Auch ohne Priorisierung bleibt Impfstoff knapp

von Redaktion

Neue Möglichkeiten und alte Probleme – Hausärzte sehen Nachschub als größtes Hindernis

Rosenheim Impfen dürfen sie nun nach ihren eigenen Maßgaben, zumindest theoretisch. Die Impfpriorisierung ist seit gestern, Montag, bundesweit Vergangenheit. Es dürften sogar Kinder ab zwölf Jahren und Jugendliche geimpft werden. In der Theorie, wie gesagt. Was man betonen muss, denn die Praxis sieht anders aus. Auch in der Region Rosenheim.

Bayern nahm bereits am 20. Mai Abschied von der Priorisierung. Die Haus- und Fachärzte konnten also Erfahrung sammeln. Der Tenor in der Region: Die Praxen gehen nach wie vor nach einer Priorisierung vor, einer Reihenfolge, die sich der Kenntnis ihrer Patienten verdankt. „Bei mir schaut es nach wie vor so aus, dass wir nach Alter und Notwendigkeit impfen“, sagt etwa Andreas Weidinger, Hausarzt in Grassau. Auch für die Patienten, die sich bei ihm auf der Liste haben eintragen lassen, sei die Notwendigkeit entscheidend: „Auch die werden gemäß Alter und Vorerkrankung ausgewählt.“ So lautet die Devise auch in der Praxis von Reiner Bunse in Tuntenhausen: Man priorisiere nach Alter und Gesundheitszustand, man wisse auch am besten, welche Patienten besonders angreifbar seien. Oder besonders viel Kontakt mit anderen Menschen haben, fügt Dr. Fritz Ihler, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Rosenheim, hinzu.

Dass sie impfen, wer auch immer eine Spritze begehrt, das mögen sich viele Hausärzte auch in der Region wünschen, aber davon sei man eben weit entfernt. Eigentlich eine Katastrophe, so nennt es Dr. Sebastian Zipplies aus Breitbrunn. Man bestelle dienstags, erhalte am Donnerstag Nachricht, mit wie viel tatsächlich gerechnet werden könne und lasse sich am Montag überraschen. „Da sieht man eine Diskrepanz“, sagt Zipplies. „Erst wenn wir Montag alles in der Hand haben, vereinbaren wir daher Termine.“ Auch Weidinger sagt: „Die Lieferung ist der Flaschenhals.“ Steigerungen seien für Mai und für Juni versprochen worden, weiß Fritz Ihler. „Nur warten wir darauf noch immer.“

Da hilft manchmal auch die allerhöchste Priorisierung nichts – die der fälligen Zweitimpfung, die nicht zu spät kommen darf. Auch die an sich garantierten Dosen dafür kommen nicht zuverlässig, sagt Zipplies.

Weiterhin unter seinen Möglichkeiten bleibt daher auch das Impfzentrum. Rund 15000 Impfungen pro Woche könnte die Einrichtung auf der Loretowiese vornehmen, wenn denn nur genügend Impfstoff käme. 5900 Dosen wurden für die laufende Woche angekündigt. So oder so wird in den Impfzentren weiter nach der ursprünglichen Priorisierung gearbeitet. Mit einer Ausnahme: Am Samstag gibt es dort einen Sonderimpftag mit Astrazeneca. Möglich macht diesen Termin eine Sonderlieferung von 500 Dosen. Die Termine seien über das Wochenende ausgebucht gewesen, meldet Christian Schwalm, Sprecher der Stadt.

Währenddessen verwalten die Hausärzte weiterhin den Mangel mit hohem Personaleinsatz. „Wenn dann das Impfzentrum auf einmal 500 Dosen erhält, dann passt doch etwas nicht zusammen“, sagt Fritz Ihler. Michael Weiser

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