Rosenheim – Andreas Winhart, jagd- und forstpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, fordert eine Sonderregelung zur „Entnahme“ – also Tötung – von Wölfen. Nach europäischem Recht ist das Tier geschützt und darf nur geschossen werden, wenn alle Alternativen zum Schutz des Weideviehs ausgeschöpft wurden. Am 10. oder 17. Juni tagt der Ausschuss für Umweltschutz zu diesem Thema im Landtag.
Drei Rudel
im Freistaat
In weniger bevölkerten Gegenden hätten sich bereits Rudel angesiedelt, heißt es in der Pressemitteilung Winharts. Künftig sei zu erwarten, dass der Wolf auch stärker in bevölkerte Gebiete dränge. Peter Kasperczyk, Vorsitzender der Rosenheimer Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN), hält das für unwahrscheinlich: „Für eine Rudelbildung muss es ruhig sein.“
Ein Sprecher des Landesamtes für Umwelt (LfU) erklärt, der Wolf sei von Natur aus vorsichtig und weiche dem Menschen aus. Seit es die Tiere wieder in Deutschland gebe, habe es keinen Angriff auf eine Person gegeben. Der Wolf ist laut LfU eine „besonders und streng geschützte Art“ nach Bundesnaturschutzgesetz. Es gestattet bereits die Tötung der Wölfe, wenn sie Vieh gerissen haben und Wiederholungsgefahr besteht.
In Brandenburg und Niedersachsen gibt es 32 Rudel, in Sachsen 25. Im Gegensatz dazu ist die Wolfspopulation in Bayern mit drei Rudeln sehr gering. Es sei jedoch zu erwarten, dass sich Probleme, die in Sachsen, Niedersachsen und Brandenburg bereits „akut“ seien, bald auf Bayern ausweiteten – so wird der Vorstoß in der AfD-Presseerklärung begründet. Franz Sommer, Vorsitzender der Jägervereinigung Rosenheim, vermutet: „Das Hauptproblem ist die Almwirtschaft.“ Diese werde immer mehr zurückgedrängt, wenn Wölfe flächendeckend vorhanden seien. Die Tiere suchten sich die leichteste Beute, das seien die Schafe oder Kälber der Bauern.
„In nicht zumutbar schützbaren Gebieten ist der Wolf problematisch“, sagt deshalb Hans Stöckl, Geschäftsführer des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern. Damit meint er Gegenden in den Alpen, die nicht umzäunt werden könnten, wegen der Touristen oder des zu großen wirtschaftlichen Aufwands. „Wir sind nicht für die AfD, aber für die Entnahme der Wölfe“, verdeutlicht Stöckl. Der Wolf solle jedoch nur getötet werden, wenn er Weidetiere angegriffen habe und ein Gebiet nicht anders geschützt werden könne. Das sei so bereits im „Aktionsplan Wolf“ der Staatsregierung geregelt.
Josef Bodmaier, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Rosenheim, findet den AfD-Antrag dennoch „nicht schlecht“. In Frankreich existiere bereits eine ähnliche Regelung, die gut funktioniere. Es gebe viele unauffällige Tiere, aber auch Problemwölfe. „Wir sind nicht pauschal gegen den Wolf“, sagt der Kreisobmann. Mit durchstreifenden Tieren müssten die Bauern leben, die Rudelbildung sei das Problem.
Es gebe zu wenig Naturraum, der Landkreis Rosenheim sei zu dicht besiedelt, und in den Bergen gebe es zu viele Touristen. „Wo soll der Wolf da Platz haben?“, fragt Bodmaier. Wölfe seien nicht nur problematisch, wenn sie Kühe oder Schafe rissen, sondern auch, wenn sie das Vieh verschreckten, wodurch es sogar von Klippen springe. „Wir müssen unsere Tiere schützen“, erläutert Bodmaier. Eine Umzäunung sei aber zu aufwendig.
Dass Zäune ein „kompliziertes Thema“ sind, weiß auch Kreisvorsitzender Kasperczyk. Im Landkreis gebe es hauptsächlich „Hobbyschäfer“, also kleine Herden mit nur 30 Tieren. Der Aufwand und die Kosten für einen Zaun würden sich für sie nicht lohnen. Es habe sich ohnehin eingebürgert, dass Almen ihre Tiere ohne Schutzmaßnahmen grasen ließen. Werde eine Gegend zu einem Wolfsgebiet erklärt, unterstütze die Staatsregierung Landwirte bei der Finanzierung von elektrischen Zäunen. Der Bund Naturschutz fordert eine generelle Förderung.
Ohne Zäune können sich die Wölfe dem Vieh der Landwirte einfach annähern. Bei einem Riss fordert der AfD-Landtagsabgeordneter Winhart „schnelles Handeln“. Es sei nicht sachdienlich, wenn es Wochen dauern würde, um festzustellen, ob ein wandernder Wolf oder Wolfshybrid ein Tier gerissen habe. Peter Kasperczyk sieht das anders: „Es gibt keinen Grund Hektik zu machen.“ Bauern bekämen Schadensersatz, wenn sie einen Riss nachweisen können. Bodmaier weist darauf hin, dass die Auszahlung aber oft Monate dauere.
Jäger stehen nicht
in den Startlöchern
Eine „Blaupause“ für die geforderte Regelung sei laut AfD die Kormoran- und Biberverordnung. Diese gestattet die Tötung der geschützten Tiere, wenn ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entsteht. Bei einem Riss soll laut Winhart „schnell und konsequent unter Einbindung der örtlichen Jägerschaft gehandelt werden“. Doch die ist nicht begeistert.
„Da sind wir nicht scharf drauf“, meint der Vorsitzende der Rosenheimer Jägervereinigung. Sie hätten bereits ein schlechtes Image. „Wir stehen nicht in den Startlöchern und warten, dass wir den Wolf abschießen können.“ BN-Vorsitzender Kasperczyk meint, dass die AfD das zwar populistisch fordern könne, dies aber gegen Europarecht verstoße. Er ist gegen einen solchen „Freifahrtsschein“, auch für Kormorane und Biber: „Wir sollten Natur einfach Natur sein lassen.“