Firmen sind weitere Nachprüfungen veranlasst.