Rosenheim – In vielen Handwerksberufen fehlt der Nachwuchs, besonders bei den Friseuren. Mithilfe eines Schnuppertages im Rahmen der Ferienwerkstatt im Bildungszentrum Rosenheim hat die Handwerkskammer für München und Oberbayern versucht, Jugendliche für den Beruf des Friseurs zu begeistern. Warum es um mehr geht, als nur um einen Tag Ferienspaß.
„Du nimmst die Strähne und drehst sie ein, wie, wenn du sie glätten würdest“, sagt Lena Löw (12) zu dem Jungen ihr gegenüber und klingt dabei wie ein Profi. Ihre langen, roten Haare fallen ihr über den Rücken. Die Amerangerin packt eine Strähne am Schopf ihrer Übungspuppe – Lena Löw hat sie Josefina genannt –, setzt das Glätteisen oben an und zieht es nach unten bis zu den Haarspitzen. Der Junge macht es ihr nach und merkt kurz darauf kichernd an: „Meine schaut ganz gerupft aus.“
Beruf des Schreiners
kennenlernen
Die beiden Jugendlichen nehmen zusammen mit einem weiteren Mädchen und fünf anderen Jungs an der Ferienwerkstatt im Rosenheimer Bildungszentrum der Handwerkskammer für München und Oberbayern teil. An fünf Tagen lernen die Jugendlichen fünf verschiedene Berufe kennen, zum Beispiel den des Schreiners, Kfz-Mechatronikers und eben den des Friseurs.
Sie sollen in dieser Woche Spaß haben, neue Sachen ausprobieren – und vielleicht auch einen Beruf entdecken, der zu ihnen passt. In Stadt und Landkreis Rosenheim fehlt gerade in der Friseur-Branche der Nachwuchs. „Die Situation ist ganz schlecht“, sagt Sylvia Burgemeister. Sie ist seit mehr als 30 Jahren Friseurin und sitzt im Prüfungsausschuss der Friseur-Innung Rosenheim. 2021 seien nur 19 Lehrlinge freigesprochen und damit zu Gesellen gemacht worden. Vor sieben Jahren seien es noch 40 Gesellen in Stadt und Landkreis gewesen, erinnert sie sich. Nach Angaben der Bayerischen Handwerkskammer haben 2020 17 Prozent weniger Lehrlinge die Ausbildung abgeschlossen als 2019.
Warum immer weniger junge Menschen den Beruf erlernen wollen, kann Sylvia Burgemeister nicht genau erklären. „Das Image ist eigentlich schon besser geworden“, sagt sie. Und auch das Gehalt, das im Vergleich zu anderen Berufen immer noch niedrig ist, sei gestiegen. 1200 bis 1300 Euro netto verdiene eine junge Friseurin am Anfang.
Zu wenig, findet indes Lena Löw. Das ist auch einer der Gründe, warum sie den Beruf nicht ausüben will. Sie mag zwar Haare und ist auf Geburtstagsfeiern immer diejenige, die den anderen Mädchen komplizierte Frisuren flechtet. „Aber ich will eher Kindergärtnerin werden oder mit Tieren arbeiten“, sagt sie.
Im Gegensatz zu Lena Löw weiß ihre Freundin Hannah Neuhauser (13) schon genau, was sie mal werden will: Journalistin. „Ich schreibe gerne und hab gern mit Menschen zu tun.“ Während das nicht die schlechtesten Voraussetzungen für diesen Beruf sind, könnte sie sich aber generell trotzdem vorstellen, Friseurin zu werden. Das Waschen, Föhnen, Frisieren und Flechten, das mache ihr „schon Spaß“.
Auch Sylvia Burgemeister hat nach drei Jahrzehnten noch immer Spaß an ihrem Beruf. Und sie wünscht sich, dass es mehr jungen Menschen genauso geht. Denn: „Friseure sind essenziell.“
Längere Wartezeiten
für Friseurkunden
Gibt es weniger Azubis, bringe das die Betriebe in der Region in eine prekäre Lage. Die Arbeitsbelastung für die Friseure steige. Und auch auf die Kunden hat der Mangel Auswirkungen. „Es dauert länger, bis man einen Termin bekommt und die Schnitte werden teurer“, erklärt sie. Aber es hängt noch mehr am ausbildungswilligen Nachwuchs: die Jobs der Berufsschullehrer beispielsweise.
Aus all diesen Gründen wird Sylvia Burgemeister auch weiterhin Ferienwerkstätten anbieten. Um mehr junge Menschen fürs Waschen, Schneiden, Föhnen und alles, was dazugehört, zu begeistern.