Auf der Jagd nach Feinden des Waldes

von Redaktion

Wälder haben viele Funktionen. Sie sind Erholungszentren, schützen aber auch vor Lärm und binden das Treibhausgas CO2. Doch Pilze und Borkenkäfer bedrohen sie. Um die Feinde des Waldes geht es in der neunten Folge der Serie „Landwirtschaft im Wandel“.

Rosenheim – Sieht man ganz genau hin, erkennt man sie auf dem dürren Ast der Esche: die orangefarbenen Rückstände des Pilzes, der für den Wald im Landkreis Rosenheim das größte Problem darstellt. Es ist kein einheimischer Pilz, ursprünglich kommt er aus Ostasien. Er trägt den harmlos klingenden Namen „Falsches Weißes Stengelbecherchen“.

Diese Art bringt Eschen den Tod. Das bereitet Marius Benner und Dr. Georg Kasberger große Sorgen. Der Bereichsleiter Forsten im Rosenheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Leiter des Amtes stehen am Ufer des Happingerausees in Rosenheim. Sie begutachten den Zweig eben jener Esche, die Spuren des „Falschen Weißen Stengelbecherchens“ aufweist.

Pilz zersetzt
die Wurzeln

Der Pilz setzt sich auf die Triebe des Baumes, diese sterben ab. Das schwächt die Esche. So sehr, dass ein anderer Fungus, der deutsche „Hallimasch“, die Wurzeln befällt und sie zersetzt. „Der Baum fällt irgendwann einfach um“, sagt Benner. Vorher trägt der Wind die Sporen des Stengelbecherchens davon und verbreitet so die Krankheit. „Das ist kaum aufzuhalten“, fügt Kasberger hinzu. „Es ist auf alle Fälle ein Todesurteil.“

Die Ursache zu bekämpfen – fast unmöglich. Forscher versuchten momentan, Eschen, die scheinbar resistent gegen den Pilz sind, künstlich zu infizieren. Überstehen sie das, könnten von diesen Bäumen Ableger produziert und mit diesen aufgeforstet werden. „Das Eschentriebsterben ist deutschlandweit ein riesiges Problem“, sagt Benner. In der Region gibt es laut dem Förster relativ viele Eschen, da die Auwälder entlang der Mangfall, des Inns und der Seen prädestiniert für diese Bäume sind. Befallene Eschen, die jederzeit umfallen könnten, stellen eine Gefahr für Menschen dar. Und schmälern infolge den Wert des Erholungsgebietes Wald.

Das sei eine zentrale Funktion der grünen Lungen: Abschalten unter Bäumen, die Freizeit dort verbringen – besonders die Deutschen hätten danach ein starkes Bedürfnis, sagt Benner. Wälder können aber auch als Lärmschutzwand fungieren, in Abgrenzung zu viel befahrenen Straßen oder Industriegebieten. „Man darf auch nicht die Forstwirtschaft vergessen“, erinnert Kasberger. „Manche Menschen hier leben von der Holzproduktion.“

Der Ansatz der bayerischen Forstwirtschaft sei, den Wald zu schützen und zu nutzen, betont Benner. Der Bund Naturschutz fordert jedoch zum Beispiel, noch mehr Waldfläche in „Naturwälder“ umzuwandeln. Diese sind nutzungsfrei, was bedeutet, dass dort kein Holz geschlagen werden darf. Bayern hat Ende vergangenen Jahres entschieden, dass bis 2023 zehn Prozent des Staatswaldes – also rund 79000 Hektar – nutzungsfrei sein sollen. Momentan sind 58000 Hektar in Bayern als „Naturwald“ ausgewiesen.

Würde man eine Waldfläche dieser Größe verlieren, hätte das langfristig Auswirkungen auf das Klima. Denn Bäume sind exzellente Kohlenstoffdioxidspeicher. Besonders junge bis mittelalte Bäume können große Mengen des Treibhausgases aufnehmen. Experten gehen davon aus, dass ein Kubikmeter Holz eine Tonne CO2 binden kann.

Weniger Bäume führen zu mehr Treibhausgasen in der Atmosphäre, was wiederum die Erderwärmung und den Klimawandel begünstigt. Dessen Auswirkungen sind der Welt erst kürzlich wieder vor Augen geführt worden. Die Bilder der Infernos, der Tausenden Hektaren an brennenden Wäldern in der Türkei, in Griechenland und den USA, liefen über Fernseh- und Handybildschirme rund um den Globus.

