Ein schlauer Nachbar

von Redaktion

Den Turmfalken, mit dem sich die 108. Folge der OVB-Serie „Safari daheim“ befasst, trifft man von allen einheimischen Falken mit Abstand am häufigsten an. Außerdem ist er nach dem Mäusebussard der zweithäufigste Greifvogel Bayerns.

Rosenheim – Turmfalken haben etwa die Größe einer Stadttaube. Männchen und Weibchen zeigen in der Gefiederfärbung einen deutlichen Unterschied. Während das Weibchen ein rundum eher gleichförmig rotbraunes, mit dunkelbraunen Flecken versehenes Gefieder aufweist und der Stoß circa acht Querbinden zeigt, haben die Männchen zum braun gefleckten Körper einen grau-blauen Kopf und einen grau-blauen Stoß mit einer schwarzen drei Zentimeter breiten Endbinde. Turmfalken-Weibchen sind den Männchen kaum an Größe überlegen, der Gewichtsunterschied beträgt höchstens zehn Prozent.

Als Bodenjäger wird Grünland bevorzugt

Turmfalken bevorzugen offene oder halboffene Gegenden, am liebsten auf Flächen mit Grünlandwirtschaft, da sie als überwiegende Bodenjäger dabei am leichtesten ihrer Beute habhaft werden. Vielen von uns ist das Sudelfeld als Skigebiet bekannt. Im Hintergrund befindet sich der Kleine Thraiten mit der Jaga-Wand. In dieser Umgebung, auf circa 1500 bis 1600 Metern Meereshöhe brüten regelmäßig Turmfalken. Sie sind also sehr anpassungsfähige Vögel. Vom Hochgebirge bis in menschliche Siedlungsgebiete nützen sie als Kulturfolger völlig unterschiedliche Lebensräume. Ursprünglich sind sie Felsenbrüter oder Horstbenutzer von verlassenen Krähenhorsten, aber auch die Häuserschluchten mit ihren Türmen (daher auch der Name) und Mauernischen bieten sich als beliebte Brutplätze an.

Wie alle Falkenarten bauen sie selber keine Horste. In Städten ist der Brutplatz nicht immer identisch mit der Fläche, auf der sie ihre Beute erfolgreich schlagen. Jagdausflüge von mehreren Kilometern werden dabei in Kauf genommen. Den größten Teil ihrer Beute machen Mäuse aus. „Als Jugendlicher habe ich einen Turmfalken aufgezogen. Als er gut fliegen konnte, gelang es ihm immer wieder erfolgreich Spatzen zu schlagen. Er war ungefähr drei Monate in meiner Obhut, ehe er der totalen Freiheit den Vorzug gab“, so Sepp Hoheneder. Aber nicht nur Mäuse werden vom Rüttelfalken – so wird er im Volksmund auch genannt – gefangen, sondern auch Heuschrecken, Eidechsen, Käfer, Würmer und – wenn sich die Gelegenheit bietet – auch Singvögel oder deren Junge im Nest. Die Jagd wird entweder im Ansitz oder im Rüttelflug ausgeübt. Grob gesagt – Ansitz mehr im Winter, Rüttelflug mehr im Sommer.

Wenn man also einen kleinen braunen Greifvogel am Himmel stehend mit seinen Schwingen und breit gefächerten Stoß, oft gegen den Wind, seinen Körper auspendelnd, sieht, ist es ziemlich sicher ein Turmfalke. Eher ausnahmsweise kann es auch mal ein Mäusebussard sein, der aber in Farbe und vor allem in der Größe nicht zu verwechseln ist.

Nur jeder fünfte Versuch aus zehn bis 40 Metern Höhe ist erfolgreich. Dabei hilft natürlich das sprichwörtliche Falkenauge, das nicht nur mit einer unwahrscheinlichen Sehschärfe ausgestattet ist, sondern zusätzlich mit Infrarotsehen auch die Urinspuren von den Kleinsäugern eräugen kann. Bei einem Körpergewicht von 200 bis 220 Gramm braucht ein erwachsener Turmfalke circa ein Viertel seines Körpergewichts als Nahrung. Hat ein Turmfalke eine Maus oder einen kleinen Singvogel in seinen Fängen, benützt er diese nur zum Halten der Beute. Falken gehören zu den sogenannten Bisstötern und töten ihre Beute mit einem Biss in die Wirbelsäule unmittelbar hinter der Kopfkapsel, das den blitzartigen Tod zur Folge hat.

Turmfalken-Junge sind in der darauf folgenden Brutsaison, die Mitte April beginnt, schon mit knapp einem Jahr geschlechtsreif. Den Nistplatz sucht das Männchen aus. Mit frischer Beute – oft einer Maus – versucht das Männchen das Weibchen an den Brutplatz zu locken.

War sein Werben erfolgreich, so legt das Weibchen drei bis sieben bräunliche, mit dunkelbraunen Flecken versehene Eier. Nur das Weibchen bebrütet das Gelege. Sorgsam wird es vom Männchen mit Beutetieren versorgt. Nach 28 bis 30 Tagen schlüpfen die Jungen und werden noch 14 Tage gehudert.

Ab diesem Zeitpunkt gehen die Elterntiere unabhängig voneinander für ihre Jungen auf die Jagd. Zwischen dritter und vierter Woche legen die Alttiere ihre Beute den Jungen nur noch vor, um dann die Beute selber zu kröpfen. Die aggressive Art, wie sie zum Beispiel in Steinadlerhorsten herrscht (das meist mit dem Tod des zweiten Jungen endet), tritt kaum zu Tage. Trotzdem kann es bei akutem Futtermangel vorkommen, dass zurückgebliebene Jungen verhungern.

Nach dem flügge werden kümmern sich die Eltern noch circa vier Wochen, bevor sie sich selbstständig andere Einstände suchen. „Unsere heimischen Turmfalken verbringen den Winter entweder als Standvogel, das heißt, sie verbleiben auch in der kalten Jahreszeit in ihrem angestammten Gebiet, oder verlassen als Teilzieher ihre Brutgebiete“, schildert Hoheneder. Wird zum Beispiel die Schneedecke allzu hoch und herrscht für die Vögel große Not, weichen sie in klimatisch wärmere Zonen aus, um zu überleben.

Skandinavische oder russische Populationen gelten als Zugvögel, die im südliche Europa oder im nördlichen Afrika überwintern.

Teil des
gewohnten Naturbilds

Noch gehört in der Region der Ruf (ki-ki-ki-ki) und der Anblick von Turmfalken zum gewohnten Naturbild. In Deutschland gibt es etwa 50000 Brutpaare, 90000 in Mitteleuropa. Damit der Erhalt des Bestandes in dieser Zahl erhalten wird, sollte sich jeder überlegen, ob er etwas dazu beitragen kann. Sei es in Stadt oder Land mit künstlichen Brutkästen oder Sitzstangen für den Beuteansitz auf Feldern. Der kleine Falke wird es uns danken.

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