„Es muss noch viel passieren“

von Redaktion

Interview Professoren der TH Rosenheim zur wissenschaftlichen Rettung der Umwelt

Rosenheim – Die Professoren Harald Krause und Ulrich Spindler von der Technischen Hochschule (TH) Rosenheim sind Teil der Vereinigung Scientists for Future, die sich wissenschaftlich mit dem Klimawandel befasst. Als Experten für Energie- und Gebäudetechnik wollen sie der „Fridays for Future“-Bewegung mit Daten und Fakten zur Seite stehen und haben zusammen mit anderen Wissenschaftlern einen 16-Punkte-Plan ausgearbeitet. Im Interview erzählen die Professoren, was es mit der Vereinigung auf sich hat, wie jeder Einwohner im Landkreis mithelfen kann und wie die Häuser in der Region in Zukunft aussehen sollten.

Herr Spindler, Herr Krause, viele kennen ja Fridays for Future, aber was ist Scientists for Future?

Spindler: Scientists for Future ist 2019 entstanden und eine Vereinigung von Wissenschaftlern aus allen möglichen Gebieten. Wir haben gemerkt, dass die Fridays for Future Bewegung Gehör findet, was uns Wissenschaftlern lange nicht gelungen ist. Wir haben das Thema Klimawandel schon länger behandelt und können daher sagen: „Ja, das stimmt was die fordern.“

Seit wann sind sie Teil der Vereinigung?

Krause: Mein Kollege ist schon sehr früh dabei gewesen, als die erste Veröffentlichung verfasst wurde. Ich wurde dann im Jahr 2020 explizit für den Gebäudebereich angefragt. Mittlerweile haben wir eine Regionalgruppe bei der TH in Rosenheim, die aus circa sechs Leuten besteht und sich immer wieder einbringt.

In einem Statement der Scientists steht, dass sie Fridays for Future beraten. Wie kann man sich das vorstellen?

Spindler: Das läuft in der Regel so: Eine Gruppe von Fridays for Future fragt bei uns an, ob wir sie bei bestimmten Aktionen unterstützen können. Dabei geht es vor allem um fachliche Fragen. Zum Beispiel diskutierten wir mit der Rosenheimer „Fridays for Future“-Bewegung deren Forderungskatalog. Aber auch die Scientists-Gruppe veröffentlicht ihre Standpunkte, wie den aktuellen 16-Punkte-Plan.

Dieser Plan gibt eine Richtlinie vor, wie man dem Klimawandel entgegenwirken kann. Rettet man damit also die Umwelt?

Spindler: Hoffentlich ja.

Krause: Mit dem Plan alleine allerdings nicht. Das muss man dann schon auch umsetzen. Wir waren allerdings nicht in allen Punkten aktiv, sondern vor allem auf unseren Fachgebieten. Uns ging es in erster Linie um Wärmeversorgung und Reduktion des Energiebedarfs, vor allem im Hinblick auf die Gebäudetechnik. Wir wollten mit Fakten hinterlegen, was alles zu einem klimaneutralen Gebäudebestand notwendig ist.

Was sind ihre Erkenntnisse?

Krause: Dass noch sehr viel passieren muss. Wir müssen den Energiebedarf deutlich reduzieren. Das funktioniert über Wärmedämmung, Luftdichtheit und Wärmerückgewinnung. Die Hauptaufgabe ist dabei, die Bestandsgebäude zu renovieren. Denn da sieht es bisher noch nicht gut aus. Bis 2045 müssten wir den Energiebedarf der Häuser auf die Hälfte runterbringen.

Ist das möglich?

Krause: Eigentlich ist es bei einem einzelnen Haus nicht schwierig. In der Masse ist es aber ein Problem. Es gibt zu wenig Fachkräfte, die sich schnell darum kümmern könnten. Im Mittel ist das aber bis 2045 realistisch, zumal die Technologie dafür schon lange vorhanden ist.

Wie kann aus Ihrer Sicht jeder Einwohner im Landkreis Energie sparen?

Krause: Generell ist das ein weites Feld. Da können wir bei der Ernährung anfangen und bei Reisen aufhören. Wichtig dabei ist, dass es sich nicht in Richtung des reinen Verzichts entwickelt. Was man sich aber fragen sollte, ist: Was hat mein Verhalten für Auswirkungen auf das Klima? Muss ich eine neue Straße bauen und damit die Natur zerstören. Muss ich um die Ecke mit dem Auto fahren oder immer die billigste Kleidung kaufen? Muss ich alleine auf 100 Quadratmeter wohnen oder reicht nicht auch weniger? Wenn wir das freiwillig nicht schaffen, wird uns die Natur noch zu ganz anderen Maßnahmen zwingen.

Spindler: Bei der Ernährung ist es dasselbe: Muss ich jeden Tag ein Schnitzel essen? Es hieß ja früher nicht umsonst Sonntagsbraten. Beim Gebäude geht es vor allem darum, den Wärmeverlust zu reduzieren und auf erneuerbare Energie umzustellen.

Wo kann man dafür direkt ansetzen?

Spindler: Ein konkreter Punkt wäre bei vielen Einfamilienhäusern in der Region eine Fotovoltaikanlage auf das Dach zu bauen. Erstens sind diese deutlich günstiger als noch vor einigen Jahren. Zweitens springt langfristig bei den Energiekosten sogar noch etwas dabei raus. Da müssen wir in der Region unbedingt nachlegen. Jeder mit eigenem Hausdach kann das im Prinzip machen.

Sie sagen in ihrem 16-Punkte-Plan, dass sich alle Aspekte technisch umsetzen ließen und langfristig auch keine hohen Kosten entstehen. Warum werden viele Projekte trotzdem noch nicht umgesetzt?

Krause: Im Bereich Gebäude muss man das menschliche Verhalten berücksichtigen. Stellen sie sich vor sie wohnen seit 20 oder 30 Jahren in einem Einfamilienhaus, sind zwischen 50 und 60 Jahre alt und können sich aktuell die Energieversorgung gut leisten. Jetzt kommt jemand an und redet von neuer Heizung, Wärmedämmung und neuen Anlagen. In erster Linie bedeutet das erst einmal Stress. Da ist es einfacher zu sagen: „Des passt scho no, ich möchte meine Ruhe haben.“

Dazu kommt, dass man immer langfristig rechnen muss. Ich muss mir über 20 Jahre zugestehen, bis das Geld wieder reinkommt. Wenn ich nur noch zehn Jahre irgendwo wohne, sage ich natürlich, dass das ruhig der Nächste machen soll.

Wie schätzen sie die Entwicklungen ein? Sind wir in der Region auf einem guten Weg?

Spindler: Ich denke, im Gebäudebereich stehen wir vor einer großen Herausforderung. Fachkräftemangel und noch zu hohe Kosten sind ein Problem. Da wird aber auch politisch langsam etwas passieren. Bisher wurde so eine Thematik immer verschoben. Jetzt muss man aktiv werden.

Krause: Sie können aber sicher sein, dass auch wir weiter aktiv bleiben. Auch wenn wir nicht überall als Scientists for Future auftreten, werden wir häufig beim Thema Klima dahinterstecken. Wir sind bei vielen Aktivitäten dabei und arbeiten weiter, wenn auch zum Teil im Hintergrund.

Interview: Korbinian Sautter

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