Auch in Rosenheim habe es schon Waldbrände gegeben. Aber hier sei das Risiko aufgrund häufiger Sommerregen bei Weitem nicht so hoch wie in Nordbayern, sagt Kasberger. „Die Waldbrandgefahr im Nürnberger Reichswald zum Beispiel ist immens.“

Schädlinge
vermehren sich

Die Temperaturen steigen auch in der Region Rosenheim. Und je wärmer es wird, desto besser und länger können sich laut Kasberger Schädlinge wie der Borkenkäfer vermehren. Das Insekt bohrt sich durch die Rinde in einen Baum hinein und legt dort seine Eier ab. Die Larven fressen dann die aktive Zellschicht unter der Rinde, wodurch der Baum schnell abstirbt.

Bekämpfen kann er den Käfer – im Gegensatz zu den Pilzen beim Eschentriebsterben – durchaus, indem er ihn mit Harz verklebt. Aber das funktioniert Kasberger zufolge nur, wenn der Baum ausreichend Druck auf das Harz aufbaut. „Das geht nur, wenn er genügend Grundwasser aufsaugen kann“, erklärt er. Der Kreislauf schließt sich beim Problem mit der Trockenheit.

Rosenheim hatte laut Benner dieses Jahr Glück. Borkenkäfer schwärmen erst dann aus, wenn es mehrere Tage am Stück mindestens 15 Grad warm ist. „Heuer war es im Frühjahr kühl und es hat viel geregnet. Darum lässt uns der Borkenkäfer weitgehend in Ruhe“, sagt er, während er durch ein Waldstück in der Nähe des Rosenheimer Stadtteils Aising stapft. Einen Borkenkäfer hat der Förster dort jedenfalls nicht gefunden. Eine gute Nachricht für die Bäume.

Zahlen, Daten und Fakten zur Waldregion Rosenheim

Stadt und Landkreis Rosenheim verfügen zusammen über eine Fläche von rund 147600 Hektar. 34 Prozent davon sind mit Wald bewachsen (50400 Hektar). Die Waldfläche habe sich in den vergangenen 30 Jahren in der Region nicht erheblich verändert, sagt Dr. Georg Kasberger, Leiter des Rosenheimer Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF). In Bayern schützt das Waldgesetz den Wald zwar nicht vor Schädlingsbefall, aber es sichert seinen Bestand in Hinblick auf Rodungen: Wenn eine Fläche gerodet wird, muss an anderer Stelle entsprechend wieder aufgeforstet werden. „Es gibt kein vergleichbares Gesetz in der Landwirtschaft“, sagt Kasberger. Der Wald in der Region besteht zum Großteil (rund 70 Prozent) aus Nadelbäumen. Fichten herrschten vor, da sie einfacher zu pflanzen und unempfindlicher gegen Frost seien. Aber auch Mischwald mit Laubbäumen habe mittlerweile Einzug gehalten. Wendepunkt in der Aufforstungsstrategie sei die enorme Zerstörung gewesen, die die zwei Winterstürme „Vivian“ und „Wiebke“ im Jahr 1990 hinterlassen hatten. „Tausende Hektar Wald haben die Stürme damals zerstört“, erinnert sich Kasberger. „Später hat man gesehen, dass im Landkreis Rosenheim dabei viele Fichten umgefallen sind, weil sie Flachwurzler sind.“ Ein Desaster, unter anderem, weil Nadelholz wichtig für die Forstwirtschaft in der Region ist. Es ist robust und – wenn es gut getrocknet ist – wenig anfällig für Holzschädlinge. Deshalb werden mit ihm oft Häuser gebaut. Aber auch für die Bergregionen haben Fichten und Tannen eine große Bedeutung. „Wir brauchen Nadelbäume unbedingt im Bergwald“, sagt Marius Benner, Bereichsleiter Forsten beim AELF Rosenheim. „Sie halten den Schnee zurück.“ Der Bergwald schützt die Menschen im Tal dadurch vor Lawinen, Muren und Hochwasser. Strömt das Wasser ungehindert den Berg hinunter, nimmt es laut Benner auf dem Weg den über viele Jahre aufgebauten Humusboden mit. So sehr, dass er für natürliche Verjüngung oder Aufforstung unbrauchbar wird. Gegensteuern will der Staat mithilfe von Maßnahmen im Rahmen der Bergwaldoffensive. Waldbesitzern soll geholfen werden, ihre Wälder auf den Klimawandel vorzubereiten.

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