Opferritual mit Brezen und Fingernägeln

von Redaktion

Schamanin muss Schweizerin 12000 Euro zurückerstatten – Vergleich rechtskräftig

Traunstein/Rosenheim – Eine Schamanin aus dem Landkreis Rosenheim muss einer Schweizerin 12000 Euro zurückerstatten. Die Klägerin hatte an die Schamanin 24000 Euro für eine nie erhaltene Ausbildung im koreanischen Schamanismus und für ein tatsächlich absolviertes Opferritual am Ufer der Tiroler Achen bei Übersee bezahlt. Ein Vergleichsvorschlag der Achten Zivilkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Dr. Johannes Kammergruber wurde jetzt mit Zustimmung beider Seiten rechtskräftig.

Der von der Beklagtenpartei zunächst geforderte Passus, die Klägerin müsse jedermann gegenüber Stillschweigen über den Zivilprozess bewahren, entfiel. Der „Maulkorb“, auf dem Beklagtenanwältin Elena Mühle-Stein aus Unterwössen als Teil des Vergleichs bestanden hatte, war der einzige Grund, warum die Klägerin und ihr Anwalt, Thomas Braitsch aus Baden-Baden, den bei einer öffentlichen Verhandlung gefundenen Vergleich doch noch widerrufen hatten. Nachdem auch die Beklagtenseite jetzt nicht mehr auf der Schweige-Passage bestand, wurde der Vergleich unangreifbar wirksam.

Kontakt zu Heilern
aus Sibirien

Die Schweizerin mit zwei abgeschlossenen Hochschulstudien hatte der Schamanin, die mit einem Partner ein Institut betreibt, überwiegend in bar knapp 24000 Euro ausgehändigt. Die Klägerin interessierte sich für Schamanismus, hatte in Ecuador und Sibirien bereits Kontakte zu schamanischen Heilern, wie sie in dem Zivilverfahren berichtete.

Bei einem Treffen in Wien im Mai 2019 regten die Beklagten an, die Akademikerin in ihr „Team“ aufzunehmen. Im Herbst 2019 wurde der Frau ein „Ritual“ mit Aufnahme in das Team offeriert. Dem Team gehörten „bekannte Wissenschaftler aus aller Welt“ an, darunter Ärzte und ein Psychologe, eine Richterin aus Italien und ein Finanzbeamter aus Bayern, hieß es. Zur gleichen Zeit schloss die Klägerin mit den Beklagten einen Vertrag für eine dreijährige schamanische Ausbildung bis 2023. Die Schweizerin wollte zwar erklärtermaßen keine Schamanin werden, aber das „Phänomen Schamanismus“ kennenlernen.

In dem Vertrag über 20000 Euro plus Mehrwertsteuer stand dann aber nichts von „Ausbildung“. Die Schweizerin fügte ihr Vertragsziel handschriftlich ein. Eine Woche vor dem angekündigten „Ritual“ überwies sie, wie verlangt, 1000 Euro. 22800 Euro brachte sie wunschgemäß als „zwingenden Teil des Rituals“ am 28. September 2019 in bar mit. Erneut gab es Probleme mit dem Vertrag. Sie unterzeichnete ihn erst, als die versprochene „Ausbildung“ nochmals aufgenommen worden war.

Das Ritual begann in Übersee in einer Halle, in der ein mit Bildern und verschiedensten Lebensmitteln, darunter ein totes Schwein, bestückter Altar aufgebaut war. Ein Mann maß mit einer Maschine „den radioaktiven Zerfall“, der sich angeblich durch das Ritual veränderte.

Die circa acht Personen, darunter „Hilfsschamanen“, gingen anschließend zum Ufer der nahen Tiroler Achen. Dort wurden am Boden Lebensmittel zu einem kleineren Altar aufgereiht. Unter Trommelklang musste die Klägerin Opfer wie Gemüse, Gummibärchen, Haferflocken, Brezen, Äpfel, Karotten und zehn Eier in den Fluss werfen. Bier und Wein schüttete sie aus den Flaschen ins Wasser. Auch abgeschnittene Haare und Fingernägel musste sie der Tiroler Achen übergeben.

Kleidung in
Puppe verbrannt

Eines ihrer Kleidungsstücke wurde in eine Puppe gesteckt und verbrannt. Währenddessen musste die Klägerin weggehen vom Ufer – ohne zurückzuschauen. Wiederum in der Halle wurden die „hellseherischen Fähigkeiten“ der Klägerin getestet. Ihr wurde geraten, sich von ihrer Familie und ihren Kindern „zu lösen“. Das wies sie energisch zurück.

Mitte November 2019 tauchten die Beklagten bei ihr in der Schweiz auf, räucherten ihre Wohnung aus, gaben ihr anschließend die Asche und versteckten ungebeten Amulette mit Sprüchen in den Räumen. Nach Übersee wurde die Klägerin nochmals Ende November 2019 eingeladen, um als „Hilfsschamanin“ an einer Zeremonie für eine andere Person mitzuwirken.

Nachdem sie nichts mehr in Richtung „Ausbildung“ hörte, kündigte sie den Vertrag und reichte Klage anschließend beim Landgericht Traunstein ein. In der mündlichen Verhandlung schätzte die Klägerin den finanziellen Wert des Rituals auf 3800 Euro, den der dreijährigen Ausbildung auf 20000 Euro. Die Beklagtenanwältin meinte dazu, der Ausbildungsvertrag habe „keinerlei Relevanz“: „Die Kosten von 23800 Euro wären auch ohne den Vertrag verlangt worden.“ Wie die Beklagten selbst die Vorgänge bewerteten, blieb in dem Verfahren offen. Beide erschienen nicht in Traunstein vor Gericht.

„Intellektuell
auf voller Höhe“

Vorsitzender Richter Dr. Johannes Kammergruber regte damals angesichts des Risikos für beide Parteien im streitigen Verfahren einen Vergleich mit Rückzahlung von 12000 Euro durch die Beklagten an. Sei ein Vertrag sittenwidrig, müsse der ganze Betrag erstattet werden. Andererseits sei die Schweizerin „intellektuell auf voller Höhe“ und habe sich trotzdem auf die Sache eingelassen.

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