Rosenheim – „Wir rauschen auf den nächsten Lockdown zu.“ So warnt Dr. Nikolaus Klecker, Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands und Hausarzt in Rosenheim. „Wir stolpern von einer Welle in die nächste.“ Das schwant Dr. Wolfgang Hierl, dem Chef des Staatlichen Gesundheitsamts Rosenheim. Ein Grund für die trüben Aussichten: Wie der Rest von Bayern ist die Region weit von Herdenimmunität entfernt.
Was an der zunehmenden Impfmüdigkeit liegt. Die Nachfrage nach dem Corona-Schutz war noch vor wenigen Wochen so stark, „dass meine Mitarbeiterinnen am Telefon richtiggehend bedrängt wurden“, wie Hausarzt Dr. Reinhard Kuppler aus Rosenheim berichtet. Doch dieser Ansturm sei bei ihm und vielen Kollegen zum Erliegen gekommen, sagt er.
Nur 5000 registrierte Impfwillige, aber 12000 Impfdosen: Das ließ Hans Meyrl, Leiter des Impfzentrums, Beginn der Woche verlauten. Landrat Otto Lederer und Rosenheims Oberbürgermeister ließen darauf einen Appell folgen, die Rückkehr in die Normalität doch nicht durch Laxheit zu gefährden.
Mittlerweile ist sogar das Häufchen der 5000 Kandidaten geschmolzen, sie haben alle ihre Termine. Die Zahl derer ohne Termine liege bei Null, sagt Christian Schwalm, Sprecher der Stadt Rosenheim. Sprich: Stand Donnerstag, 1. Juli, hatten sich über das zentrale Online-Registrierungsportal also viel zu wenige Menschen registriert. Zeitnahe Termine gebe es jedenfalls ausreichend, versichert Meyrl.
Auch für den Astrazeneca-Impftag am Sonntag im Impfzentrum an der Loretowiese ist das Interesse mau. 700 Dosen könnten dank einer neuerlichen Sonderzuteilung durch das bayerische Gesundheitsministerium abgegeben werden. Doch bis gestern, Donnerstag, hatten sich noch nicht mal 50 Menschen einen Termin gesichert. Aufschlussreich ist die Tageszeit, in der Terminfenster genutzt werden: bis in den Vormittag hinein, danach kaum mehr. Offenbar verspüren die Rosenheimer wenig Lust, sich für einen Impftermin einen Ausflugstag mit halbwegs guter Wetterprognose zu blockieren.
Zögern wegen
der Sommerferien
„Zur Zeit zögern viele Menschen mit ihrer Anmeldung zur Erstimpfung vielleicht auch deswegen, weil sie fürchten, dass der Zweittermin mitten in die Ferienzeit fällt“, vermutet Reinhard Kuppler. Oder es breite sich Sorglosigkeit angesichts sinkender Inzidenzzahlen aus.
Wie weckt man den Impfelan? Ein früherer
Hausarzt kann sich vorstellen, dass die Stadt Anreize setzt: Einkaufsgutscheine, ein Tagesticket fürs Sommerfestival „oder einen Fresskorb“, das schlägt Dr. Günther Wichert aus Rosenheim vor. Das Bayerische Gesundheitsministerium verweist auf Nachfrage auf seine neue Impfkampagne mit dem Titel „Ich tu‘s für…“ Da dürfte die Aussage des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, sich vorerst nicht impfen zu lassen, kaum helfen. Was Nikolaus Klecker den Kopf schütteln lässt: „Ich weiß nicht, worauf Aiwanger warten will.“