Rosenheim – Die Bestätigung des Strafmaßes von zwei Jahren und drei Monaten für den angeklagten Sebastian M.: Darauf dringt Staatsanwalt Jan Salomon in der Neuauflage des sogenannten Samerberg-Prozesses. M.s Rechtsanwältin Iris Stuff plädiert am vorletzten Prozesstag auf Freispruch.
Zuvor kommt aber nochmals eine Zeugin am Landgericht Traunstein zu Wort, eine Krankenschwester, die sich im Klinikum um den verletzten Unfallfahrer Simon H. gekümmert hat. Sie liefert ein Argument zugunsten des VW-Fahrers.
Nicht weil sie seine Geschichte bestätigen kann, sondern weil sie berichtet, wie ehrlich geschockt der Golffahrer auf sie gewirkt habe. Vor allem, als er am Morgen auf dem Weg zur Vernehmung fast schon beiläufig erfahren habe, dass sein Unfall Leben gekostet hatte. „Er ist zusammengebrochen“, erzählt die Zeugin. „Er hat am ganzen Körper gezittert und geweint.“
Riskantes
Überholmanöver
Danach haben die Vertreter der Parteien das Wort, die Anwälte der Nebenkläger, Christian Schluttenhofer und Wilhelm Graue, Staatsanwalt Jan Salomon, und Iris Stuff, die Verteidigerin von Sebastian M. Der soll mit seinem BMW im Zusammenwirken mit dem anderen, bereits rechtskräftig verurteilten BMW-Fahrer Daniel R. Simon H. am Einscheren von einem riskanten Überholmanöver gehindert haben.
Seine Anwältin verliest vor den Plädoyers eine Erklärung im Namen ihres Mandanten, adressiert an die Familien von Melanie Rüth und Ramona Daxlberger, die damals starben. „Seien Sie gewiss, dass Herr M. den allergrößten Respekt vor Ihrer Trauer hat.“ Aber traumatisiert sei eben auch er, wegen der schrecklichen Szenen jenes Abends. Und weil er zu Unrecht für einen schrecklichen Unfall mitverantwortlich gemacht werde. Von einem „Martyrium“ spricht sie.
Staatsanwalt Salomon wird später auf Stuffs Auftritt Bezug nehmen. Er sei „sprachlos“, sagt Salomon. Es gelinge M. nicht, Mitleid zu äußern, ohne auf sein eigenes Leid hinzuweisen.
Zuerst aber spricht Christian Schluttenhofer, Anwalt der Familie Daxlberger, deren Tochter Ramona Stunden nach dem Unfall im Krankenhaus starb. Er bezeichnet die beiden BMW-Fahrer wie auch den Golffahrer als „Autoverrückte“. In der Szene erkenne man einander, den Golf hätten Sebastian M. und Daniel R. als getuned registriert. Sie hätten provoziert und Simon H. förmlich eine „Falle“ gestellt. Er rückte das Manöver der beiden in die Nähe eines Mordes, mit den Haftstrafen von etwas über zwei Jahren seien die Angeklagten seinerzeit „sehr gut gefahren“.
Iris Stuff setzt anschließend auf zwei Punkte: Sie will Sebastian M. als harmlos anerkannt sehen. M. sei kein Raser, kein Poser, er habe nicht mal einen Eintrag im Verkehrsregister. Und sie will die Glaubwürdigkeit von Simon H. erschüttern. Der habe im Laufe der Zeit verschiedene Variationen des Unfallhergangs erzählt, sei sich aber nun bei einigen Details auf einmal sicher. Dass die Erinnerung von Simon H. immer konkreter anstatt schwammiger werde, müsse einen doch stutzig machen: „Was ich vor drei Jahren nur vermuten konnte, das kann ich heute nicht wissen.“
Blieb Simon H. auf der Überholspur, weil er durch sein Mobiltelefon abgelenkt war? Oder wähnte er sich tatsächlich auf einer Autobahn? Iris Stuff bringt diese Argumente nochmals vor. Für sie ist die Sache am Ende klar: „Sebastian M. ist in dieser Hinsicht freizusprechen.“ Es sei davon auszugehen, dass seine Unschuld feststehe.
Staatsanwalt Jan Salomon äußerte sich „überzeugt“, dass sich die Sache so zugetragen habe, wie in den beiden Verhandlungen zuvor festgestellt. Simon H. habe sich eben nicht in „strukturelle Widersprüche“ verstrickt, er sei glaubwürdig. Auch mit der Behauptung, „die Schweine“ hätten ihn nicht reingelassen. Das habe er gleich nach dem Unfall in einem Telefonat mit seiner Schwester beteuert. Salomon betont, dass auch die BMW-Fahrer und ihre Beifahrer immer wieder abweichende Versionen erzählt haben. So wie sie der Staatsanwalt aufzählt, reichen die Abstände in der entscheidenden Lücke zwischen den BMWs von 20 bis 150 Metern.
„Absolut
glaubwürdig“
Wilhelm Graue, Rechtsanwalt der Familie Rüth, bezeichnet Simon H, als „absolut glaubwürdig“ und erteilt Stuffs Autobahn-These eine Absage. Dann spricht Ralf Rüth, Vater der getöteten Fahrerin. Seine Tochter habe noch gebremst, habe versucht, dem Wagen von H. auszuweichen. Der Golffahrer trage genauso wie Sebastian M. und Daniel R. Schuld. „Wenn alle gebremst hätten, dann wäre dieser Unfall anders geschehen.“
Am Freitag, 25. Juni, wird Richterin Heike Will das Urteil verkünden.