Hass im Netz

von Redaktion

Über den Umgang mit Beleidigungen in sozialen Medien

Franziska Lohberger ist Influencerin und Bodybuilderin. Foto Trautmann

Rosenheim – Heute ist Tag der sozialen Medien. Die Währung auf Instagram, Twitter und Facebook: Likes und Kommentare. Wer abliefert, wird mit einem Herzchen oder „gefällt mir“ belohnt. Missfällt den Nutzern der Inhalt, kommt Kritik: Von leichtem Missfallen über Beleidigungen, bis hin zu Hasskommentaren ist alles dabei. Und oft werden die Trolle persönlich. Wie sich das anfühlt, erzählen Influencerin Franziska Lohberger und Politiker aus der Region.

„Für mich gehört das zum Geschäft“, sagt Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig. Als Frau, CSU-Mitglied und Bundesdrogenbeauftragte sei sie gleich in drei Punkten angreifbar. Damit müsse sie klarkommen.

Bei Frauen geht es laut Ludwig jedoch relativ schnell um das Aussehen. „Hat die Augenringe, was hat die an, sitzt die Frisur?“, heiße es dann. Ein Nutzer starte damit, die anderen würden einsteigen und das multipliziere sich dann. „So klischeehaft es klingt, aber bei Frauen im Netz ist das eine ganz eine andere Nummer als bei Männern“, sagt Ludwig. Das hätten ihr Kolleginnen und Kollegen bestätigt.

Angriffe auf Familienmitglieder

Auch persönlich werde es schnell. Die Kommentare unter ihren Beiträgen bezögen sich immer wieder auf ihre Kinder – die Zwillinge sind zehn Jahre alt. Nutzer schreiben etwa: „So was wie Sie sollte sich nicht vermehren“ oder „Hoffentlich schämen sich Ihre Kinder für Sie.“ Diese sogenannten Trolle sperre die Politikerin. Denn Ludwig sei sensibel, wenn jemand ihre Kinder oder ihren Mann beleidige. „Auch ich habe meine Grenzen“, sagt die 45-Jährige.

Wenn ihre Familie oder Menschen, die sie liebt, angegriffen werden, hat auch Franziska Lohberger genug: „Die Menschen glauben, dass sie rausposaunen können was sie wollen, weil sie anonym sind.“ Die 25-Jährige ist Influencerin und Bodybuilderin. Sie wird immer wieder beleidigt und teilweise sogar bedroht. „Ich fahr bei dir vorbei“, heiße es dann. Das sei zwar selten, dennoch ist sie vorsichtig. „Ich teile nie meine Adresse und passe auf, dass die Leute nicht sehen, wo ich wohne.“ Die Angriffe nimmt sie meist nicht persönlich. Mittlerweile wisse sie, dass der Hass nicht gegen sie gerichtet sei. „Diese Leute haben ein Problem mit sich selbst“, sagt Lohberger. Andersfalls würden sie nicht so emotional auf ihre Beiträge reagieren. Dennoch findet die Rosenheimerin, dass gewisse Regeln des Anstands immer gelten sollten. „Egal ob online oder offline.“

Besonders stark wurde Lohberger für einen Beitrag angegriffen, in dem ihre Schamlippen durch ihre Jeans zu sehen waren. „Die ganzen Internetrambos sind dann natürlich auf meinen Account gepilgert und haben ihn mit Hass überflutet“, erzählt sie. So etwas „Abartiges“ habe sie noch nie erlebt. Solche Menschen hätten nur Accounts, um andere zu beleidigen. Ihr Postfach sei wochenlang mit Hunderten Nachrichten überfüllt gewesen. Damit sei sie zunächst überfordert gewesen. „Irgendwann lässt man sich ein dickes Fell wachsen, sodass das einfach abprallt“, sagt Lohberger. Gewisse Aussagen seien jedoch strafbar und es sei sinnvoll, diese anzuzeigen. Bestraft würden die Personen hinter den Hasskommentaren selten, weil sie nicht nachverfolgbar seien.

Dennoch sollten Betroffene solche Taten anzeigen, damit sie in die Statistik einfließen und um ein Zeichen gegen Hass zu setzen. „Es gibt die Seite „HateAid“, die helfen bei der Anzeige“, erläutert Lohberger. Das Angebot habe sie selbst bereits einmal angenommen, jedoch ohne Ergebnis. „Es wäre auf jeden Fall wünschenswert, dass das anders wäre“, sagt die 25-Jährige. Auch der Rosenheimer SPD-Fraktionsvorsitzende Abuzar Erdogan will eine Veränderung: „Ich würde mir ein härteres Strafrecht in dem Bereich wünschen.“ Etwa indem das Strafrecht nachjustiert und die Staatsanwaltschaften mit mehr Personal ausgestattet werde. Denn Beleidigungen im persönlichen Bereich würden oft eingestellt, weil das öffentliche Interesse fehle. Delikte wie Volksverhetzung seien hingegen nicht an eine Person gerichtet, sondern sehr allgemein.

Die Schwelle, bis eine Volksverhetzung erfüllt ist, sei aber zu hoch. „Wir müssen der inflationär gewordenen Hasssprache, gerade im Internet, Einhalt gebieten“, meint der Politiker.

Erdogan selbst werde nur ab und zu angegriffen. „Viele würden wahrscheinlich vermuten, dass ich mit meinem Nachnamen und meinem Aussehen öfter Opfer von Hassrede werde“, sagt er. Wenn Kommentare eine gewisse Schwelle überschreiten, wisse er sich auch zu wehren – gegebenenfalls rechtlich.

Verrohung
der Gesellschaft

Zudem empfiehlt er, selbstbewusst zu sein. Niemand müsse sich Hasskommentare gefallen lassen. Jeder Mensch habe Anspruch darauf, diskriminierungsfrei angesprochen und respektiert zu werden. „Ohne das würde die Gesellschaft völlig verrohen“, sagt Erdogan.

Auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner sagt: „Niemand muss solche Aussagen einfach unwidersprochen hinnehmen.“ Sie selbst werde kaum angegriffen. Laut einer ARD-Umfrage seien 90 Prozent der weiblichen Bundestagsabgeordneten aber bereits einmal mit Hassrede konfrontiert worden.

Doch was kann der Einzelne gegen den Hass tun? „Gegenrede leisten und damit Zivilcourage zeigen“, meint Aigner. Denn im Alltag wie im Netz sei die Gruppe der Hetzer eigentlich sehr klein, aber gefährlich. Auf politischer Ebene gebe es seit vergangenem Jahr einen Hate-Speech-Beauftragten der bayerischen Justiz. Er unterstützt die Arbeit der 22 Sonderdezernenten der Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Hassbotschaften. Für Politiker gibt es zudem ein Online-Meldeverfahren bei Beleidigungen.

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