„Es ist ein Skandal“: Ärzten geht der Impfnachschub aus

von Redaktion

Mediziner in der Region schütteln den Kopf über die Verteilung von Biontech/Pfizer-Dosen

Rosenheim – Seit der ersten Aprilwoche sitzen die Haus- und Fachärzte in der Region Rosenheim bei der Corona-Impfkampagne mit im Boot. Von eingespielten Abläufen aber kann auch nach sechs Wochen nicht die Rede sein. Im Gegenteil: der Ärger steigt. Denn die Hausärzte bekommen regelmäßig weniger als sie verimpfen könnten. Schlimmer noch: In jüngster Zeit bleibt mitunter auch noch der Impfstoff für die obligatorische zweite Impfung mit Biontech/Pfizer aus. Die Klagen unter den Hausärzten der Region werden lauter.

Gebrochene Garantie
für den wichtigen
Zweittermin

„Es ist ein Skandal“, schimpft zum Beispiel Dr. Fritz Ihler, Allgemeinarzt in Rosenheim und Schechen sowie Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Rosenheim. Ihn nervt weniger, dass für die Erstimpfung regelmäßig weniger Impfstoff ankommt als ursprünglich in Aussicht gestellt. Das sei von Beginn an eigentlich nicht anders gewesen, sagen er und viele seiner Kollegen. Was ihn auf die Palme bringt, ist die gebrochene Garantie für den wichtigen Zweittermin. Mit diesem zweiten Termin laufe es eigentlich so: Bei der Erstimpfung mit Biontech/Pfizer wird bereits ein zweiter Termin fest vereinbart, und für diesen Termin ist dann auch Impfstoff garantiert. So bestätigt das auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayern. Am Freitag werde bekannt gegeben, was an welchen Mitteln zur Verfügung stehe. Dann seien die Ärzte mit dem Bestellen dran. Prinzipiell bekomme man für Erstimpfungen nicht die Menge, die bestellt worden sei. Anders sei das bei der Zweitimpfung. Da werde geliefert, was vereinbart sei.

„Das ist mit der jetzigen Lieferung nicht mehr der Fall“, sagt Ihler. „So geht das nicht.“ Einer der Ärzte, die von den Komplikationen berichten können, ist Dr. Andreas Ziegner mit seiner Praxis in Feldkirchen-Westerham. Er sagt: „Wir müssen Patienten absagen, mit denen wir bereits Termine vereinbart hatten.“ Dass wie berichtet ein Gymnasium im Landkreis München die Schüler ab 16 Jahren mit Biontech/Pfizer impfen lässt, und zwar mit Dosen aus den nicht verimpften Beständen einer Praxis, kann er nicht nachvollziehen. Auch wegen des Aussetzens der Priorisierung. „Unsere schwer kranken Patienten bekommen ihre Dosis nicht, auf der anderen Seite gibt es offenbar einen Überschuss bei Praxen in München.“ Ein Einzelfall sei er beileibe nicht, „ich spreche für viele Kollegen, die stinksauer sind“.

Etwa Dr. Nikolaus Klecker. Der Bezirksvorsitzende des bayerischen Hausärzteverbands mit Praxis in Rosenheim beklagt den Mangel an Durchschaubarkeit. Das Verfahren der Zuteilung ist absolut nicht transparent“.

Die Verteilung der Impfstoffe von Biontech und Moderna auf die oberbayerischen Impfzentren erfolge je nach Anzahl der Einwohner, heißt es aus der dafür zuständigen Regierung von Oberbayern. Allerdings habe man mit der Zuteilung an die Hausärzte nichts zu tun, sagte ein Sprecher, die liege in den Händen des pharmazeutischen Großhandels.

Begrenzte Mengen – darin sieht Dr. Josef Mager aus Neubeuern ein generelles Problem. Man ringe um jede Dosis, sagt er. Was den Wettbewerb noch verschärft, ist nach seiner Ansicht die Beteiligung der Betriebsärzte an der Impfkampagne. „Die Impfstoffe fehlen den Hausärzten.“ Die aber seien es, die Patienten am besten kennen und kurzfristig Einspringer anrufen könnten. Daraus spricht ein Engagement, der manchen Ärzten mittlerweile abhanden zu kommen droht. „Ich habe von einer Reihe von Kollegen gehört, dass sie überlegen, unter diesen Umständen mit dem Impfen aufzuhören.“ Ein schlimmer Zustand sei das, sagt Ihler. „Da gehört dringend nachgebessert.“

Die Nachbesserung dürfte sich nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung auch auf viele Impfwillige beziehen. Manche meldeten sich beim Impfzentrum und zusätzlich bei zwei, drei Hausärzten an. Wenn sie sich dann auch nach erfolgter Impfung nicht bei den anderen Adressen abmeldeten, könne sich das Bestellgeschehen verzerren. Michael Weiser

„Es liegt nicht an der Lautstärke“

Das Impfgeschehen sorgt für Diskussionen. Die Frage, warum der Landkreis Rosenheim Nachbarregionen hinterherhinkt, beschäftigt die Menschen. Ärzte aus der Region Rosenheim hatten eine „Kuckucks-Mentalität“ in anderen Gegenden Bayerns beklagt. Sprich: Landräte, die beharrlicher fordern, bekommen auch mehr. Dem tritt Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU) gegenüber den OVB-Heimatzeitungen entgegen. Es gebe zwar Unterschiede bei der Impfquote, „sie erklären sich aber nicht durch die Lautstärke im Auftreten des Landrats“, sagte Lederer. Er stehe in regelmäßigem Kontakt mit der Staatsregierung. Von Sonderlieferungen hätten Gebiete etwa mit besonders hoher Inzidenzzahl profitiert. Nach Auskunft der Regierung von Oberbayern wird den Impfzentren der Stoff streng nach Bevölkerungsproporz zugeteilt. we

Artikel 5 von 11