Rosenheim/Traunstein – „Es ist das Schlimmste, was einem Seilbahnbetreiber passieren kann“, äußert sich Andreas Müllinger von der Hochriesbahn am Samerberg schockiert über das Seilbahnunglück in Norditalien in Stresa am Lago Maggiore.
Was genau dort am Sonntag passiert war, ist bislang noch unklar. Laut Augenzeugen sei die Seilbahn eigentlich schon an der Bergstation angekommen, als sie sich wieder rückwärts Richtung See bewegte. Die Kabine streifte einen Stützpfeiler und stürzte dann 20 Meter in die Tiefe. 14 Menschen verloren ihr Leben, ein fünfjähriger Junge liegt derzeit auf der Intensivstation. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Zugseil gerissen ist. Die Halteseile sind noch intakt. Warum das Sicherheitssystem nicht gegriffen hat, ist derzeit noch unklar.
Detaillierte
Vorschriften
Ein Unglück, das so auch in der Region passieren könnte? Seilbahnen unterliegen laut dem Verband Deutscher Seilbahnen strengen Sicherheits- und Kontrollvorschriften. „Die Seilbahn ist das sicherste Verkehrsmittel“, sagt Peter Lorenz, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes, dessen Gedanken derzeit bei den Opfern des Unglücks und deren Angehörigen sind.
Auch Wolfgang Helldobler von der Seilbahn Hochfelln zeigt sich schockiert. „Es ist sehr, sehr tragisch“, sagt Helldobler, als Betreiber einer Seilbahn sei man Tag und Nacht unterwegs, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Die Seilbahnen in der Region haben nach dem mehrmonatigen coronabedingten Stillstand erst in der vergangenen Woche ihren Betrieb wieder aufgenommen. „In den vergangenen sieben Monaten haben wir unsere Technik auf Herz und Nieren überprüft“, weiß Helldobler zu berichten.
Die Hochfellnbahn wird, wie alle andere Seilbahnen in der Region, engmaschig kontrolliert. „Unsere Seilbahn durchläuft eine halbjährliche Inspektion“, erklärt Gunther Brandies, Betriebsleiter der Seilbahn. Im November werde die Anlage vom TÜV abgenommen, im Frühjahr werde die gleiche Inspektion noch einmal eigenständig vom Betreiber durchgeführt, so Brandies.
Ein Prozedere, das auf jede Seilbahn zutrifft, wie es seitens des Verbandes Deutscher Seilbahnen heißt. Der TÜV führe zusätzlich noch stichpunktartige Kontrollen durch, so Brandies. Bei den halbjährlichen Hauptuntersuchungen werde die Bausubstanz der Gebäude überprüft, die Seile durchleuchtet und Bremsproben durchgeführt. „Alleine die Bremsproben nehmen immer einen Tag in Anspruch. Die Bremsen werden akribisch getestet“, sagt Brandies.
Die halbjährlichen Inspektionen sind aber nicht die einzigen Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen werden. „Wir führen jeden Tag eine Probefahrt durch. Es gibt weitere tägliche, wöchentliche und monatliche Kontrollen.“ Lorenz fügt hinzu, dass die Kontrollen dokumentiert werden und von der Regierung von Oberbayern beaufsichtigt werden.
Der Geschäftsführer der Wendelstein-Seilbahn, Florian Vogt, zeigt sich von dem Unglück ebenfalls betroffen. „Dass so etwas passieren kann, das kann sich keiner vorstellen. Wir sind immer um die bestmögliche Sicherheit bemüht“, sagt Vogt. Genauso wie bei der Hochfellnbahn gäbe es bei seiner Anlage engmaschige Kontrollen.
Doch was passiert, wenn doch einmal ein Seil reißt? „Wenn ein Zugseil reißt, dann wird automatisch die Tragseilbremse aktiviert“, erklärt der Betriebsleiter der Hochfellnbahn. „Das ganze System wird so häufig überwacht, mehr Sicherheit geht nicht“, resümiert Brandies.
Gerissenes Seil
„unwahrscheinlich“
Wenn etwas passieren würde, dann müsse schon alles zusammenkommen. Und auch Lorenz bestätigt, dass ein gerissenes Seil äußerst unwahrscheinlich ist. „Eigentlich können die Seile nicht reißen. Sie sind auf ein Vielfaches ihrer Tragfähigkeit ausgelegt. Sie werden in engen Intervallen überprüft.“
Wie es zu dem Umfall in Norditalien gekommen sein könnte, dazu wollte sich keiner der Seilbahnbetreiber äußern. Helldobler von der Hochfelln-Seilbahn warnt davor, über die Unglücksursachen zu spekulieren. So hält es auch Vogt von der Wendelsteinbahn: „Die Ergebnisse der Untersuchung müssen erst abgewartet werden.“
Die Sicherheitsstandards zwischen Italien und Deutschland unterscheiden sich laut Seilbahnverband nur geringfügig. Die Standards seien in „Europa sehr ähnlich und sehr gut“, so Lorenz. Die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland müssten nach dem Unfall am Sonntag nicht überarbeitet werden. „Wir müssen erst schauen, was in Italien passiert ist“, sagt Lorenz. Erst dann könne gesagt werden, ob die Sicherheitsstandards und Kontrollen in Deutschland angepasst werden müssen. „Einen akuten Handlungsbedarf gibt es aber derzeit nicht.“