„Wie im Kriegsgebiet“

von Redaktion

Schon Anreise in die Hochwasserregion stellt Helfer auf die Probe

Rosenheim – Die Lage, sie ist chaotisch. „Das hat Deutschland in dieser Form seit dem Krieg nicht mehr erlebt“, sagt Richard Schrank von den ersten Beobachtungen im Flut-Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz.

Der Rosenheimer Kreisbrandrat ist gestern seinen Leuten nach Mendig vorausgefahren und hat an ersten Vorgesprächen im Feuerwehrhaus teilgenommen. „Bei den Schilderungen der Einsatzkräfte, die aus dem Einsatzgebiet zurückkommen, stellen sich die Haare auf“, sagt Schrank.

Flut zerstörte
die Infrastruktur

Mit 100 Helfern rücken die Feuerwehren aus dem Landkreis Rosenheim heute an, am Morgen sind sie von Bad Aibling aus aufgebrochen. Mit einer wahren Armada von 27 Fahrzeugen, ausgerüstet, den Kampf mit Trümmern und Schlammmassen aufzunehmen. Tanklöschfahrzeuge zum Freispülen, Rüstfahrzeuge mit Bergematerial und Seilwinden, Stromerzeuger, Beleuchtungseinheiten, schweres Räumgerät, Radlader, Bagger, Lastkraftwagen mit Kran.

Nach Stunden der Ungewissheit scheint klar: Die Helfer aus der Region Rosenheim bauen ihre Zeltstadt am Nürburgring auf. „Ich bin froh“, sagt Schrank, wenigstens die Frage der Unterkunft hat sich geklärt, nachdem es zunächst geheißen hatte, die Oberbayern würden im Freien oder in einem Hangar ohne Licht und Wasser schlafen müssen.

Was sich gestern noch herausstellte: Die Kräfte aus der Region werden aller Voraussicht nach in zwei der besonders betroffenen Einsatzabschnitte im Landkreis Ahrweiler zum Einsatz kommen. Die Infektionsgefahr steige, sagte Schrank den OVB-Heimatzeitungen, wegen verwesender Tierkadaver. Er müsse seine Leute auch darauf vorbereiten, dass Menschen unter den Trümmern liegen könnten.

Eine Katastrophe wie die in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schwemmt Häuser und Autos hinweg, zerstört Existenzen. Und sie wirbelt Abläufe und Notfallpläne durcheinander. „Die Infrastruktur ist weg“, sagt Schrank, „Telefon, Wasser, Strom, das alles funktioniert nicht mehr.“ Für die Trupps aus der Region Rosenheim war die Anfahrt ins Katastrophengebiet daher ein Aufbruch ins Ungewisse.

Auch für die 16 Helfer des THW. Sie sind am Sonntag nach Nordrhein-Westfalen ausgerückt, nachdem sie am Samstag spätabends von ihrem Einsatz erfahren hatten. Mittlerweile haben sie Quartier bezogen, in der Dreifachturnhalle einer Schule haben sie neben Hunderten anderer THWler aus ganz Deutschland ihre Feldbetten aufgestellt, „Unser Einsatzgebiet wird voraussichtlich in der Nähe von Euskirchen sein“, sagt Pressesprecher Stefan Huber. Ganz sicher weiß er eins: Die Angelegenheit wird hart. „Die klare Ansage an uns war: Es ist wie im Kriegsgebiet, nur ohne feindliche Truppen.“

Bereits am Samstagmorgen hatte sich der Rosenheimer Metzger Hubert Lohberger auf den Weg nach Rheinland-Pfalz gemacht. Im Auftrag der Metzgerinnung brachte er rund 250 Kilogramm Wurstwaren in den Ort Weibern, rund 15 Kilometer südlich des vom Hochwasser besonders gezeichneten Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Dem örtlichen DRK in Weibern überbrachte der Innungsobermeister nicht nur Lebensmittel. Auch einen Scheck über 1000 Euro der Metzgerinnung übergab er als Spende für die Flutopfer – „und 100 Euro von der Schwiegermutter“.

Rund siebeneinhalb Stunden war Lohberger mit seinem Transporter unterwegs. Immer wieder kamen ihm Einsatzfahrzeuge entgegen. Aber auch Kolonnen, die mobile Toiletten geladen haben. Das gab Lohberger zu denken: dass es noch andere wichtige Sachen neben Essen und Trinken gebe.

Schlammverkrustete
Gummistiefel

Mit Morast besudelte Fahrzeuge und Helfer in schlammverkrusteten Gummistiefeln weckten in ihm Erinnerungen an das Hochwasser 2013 in Rosenheim und Kolbermoor. Da stand auch Lohbergers Keller unter Wasser. „Kein Vergleich“ mit den jüngsten Ereignissen, sagt er. Aber er erinnert sich an die Solidarität damals. Die Bereitschaft der Menschen, Betroffenen zu helfen. Die Metzgerinnung wiederum sei auch eine Solidargemeinschaft, sagt Lohberger. Und so sei es ihm und seinen Kollegen wichtig gewesen, ihren Teil „beizutragen, um die schwierige Situation der Flutopfer zu lindern“.

Dazu sind ihrerseits nun auch die Helfer aus der Region bereit. 14 ehrenamtliche Einsatzkräfte der Rosenheimer Malteser zum Beispiel, die sich in Neuwied (Rheinland-Pfalz) um Unterkunft und Transport von Helfern und Hilfsgütern kümmern werden. Oder die Johanniter Nico Mayer und Tobias Reich aus Wasserburg, die das Zusammenspiel zwischen Einsatzleitung und auswärtigen Hilfskräften koordinieren (wir berichteten).

Die Feuerwehr wiederum denkt an die Zeit nach dem Einsatz und nimmt Aufbauhelfer für die Seele mit – Mitarbeiter der psychosozialen Dienste. Für die Notfallversorgung der Einsatzkräfte.

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