Keine Mittel wegen Corona

von Redaktion

Kinderschutzbund Rosenheim warnt vor wachsender Armut in der Region

Rosenheim – Jobwechsel, Homeschooling und zusätzliche psychische Belastung führen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zu einer höheren Kinderarmut im Landkreis. Das ist zumindest die Überzeugung des Kinderschutzbundes Rosenheim. Die Sozialpädagogen bekommen die finanziellen Probleme der Eltern deutlich zu spüren und schlagen daher anlässlich des Weltkindertages Alarm. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt nun: Die Lage für an der Armutsgrenze lebenden Kinder in der Region hat sich verschärft.

Familien geraten in
finanzielle Not

„Hat eine Familie im Landkreis mit einem Kind unter 14 Jahren weniger als 1406 Euro netto monatlich zur Verfügung, so gilt sie bereits als armutsgefährdet“, berichtet Barbara Heuel, Sozialpädagogin beim Kinderschutzbund Rosenheim und zuständig für Stadt und Landkreis. Ihrem Eindruck nach sind gerade alleinerziehende Elternteile immer mehr von dieser Gefahr betroffen. In den Zahlen der aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung sieht sich die 54-Jährige bestätigt.

Denn die Quote der Kinder, deren Familien auf eine Grundsicherung angewiesen sind, ist demnach in den vergangenen fünf Jahren im Landkreis Rosenheim von 3,2 auf 3,6 Prozent angewachsen. Im Landkreis Mühldorf blieben die Zahlen bis Dezember 2019 zunächst konstant auf dem Stand von 6,3 Prozent, bevor sie im Jahr 2020 auf 6,5 Prozent stiegen. Auch im Landkreis Traunstein ist die Quote seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie von 4,1 Prozent auf 4,4 Prozent angewachsen. Rosenheim und Traunstein liegen dabei laut der Studie deutlich unter dem bayernweiten Durchschnitt von 6,4 Prozent, während Mühldorf bereits knapp darüber liegt.

Für Heuel sind diese Zahlen bedenklich. „Viele denken, Rosenheim geht es gut, weil viele, die in Armut leben, ihre Probleme verbergen, um zum Beispiel ihre Kinder vor Mobbing zu schützen.“ Immer häufiger erlebe die Pädagogin, wie sich Eltern daher zunächst wegen ganz anderer Schwierigkeiten an den Kinderschutzbund wenden. Erst im Laufe der Gespräche merke man, wie viele Familien sich in finanzieller Not befinden. „Da erfährt man dann teilweise nebenbei, dass zum Beispiel der Kühlschrank ausgefallen ist oder die Waschmaschine schon seit Wochen nicht mehr funktioniert“, sagt Heuel.

Den Hauptgrund für die steigenden Zahlen sieht die Rosenheimerin in der Corona-Pandemie. Dadurch, dass sich viele Eltern, die an der Armutsgrenze leben, beruflich neu orientieren müssen, hätte sich die Situation überproportional verschärft. Um genügend Geld zu verdienen, nehmen laut Heuel viele von ihnen einen zusätzlichen Job an, könnten sich aber gleichzeitig keine Betreuung für ihre Kinder leisten. „In solchen Fällen mussten wir dann kurzfristig einspringen und versuchen, etwas zu organisieren“, sagt die Pädagogin.

Eine Möglichkeit zur Verbesserung sieht der Rosenheimer Kinderschutzbund in einem weniger bürokratischen System. Denn gerade für Einwohner mit mäßigen Deutschkenntnissen sei es eine große Herausforderung, beispielsweise alle notwendigen Anträge zur Grundsicherung korrekt auszufüllen.

Zusammenschluss
zur Grundsicherung

Zusammen mit über 20 Organisationen will man sich nun für die Einführung einer bedarfsgerechten, einkommensabhängigen Kindergrundsicherung einsetzen. „Die Bekämpfung von Kinderarmut gehört in den nächsten Koalitionsvertrag,“ sagt Anna-Maria Ehrlicher, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Rosenheim. Der Weltkindertag sei eine Woche vor der Bundestagswahl daher der perfekte Zeitpunkt, um auf das brisante Thema aufmerksam zu machen.

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