Traunstein/Rosenheim – Dritter Tag in der Revisionsverhandlung des „Samerberg-Prozesses“, zu Wort kommt die Polizei, genauer: die Beamten, die mit Unfallfahrer Simon H. und seiner Beifahrerin zu tun hatten. Und mit den beiden jungen Männern aus der Region Rosenheim, die sich mitschuldig an dem Horrorunfall gemacht haben sollen, und ebenso mit ihren Beifahrern.
Kein großer
Erkenntnisgewinn
Was man vorausschicken kann: Auch die Aussagen der Beamten, die direkt mit den Hauptbeteiligten sprechen konnten, und zwar teilweise direkt nach der Kollision gegen 21 Uhr am 20. November 2016, brachten keinen herausragenden Erkenntnisgewinn. Auch die Polizisten hatten sich bereits in früheren Verhandlungen zu Wort gemeldet, ihre Aussagen und die Antworten auf ihre Fragen sind protokolliert.
Wie um daran zu erinnern, hatten die Gerichtsdiener wieder ein Wagerl vor die Richterbank geschoben, mit 14 Aktenordnern darauf. Dem Anschein nach muss auch nach jüngsten Prozesstag kein Kapitel in den Ordnern neu geschrieben werden. Wie allerdings die Aussagen zustande kamen – die Erinnerung daran verblasst offenbar auch bei geübten Zeugen, wie es Polizisten sozusagen von Berufs wegen sind.
Widersprüche gab
es von Anfang an
Von Widersprüchen frei waren die Aussagen der Beteiligten wie auch der Zeugen nie. Nachdem viereinhalb Jahre verstrichen sind, kommen die Schwächen der Erinnerungen dazu. „Das kann ich nicht mehr sagen“ – dieses Eingeständnis war auch am Mittwoch von Polizisten so oder in Variationen immer wieder zu hören.
Gut belegt ist, dass die ersten Streifenwagen schon wenige Minuten nach dem Unfall am Ort des Geschehens eintrafen. Wie auf einem „Schlachtfeld“ habe es ausgesehen, berichtete ein Beamter. Von einem „ziemlichen Chaos“ ein anderer.
Übereinstimmend erinnern sich die Beamten, dass Simon H. schwer erschüttert und angeschlagen gewesen sei. Es sei schwierig gewesen, erinnert sich eine Polizeibeamtin an die Vernehmung kurz danach. Der Golf-Fahrer habe lediglich „Brocken“ geäußert, Satzfetzen, er habe „geweint und geschluchzt“.
Fest steht nach den Aussagen von vorgestern, dass in den Augen der Polizisten die beiden BMW-Fahrer schnell von bloßen Zeugen zu möglichen Beteiligten wurden. Der Golf-Fahrer habe gleich nach dem Unfall bruchstückhaft von einem „Rennen“ der BMW-Fahrer gesprochen, habe zudem gesagt, dass ihn die beiden beim Überholen nicht mehr zurück in die Lücke gelassen hätten.
Genau dies bestreiten bis heute der angeklagte Sebastian M. und der bereits rechtskräftig verurteilte Daniel R., ebenso ihre Beifahrer. „Zu diesem Zeitpunkt war genügend Platz, wir dachten, dass er wieder einscheren wollte“: So wurde jetzt vor Gericht die damalige Aussage von Antonio L., dem Beifahrer von Daniel R., wiedergegeben.
Was das Bild der unbeteiligten, friedlichen Verkehrsteilnehmer nachhaltig störte, waren diverse Verstöße. Und auch die Aussage einer Frau, die nochmals auftrat und von ihrer Begegnung mit dem Golf und den BMW berichtete. „Die waren sportlich unterwegs“, sagte sie. Iris Stuff, die Verteidigerin des Angeklagten, verwendete, wie bereits am vorausgegangenen Verhandlungstag, viel Zeit darauf, die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Golf-Fahrers zu erschüttern. Wusste Simon H., dass er auf einer „normalen“ Straße mit Gegenspur fuhr? Die Aussage, er sei „auf einer Art Autobahn“ gefahren, könne nahelegen, „dass er der Auffassung war, dass er nicht mit Gegenverkehr rechnen müsse“.
Oder war er einfach nur abgelenkt, etwa von seiner Beifahrerin, die er erst kurz zuvor kennengelernt hatte? Darauf hatte Stuff bereits am Dienstag angespielt.
Auch eine Aussage dieser Frau gegenüber der Polizei kam gestern zur Sprache. Der Fahrer habe sein Handy in der Hand gehalten und während der Fahrt darauf geschaut. Ein Polizist berichtete: Zum entscheidenden Augenblick habe sie ausgesagt, dass da wahrscheinlich keine Lücke gewesen sei. Andererseits habe Simon H. den Eindruck gemacht, als wolle er überhaupt nicht ausweichen. Wie zuverlässig das ist? Der Beamte sagte es so: „Sie hat sich eigentlich nicht wirklich ganz klar geäußert.“
Ein Gutachten
über Simon H.?
Für mehr Klarheit aus ihrer Sicht will jedenfalls Stuff sorgen. Sie will ein verkehrspsychologisches Gutachten, das klären soll, ob sich Simon H. wirklich wie auf der Autobahn gefühlt haben könnte. Denn dort hätte er gar nicht nach einer Lücke zwischen den BMW schauen müssen, er hätte einfach auf der Überholspur bleiben können.