Offen für Verschwörungstheorien

von Redaktion

Behörden ermitteln weiter wegen Querdenker-Schule in Deutelhausen

Schechen – Kehrt nun in Deutelhausen Ruhe ein? Es scheint so. Der Bauernhof in dem Schechener Ortsteil, der in den vergangenen Tagen wegen einer mutmaßlichen Querdenkerschule weit über die Region Schlagzeilen machte, liegt still da. Die Behörden waren eingeschritten, der Schulbetrieb ist seit vergangener Woche untersagt. Und der Regierung von Oberbayern liegen nach Auskunft eines Sprechers aktuell „keine Hinweise darauf vor, dass der schulische Betrieb dort oder an einem anderen Ort fortgeführt wird“.

Regierung erkennt
Stiftung nicht an

Auf Youtube allerdings führt einer den Kampf für die Schule weiter: David Brych. Er ist in der Szene kein Unbekannter und nahm zusammen mit dem Verschwörungsbarden Xavier Naidoo den Song „WohnHaft in Deutschland“ auf. Brych bezeichnet sich als Coach und „Multiunternehmer“ und ist Inhaber der „Frog Motion Media“ in Köln. In einem 15 Minuten langen Clip mit dem Titel „Die Wahrheit über die ,illegale‘ Schule von Rosenheim“ bricht er eine Lanze für das ominöse Projekt. Es sei nicht illegal, und die Träger-Stiftung habe „eine offizielle russische Schullizenz mit einem Bildungsauftrag“. Es werde, so sagt Brych in dem offenbar kurz vor der Bundestagswahl aufgenommenen Clip, auf Einhaltung der Corona-Regeln verzichtet, auch auf Tests und Masken.

Der Regierung von Oberbayern, für die Schulaufsicht im Regierungsbezirk zuständig, liegen darüber hinaus Dokumente der Schulleiterin vor. Sie wiesen „querdenker- beziehungsweise reichsbürgerähnliche Inhalte“ auf. Etwa die „Delegitimierung der deutschen Rechtsordnung und staatlicher Institutionen“.

Wer in Wahrheit hinter der Schule steckt, ist nach Auskunft der Behörden nicht ganz klar. Die Leiterin ist eigentlich eine Grundschul- und Mittelschullehrerin aus Glonn (Landkreis Ebersberg), die offiziell krankgeschrieben ist. Als Träger des Projekts soll nach ihren Worten eine „Stiftung Freiheit braucht Mut“ fungieren, die nach russischem Recht anerkannt sei. Die Regierung geht dem nach Auskunft des Sprechers immer noch nach.

Was sicher ist: „Eine nach deutschem Recht anerkannte Stiftung unter diesem Namen ist der Regierung von Oberbayern als Stiftungsaufsicht nicht bekannt.“ Eine Anfrage der OVB-Heimatzeitungen beim russischen Generalkonsulat in München brachte noch keine Resultate. Brych behauptet, das Projekt werde von Spenden und von Ehrenamtlichen getragen, die „Lernbegleiter“ unterstützten. Es gebe ein Bildungskonzept „mit Hand und Fuß“.

Damit ist fürs Erste Schluss. Das niemals von deutschen Behörden genehmigte Projekt in Schechen wirft ein Schlaglicht auf Umtriebe, die seit Beginn der Corona-Pandemie stärker ins Bewusstsein treten. „Da gibt es eine richtige Szene, mit offenen Zugangsbedingungen und hoher Anschlussfähigkeit“, sagt Dr. Matthias Pöhlmann, Sektenbeauftragter der evangelischen Landeskirche, „mit der Fähigkeit, in der Art einer Querfront Kontakt in unterschiedliche Milieus zu knüpfen“. Was er noch beobachtet: „Die Grenzen zwischen Esoterikern und Rechtsextremen verschwimmen zusehends.“ Wohl auch, weil es in der Esoterik eine „prinzipielle Offenheit für Verschwörungserzählungen“ gebe.

Hat diesen Hintergrund auch die Querdenker-Schule von Deutelhausen? Eine Mutter aus der Region wurde offenbar von Menschen angesprochen, die offenbar für die „School of Bliss“ warben. Konkret sei sie dem Vernehmen nach gefragt worden, ob sie ihr Kind in ein Lernhaus dieser Gruppe schicken wolle, das in Schechen eingerichtet werde.

Offenbar Nähe zu
Rechtsesoterikern

Die „School of Bliss“ aber steht der esoterischen Anastasia-Bewegung nahe, die aus Russland stammt. Sie beruft sich auf einen Autor, der zwischen 1996 und 2010 eine Buchreihe mit dem Titel „Die klingenden Zedern Russlands“ herausbrachte. „In den Anastasia-Büchern werden verschwörungsesoterische, parawissenschaftliche, antidemokratische und antisemitische Gedanken verbreitet“, warnt Matthias Pöhlmann.

Folgt man dem Sektenexperten, gab es mindestens einen Versuch in der Region Rosenheim, Kinder gemäß Anastasia-Ideologie zu unterrichten. 2015 scheiterte ein Antrag auf einen Neubau für eine „Lais-Schule“ in Prien am Veto des Gemeinderats und Landratsamts. Pöhlmann wie auch das Bayerische Innenministerium sehen eine ideologische Nähe der „Lais-Schule“ zur Anastasia-Bewegung.

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