Oberaudorf/Niederndorf – „Gut gemeint, aber schlecht gemacht.“ So versuchte Martin Krumschnabel, Bürgermeister von Kufstein, das heillose Durcheinander am kleinen Grenzverkehr zu relativieren. Zahlreiche Ausflügler versuchten am Mittwoch, die vermeintlich offenen Grenzen zu passieren. Aber sie wurden von den österreichischen Grenzpolizisten wieder nach Hause geschickt. Denn diese wussten nichts von der neuen Regelung, die Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz am vergangenen Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz beschlossen hatten: nämlich dass der kleine Grenzverkehr von Bayern nach Österreich wieder erlaubt sei – ohne Quarantänepflicht.
Freie Fahrt seit dem
gestrigen Feiertag
Das seien Falschaussagen in der Presse, begründeten die österreichischen Bundespolizisten gegenüber den erzürnten Autofahrern, die die Gunst der Stunde ergreifen und Einkäufe in Österreich tätigen wollten. Unzählige Autofahrer, darunter viele Leser, mussten jedoch am eigenen Leib erfahren, dass die Versprechungen der Politik ins Leere gingen. Denn nicht an den vermeintlichen Falschaussagen der Presse lag der Fehler, sondern an der längeren Umsetzungsdauer der Österreicher.
Dies bestätigte Kurz auch auf Medienanfrage. Während in Deutschland schon unter den neuen Regelungen (kein Test und keine Quarantäne) freie Fahrt gilt, arbeite man in Österreich noch „auf Hochtouren“ an einer Lösung.
Auf Nachfrage erklärte Christian Viehweider, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Tirol, dass bei ihnen „nach wie vor“ die verordneten Covid-19-Einreisebestimmungen gelten würden – bis 19. Mai. Eine Änderung sei bislang noch nicht in Kraft getreten.
Diese traurige Erkenntnis haben auch viele unserer Leser, die sich erzürnt in der Redaktion gemeldet haben, gewonnen. So auch der Rosenheimer Stadtrat Horst Halser: Als er davon hörte, dass der kleine Grenzverkehr nun wieder möglich sei, wollte er symbolisch „unbedingt über eine Grenze fahren“.
Zusammen mit seiner Frau sei er also am frühen Morgen nach Oberaudorf gestartet und wollte das Nachbarland besuchen. An der Grenze habe er sich schon über die vielen Autos gewundert. Als er endlich an der Reihe war, sei er von einem Polizisten freundlich abgewiesen worden. Immerhin habe er den österreichischen Kreisel umrunden dürfen – um dann wieder Richtung Deutschland die Heimkehr anzutreten.
Ähnliches berichtete auch Wilfried Osanna aus Oberaudorf: Morgens, um kurz nach sieben Uhr, wollte er gerade die Einreise über Niederndorf antreten, als ihm ein Herr, vermutlich vom österreichischen Bundesheer, die Einreise untersagte. Trotz Maske und Impfausweis. Sie hätten keinen Befehl erhalten, gab dieser als Begründung an.
Auch Johann Steininger, ebenfalls Oberaudorfer, hatte keine Chance gegen die Grenzpolizisten. „Jetzt hätt ich mir halt wieder mal an guten Käse aus Österreich gekauft.“ Aber er musste ohne Käse wieder nach Hause.
Aufgrund der vielen Anrufe startete OVB-Redakteurin Eva Gruber am Grenzübergang einen Selbstversuch. Doch auch sie musste umdrehen. „Man darf ohne entsprechende Bescheinigungen nicht nach Tirol einreisen. Es braucht bei der Einreise einen negativen Corona-Test mit Bescheinigung.“ Schnell bilden sich wegen der Irrungen und Wirrungen längere Staus an den Kontrollstellen. „Wir arbeiten intensiv an einer Lösung und planen, die 3-G-Regel für Einreisende aus Deutschland vorzuziehen“, erklärte Christina Ritschel, Sprecherin des österreichischen Sozialministeriums, auf Nachfrage. Diese 3-G-Regel würde eine Einreise für 24 Stunden mit aktuellem Immunitätsnachweis (geimpft, getestet oder genesen) ohne darauffolgende Quarantäne ermöglichen. Die neue Regelung klappt seit dem gestrigen Donnerstag.
Politik-Versprechen
unglücklich verlaufen
Die Bürgermeister aus Kufstein und Kiefersfelden sind sich einig: Dieses Versprechen der großen Politik sei unglücklich verlaufen. „Eine Rückkehr zur Normalität hätte ich sehr begrüßt“, sagte Hajo Gruber, Bürgermeister von Kiefersfelden, den OVB-Heimatzeitungen. Dass die Versprechungen der großen Politik in der Realität noch nicht umsetzbar waren, sei „ein wirklich unglücklicher Zustand“.