Von verlorener Führung und biegsamen Partnern

von Redaktion

Parteivorsitzende aus dem Landkreis Rosenheim reagieren auf das Ergebnis der Bundestagswahl

Rosenheim Katerstimmung bei der CSU, verhaltene Freude bei den Freien Wählern, gemischte Gefühle bei den Grünen und Zufriedenheit bei der SPD. Auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen reagieren die Parteivorsitzenden aus dem Landkreis Rosenheim auf die Bundestagswahl und lassen den außergewöhnlichen Ausgang Revue passieren.

Union verliert mehr
als neun Prozent

Der Vorsitzende des CSU-Kreisverbandes Rosenheim Land, Klaus Stöttner, sieht mehrere Faktoren, die zum Wahlergebnis der Union beigetragen haben. Zum einen sei die öffentliche Auseinandersetzung um die Kanzlerkandidatur zwischen dem Parteivorsitzenden Armin Laschet und dem Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder unnötig gewesen. Zum anderen habe man in der Region einige Stimmen an die Freien Wähler verloren, die man bundesweit gebraucht hätte. „Dabei gehören viele der Freien Wähler bei der Bundestagswahl im Herzen zur CSU“, sagt Stöttner. Der ehemalige Kreishandwerksmeister Gerhard Schloots, der bisher bei der CSU Mitglied und Gemeinderat war, hat sich beispielsweise für eine Bundestagskandidatur bei den Freien Wählern entschieden. Dass Schloots somit keine Stimmen für die CSU sammelt, war laut Stöttner seine persönliche Entscheidung, die man nicht kritisieren könne, aber für die Geschlossenheit Bayerns nicht dienlich gewesen sei.

Für Stöttner wird nun bei den kommenden Sondierungsgesprächen die FDP das „Zünglein an der Waage“ werden, weshalb er durchaus eine Chance auf eine Partnerschaft zwischen Union und FDP zu einer Jamaika- oder Schwarz-Rot-Gelb-Koalition sieht. Auch wenn im Grunde noch alles offen ist, meint der Landtagsabgeordnete, dass bis Mitte November „alles erledigt“ wird und man noch vor dem kommenden Jahr eine Regierung stellen kann.

Auch für Daniel Artmann, Vorsitzender des CSU-Kreisverbandes Rosenheim Stadt, steht das schwache Abschneiden in der Region in Zusammenhang mit dem Kanzlerkandidaten. Demnach konnten sich viele Wähler im Landkreis nicht mit Armin Laschet identifizieren, was sich im Verlust von 9,5 Prozentpunkten bei der Zweitstimme auf lediglich 31 Prozent ablesen lasse. Zudem ist man laut Artmann zu spät in die Offensive gegangen und hat die eigene Agenda nicht deutlich genug nach außen getragen. „Dieses Ergebnis leitet im Bundestag keinen direkten Führungsanspruch für die Union ab“, stellt Artmann klar. Wenn man die Kernthemen nicht „verwässert“, sei man bei der Regierungsbildung allerdings immer bereit zu verhandeln.

SPD und Grüne
suchen das Gespräch

Die Rosenheimer Kreisvorsitzende der SPD, Alexandra Burgmaier, hat den Wahlabend im Kreise der Familie genossen und die „knappe Kiste“ im Kampf um die bundesweit stärkste Partei mit Freude verfolgt. Dass die Sozialdemokraten schließlich mit rund 1,6 Prozentpunkten vor der Union lägen, ist für Burgmaier nun ein klarer Auftrag, auf andere Parteien zuzugehen und Koalitionsgespräche zu führen.

Der Ansatz, sich bei den Gesprächen an die Grünen zu wenden, gefällt der Raublingerin gut. Sie ist überzeugt, dass sich beide Parteien in den Kernpunkten verständigen können. „Für mich persönlich wäre die FDP dagegen kein Wunschpartner“, betont Burgmaier im Hinblick auf eine mögliche Ampelkoalition. Wenn man allerdings „geschmeidig“ bliebe und der FDP Bundesvorsitzende Christian Lindner ein wenig „biegsam“ wäre, könnte sich die Rosenheimer Kreisvorsitzende eine Zusammenarbeit vorstellen. Die Ergebnisse aus dem Landkreis sieht Burgmaier verhalten positiv. „Wir haben hier einfach einen schweren Stand, da darf man nicht zu viel erwarten.“ Mit der leichten Steigerung des Direktkandidaten Pankraz Schaberl auf zwölf Prozent der Stimmen müsse man sich daher zufriedengeben. Auch wenn in den kommenden Jahren noch Luft nach oben sei.

„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich sei zufrieden – und ich lüge nicht“, sagt die Sprecherin des Rosenheimer Kreisverbands der Grünen, Martina Thalmayr. Zwar seien die Zuwächse für die Partei auf über 13 Prozent im Stimmkreis Rosenheim positiv zu bewerten. Gemessen an der Dringlichkeit dieser Wahl für einen Klimawandel könne man aber nicht zufrieden sein. „Wir hängen in Deutschland zu sehr an dem, was wir gewohnt sind“, ist Thalmayr überzeugt. Eine erneute große Koalition wäre für sie daher eine „totale Katastrophe“. Gleichzeitig sieht sie kaum eine Verhandlungsgrundlage mit der FDP. Eine Regierungsbildung unter Federführung der SPD kann sich die Rosenheimerin vorstellen. „Scholz und Baerbock“, so Thalmayer, „die können sich annähern“.

Sepp Hofer, Kreisvorsitzender der Freien Wähler, bewertet das Ergebnis seiner Partei im Landkreis als „durchschnittlich“. „Es ist im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl eine deutliche Steigerung.“ Wenn man sich jedoch die Ergebnisse aus anderen Landkreisen wie Mühldorf oder Traunstein ansieht, in denen man mehr als zehn Prozent bei Erst- und Zweitstimmen sichern konnte, hätte man sich schon etwas mehr erhofft. „Man hätte sich vielleicht klarer gegen den Brenner-Nordzulauf aussprechen müssen“, meint Hofer. Den größten Verlust sieht der Kreisvorsitzende aber darin, dass einige Wähler eine „verlorene Stimme“ befürchteten. Denn dass man bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffen würde, war laut Hofer für viele sehr früh klar gewesen. „Aber alles in allem passt‘s schon“, bilanziert er und blickt bereits in Richtung der kommenden Bundestagswahl im Jahr 2025.Korbinian Sautter

Artikel 3 von 11