Rosenheim – Fünf Tote binnen einer Woche meldet das Gesundheitsamt Rosenheim. Es handelt sich nach Auskunft von Amtschef Dr. Wolfgang Hierl um ältere Menschen, lediglich eine Person sei unter 60 gewesen. Bei einem in einem Heim betreuten und verstorbenen Menschen sei die Covid-Diagnose bereits im November gestellt worden.
Nicht zuletzt wegen solcher Nachrichten und wegen der weiterhin angespannten Lage ist die Freude über die Erleichterungen der vergangenen Woche nicht ungetrübt. So mancher scheint den Errungenschaften – auch größere Veranstaltungen sind möglich, so lange die 3G-Regel eingehalten wird – nicht zu trauen.
Stadt vorn in der
Corona-Tabelle
Eishockey-Oberligist Starbulls zum Beispiel hat seinen Dauerkartenbesitzern eine Entschädigung für jedes Geisterspiel versprochen. Keine übertriebene Vorsicht, das legen die Worte des Leiters des Gesundheitsamts nahe. Die Menschen in der Region Rosenheim befänden sich „mitten in einer vierten Welle“, sagt Dr. Wolfgang Hierl, „mit einem seit Anfang August exponentiellen Anstieg der Fallzahlen“.
Dem Gesundheitsamt Rosenheim wurden täglich zwischen 28 und 128 neue Fälle gemeldet. Insgesamt waren es 482 Neumeldungen, gegenüber 343 neuen Fällen in der Vorwoche. Die 7-Tage-Inzidenz von 200 Infektionen pro 100000 Einwohner in sieben Tagen wurde in der Stadt bis auf zwei Tage an allen Tagen überschritten. Gestern lag sie bei 215,4.
Damit lag die kreisfreie Stadt Rosenheim laut Aufstellung des Robert-Koch-Instituts auf Platz 1 der Rangliste in Bayern und auf Rang 3 in Deutschland. Auch im Landkreis steigen die Zahlen kräftig. Seit 31. August liegt der Kreis Rosenheim stets über der 7-Tage-Inzidenz von 100 (gestern 131,8).
Die Fieberkurve
zeigt nach oben
Damit stößt das Gesundheitsamt an seine Grenzen. Die Nachverfolgung der Kontaktpersonen von Infizierten könne nicht mehr sichergestellt werden, teilte Hierl mit. Man wolle das Personal „mit Hochdruck“ aufstocken.
Bayern hat sich wie berichtet in der vergangenen Woche von der Inzidenzzahl als Leitindex verabschiedet. So ganz will Hierl aber davon nicht lassen, er bezeichnet sie als „Fieberkurve“ des Ansteckungsgeschehens. Zwar sei das Geschehen an den Kliniken noch entspannt. Doch sei die Impfquote im Landkreis viel zu niedrig, um die Pandemie einbremsen zu können, das Ansteckungspotenzial der Delta-Variante und die sinkenden Temperaturen täten ein Übriges.
Hierl: „Wir sind bildlich gesprochen mit viel zu hoher Geschwindigkeit in Richtung Herbst unterwegs.“ Es sei die logische Folge, dass damit die Belastung der Intensivstationen steige.
Das bedeutet nicht, dass die Lockerungen der vergangenen Woche wieder zurückgenommen werden. Erst wenn in ganz Bayern 1200 Patienten innerhalb einer Woche ins Krankenhaus eingeliefert oder gar 600 Patienten neu in Intensivstationen behandelt werden mussten, schaltet die Corona-Ampel im Freistaat um, zunächst auf Gelb und dann auf Rot. Für Stadt und Landkreis Rosenheim bedeutet das, dass die eigenen Spitzenwerte praktisch durch die niedrigen Inzidenzen etwa im Landkreis Cham ausgeglichen werden. Verschärfungen der Regeln scheinen somit in weite Ferne gerückt – was Vertreter der Wirtschaft als Beitrag zur Planungssicherheit begrüßen. Gestern jedenfalls zeigte die Ampel im Online-Portal des Gesundheitsministeriums ein leuchtendes Grün.
Rückkehrer bringen
Delta-Variante mit
Nach wie vor stecken sich offenbar besonders viele Menschen im Urlaub an, sie stellen 45 Prozent der Ansteckungen. Die meisten der Rückkehrer hatten sich im Kosovo infiziert. Fast ebenso hoch ist der Anteil der Ansteckungen im privaten Umfeld.
Kein Wunder, sagt Hierl, aufgrund der hohen Ansteckungskraft der Delta-Variante stecke ein Infizierter viele andere Menschen an. Allerdings ist diese so genannte indische Variante noch immer in der Minderheit: Seit dem letzten Wochenbericht vom vergangenen Freitag registrierte das Gesundheitsamt 20 Fälle der Delta-Variante, das sind nicht einmal fünf Prozent der Gesamtzahl der Ansteckungen.
Auffällig: Von den 677 Infizierten, die seit 1. August in der Region registriert wurden, waren 75 durchgeimpft und hatten den erforderlichen 15 Tage-Abstand hinter sich gebracht. Was einem Anteil von elf Prozent der augenscheinlich Vollimmunisierten an den Corona-Fällen entspricht. Allerdings sind die Verläufe offenbar nicht so schwer.
Zwar spürten vier von fünf infizierten Geimpften Symptome, doch mussten nur zwei von ihnen stationär behandelt werden. Hierl meldet für die Geimpften in Stadt und Landkreis eine Inzidenz von circa 17.
Infektionen
flächendeckend
Bei mindestens 17437 Menschen in der Region ist mittlerweile eine Genesung dokumentiert. Was nicht ausschließt, an Long Covid zu leiden. Nach einer Studie sind zehn Prozent der Patienten von diesen langfristigen Corona-Folgen betroffen. Insgesamt 536 Personen sind bislang an oder mit der Krankheit verstorben (Landkreis: 469, Stadt: 67).
30 Covid-19-Patienten werden aktuell in Stadt und Landkreis Rosenheim stationär behandelt. Leicht gesunken ist die Gesamtzahl der Krankenhauspatienten, leicht gestiegen aber die Zahl der Intensivpatienten – von zehn auf zwölf.
Die Corona-Karte zeigt sich mittlerweile fast durchgängig dunkelrot eingefärbt, kaum eine Gemeinde in der Region, in der keine Infektionen registriert wurden. Nach der kreisfreien Stadt Rosenheim mit 138 neuen Fällen verzeichnet Bruckmühl mit 50 Ansteckungen einen atemberaubenden Anstieg – was einem Inzidenzwert von über 300 entspräche. Der Grund dafür war gestern bis zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt.