Tuntenhausen – Nach der coronabedingten Pause fand gestern endlich wieder eine Herbstwallfahrt des Katholischen Männervereins Tuntenhausen statt. Redner auf der traditionellen Kundgebung war der ehemalige Staatsminister Dr. Thomas Goppel. Er sprach über den Stellenwert des christlichen Glaubens in Zeiten des Umbruchs und definierte sechs neue Grundrechte.
„Es war eine wunderschöne Messe“, lobte Dr. Marcel Huber den Wallfahrtsgottesdienst in der Basilika Tuntenhausen, der traditionell den Kundgebungen vorausgeht. Der Vorsitzende betonte, dass der Männerverein schon längst kein reiner Männerclub mehr sei. Das bewiesen am Sonntag auch zahlreiche Frauen, die der Herbstwallfahrt beiwohnten. Einmal eine Wallfahrt nicht ausrichten zu können, wie 2020 aufgrund der Corona-Pandemie, das hätte man sich nie vorstellen können, meinte Huber.
Bröckelt der
Zusammenhalt?
Früher habe man in solchen Notzeiten gebetet und einander geholfen. „Deshalb ist die heutige Impfmöglichkeit geradezu ein Segen“, so der Landtagsabgeordnete. Deshalb sehe er das Impfen als Solidarität mit den Mitmenschen und als christliche Nächstenliebe an. Leider sei der Zusammenhalt in letzter Zeit nicht mehr das Wichtigste: „Leichter ist es, zu protestieren und Fake-News zu verbreiten“, kritisierte Huber. Der Vorsitzende übergab das Wort an Dr. Thomas Goppel, der zum zweiten Mal in Tuntenhausen referierte. „Das Christliche in Staat und Gesellschaft erfüllt unsere Erwartungen am ehesten dann, wenn es jedem Einzelnen von uns bestmögliche Entfaltungschancen bietet, den Stärkeren zur Hilfestellung im Systemausgleich animiert und Entwicklungschancen individuell nutzbar macht“, betonte der Staatsminister a.D. All diese unverzichtbaren Grundsätze würden am ehesten verwirklicht, wenn die Beteiligten nachvollziehbar erfahren würden, dass sich Mitwirkung und Nutzen für alle rechneten. Damit dieses System aber mehrheitsfähig bleibe, müssten die Schritte auf das vorgegebene Ziel und auf ihre Wirksamkeit hin immer wieder erklärt werden, forderte der Politiker. Corona verbreite sich zwar ganz von selbst, Einsicht für Abhilfen ließen sich dagegen aber längst nicht selbstverständlich erwarten. Goppel verwies auf die zur Regel gewordene Manie im Umgang mit Vorgaben und Vorschriften. „Sie drückt sich um echt erklärende Kommunikation“, monierte er, setze stattdessen auf digitale Verbürokratisierung. „Darunter leidet die Verpflichtung zum Miteinander, weil anstelle von Menschlichkeit Vorschriften ihren mangelhaften technokratischen Dienst tun“, kritisierte Goppel. Für alles gebe es Verwaltungsvorschriften, das berühmte Kleingedruckte. „Wenn wir aber weiter im Kleingedruckten unserer Auflagen kramen, gehen wir an der bürokratischen Kakophonie schnell und unwiederbringlich kaputt.“ Nach Meinung von Goppel seien AfD, Querdenker und ungezählte Beschwerdeführer „längst in ein- und demselben Sammelbecken vereint und sich in nichts anderem einig, als im Widerstand gegen die geltende Ordnung“.
Dr. Thomas Goppel war Europaminister, Umweltminister und Wissenschaftsminister des Freistaates Bayern. Im Rahmen der Herbstwallfahrt des Katholischen Männervereins formulierte er gestern sechs neue Grundrechte. Sie könnten seiner Meinung nach eine Gebrauchsanleitung für den Alltag werden. Dazu gehören das Recht, in gesunder Umwelt zu leben, das Recht auf digitale Selbstbestimmung und das Recht darauf, belastende Algorithmen transparent, überprüfbar und fair zu machen. Ferner forderte Goppel das Recht, dass Äußerungen von Amtsträgern der Wahrheit entsprechen. Zudem sollte es ein verbrieftes Recht auf ein Warenangebot geben, das unter Wahrung der universellen Menschenrechte hergestellt wird.
Recht auf Wahrheit
eingefordert
Zudem, so forderte Goppel, müsse jeder Mensch das Recht haben, wegen systematischer Verletzungen dieser Charta eine Grundrechtsklage vor den europäischen Gerichten einreichen zu können. Die zusätzliche Wahrnehmung dieser Grundrechte öffnete das Tor zu neuen Welten. „Sie verpflichten endlich alle dazu, Rücksicht auf den anderen zu nehmen.“ Mit starkem Applaus wurde der Vortrag Goppels gewürdigt. Otto Lederer kommentierte ihn mit den Worten: „Thomas Goppel hat uns aufgezeigt, wie man nach Lösungen sucht und sich dabei selbst einbringt.“ Mit der traditionellen Bayernhymne der Schönauer Musi endete die Kundgebung.