Die letzte Heimat des Monarchen

von Redaktion

Vor 100 Jahren ist der Leichnam von Ludwig III., Bayerns letztem König, von Wildenwart nach München überführt worden. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte der Monarch im dortigen Schloss. Eine Reise zurück in die Vergangenheit.

Frasdorf – „Der König ist tot. Er ist da unten in Ungarn gestorben. Der alte Herr war ja schon über 76 Jahre alt und was er in den letzten drei Jahren durchgemacht hat, das hat ihm das Herz gebrochen.“ Wie ein Lauffeuer sprach sich die Nachricht vom Tod König Ludwigs III. im Frasdorfer Ortsteil Wildenwart herum. Keiner wusste so richtig, wer sie in Umlauf gebracht hatte. In einer Zeit ohne Rundfunk, Fernsehen oder gar Internet dauerte es sonst lange, bis sich Neuigkeiten verbreiteten.

In diesem Falle war es anders. Jeder kannte in Wildenwart den freundlich distanzierten älteren Herrn, der im alten Schloss wohnte. Zu seinem Namenstag am 25. August hatte er für den Trachtenverein, die Veteranen und die Feuerwehr noch ein Fass Bier spendiert, wie der Chronist der „Lustigen Wildenwarter“ im Protokollbuch vermerkte.

Der König bricht
nach Ungarn auf

Aus Chroniken und Protokollen der Wildenwarter Vereine lassen sich unter anderem die letzten Tage des Monarchen recht genau rekonstruieren. Seit der Revolution 1918 und der Flucht aus der Haupt- und Residenzstadt München lebte der König vorwiegend auf dem Schloss von Wildenwart, das seine Gattin Maria Theresia von ihrer Tante, der ehemaligen Großherzogin Adelgunde von Modena, geerbt hatte.

Im September 1921 war der ehemalige König von Wildenwart aus auf das Gut Sarvar nach Ungarn gefahren. Hier, auf diesem landwirtschaftlichen Mustergut, wollte er wieder einmal nach dem Rechten sehen, denn sein besonderes Interesse galt der Landwirtschaft. Doch sein ohnehin schlechter Gesundheitszustand verschlimmerte sich rapide. Am 18. Oktober verstarb er. Der Leichnam wurde für die Überführung nach Bayern vorbereitet. Das Herz wurde entnommen, es sollte in einer Herzurne nach alter Sitte in die Gnadenkapelle nach Altötting gebracht werden.

Trotz aller Vorbereitungen war für den Sonderzug wegen der politischen Verhältnisse in Oberungarn zunächst kein Durchkommen möglich. Der letzte österreichische Kaiser Karl I. versuchte in diesen Tagen, mithilfe einiger Verbündeter zumindest den Thron von Ungarn wieder zu gewinnen. Wegen des Kriegs rund um die Stadt Ödenburg (Sopron) war der direkte Weg nach Bayern versperrt. Auch eine Durchfahrt durch das republikanische Österreich war zunächst nicht möglich.

Am 30. Oktober erreichte der Zug schließlich Salzburg, über Freilassing ging es weiter bis Prien. An allen Bahnhöfen und entlang der Strecke grüßten in dichten Reihen zahllose Menschen der Landbevölkerung den toten König auf seiner letzten Reise in die Residenzstadt.

Ein Staatsbegräbnis war mit Rücksicht auf die Reichsregierung nicht erwünscht. In Prien wurde der Zugwaggon geöffnet, der Sarg auf eine Lafette gehoben und mit vier Rappen nach Wildenwart gebracht. Die beiden Bürgermeister Dr. Paul Weinhart von Prien und Johann Wallner aus Wildenwart hatten mit den örtlichen Vereinen die dortige Organisation übernommen. Es kam den Prienern zugute, dass in dem Ort nach dem Kriege mehrere hohe Offiziere wohnten, die das höfische Zeremoniell noch genau kannten und beratend zur Seite standen.

In Wildenwart hatte man mittlerweile die Gruft in der Schlosskapelle geöffnet und den Sarg der 1919 verstorbenen Königin heraus gehoben. In der kleinen Kapelle wurde das letzte bayerische Königspaar bis zur Überführung nach München am 4. November 1921 aufgebahrt. Bürgermeister Wallner, der Gemeinderat und die Männer des Veteranenvereins übernahmen die Totenwache und die Bevölkerung aus dem weiten Umkreis kam, um Abschied zu nehmen.

Die beiden Särge sollten danach mit dem Zug nach München gebracht werden. Für die Fahrt zur Bahnstation wurde ein zweiter Leichenwagen von Aschau ausgeliehen. Die Organisatoren spannten vier Rappen vor die Wagen. Der Transport der beiden Särge aus der Schlosskapelle hin zu den wartenden Pferden war jedoch schwierig. Die hölzerne Schlossbrücke war kurz zuvor wegen Baufälligkeit abgebrochen worden, deshalb mussten die schweren Särge per Hand über eine steile Treppe in den Schlossgraben abgelassen und auf der anderen Seite wieder emporgehoben werden.

Im Schritt ging es von Wildenwart aus die fünf Kilometer lange Strecke bis nach Prien. Die beiden Wagen wurden von zahlreichen Begleitern, darunter auch Kronprinz Rupprecht von Bayern, eskortiert. In Prien nahm eine große Menschenmenge aus der Region Abschied von ihrem toten Königspaar.

In München überführte man die beiden Särge in die Ludwigskirche. Am 5. November 1921 bewegte sich der Leichenzug im traditionellen Zeremoniell der Monarchie mit den Särgen des Königspaares auf dem sechsspännigen Hoftrauerwagen von der Ludwigskirche zur Frauenkirche. Den Totengottesdienst zelebrierte Erzbischof Michael von Faulhaber. Die Trauerrede enthielt ein Bekenntnis zur Monarchie und zum Gottesgnadentum.

König Ludwig III. wurde zusammen mit seiner Gattin in der Familiengruft der Wittelsbacher in der Frauenkirche beigesetzt. Der Dom der Frauenkirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Danach wurde die Unterkirche des Frauendoms durch Kardinal Faulhaber umgestaltet. Die Särge der dort beigesetzten Wittelsbacher wurden dabei in neue Wandnischen übertragen und hinter Grabplatten eingemauert.

Für immer mit Frasdorf verbunden

Während zum Schicksal des Cousins Ludwig II. ganze Bibliotheken an Büchern und Biografien geschrieben wurden, ist die Quellenlage zum letzten bayerischen König nur dürftig. Im Schloss in Wildenwart – bis 1977 bewohnt von der letzten Tochter Prinzessin Helmtrud und seither von Herzog Max von Bayern und seiner Familie – und im Umfeld des Schlosses gibt es aber noch immer Zeugnisse von den letzten Jahren im Leben des Monarchen.

Besonders eng mit dem Königshaus verbunden ist die Wildenwarter Kirche Christkönig auf einem Moränenhügel außerhalb des Ortes. Den Kirchengrund stifteten die königlichen Hoheiten. Sie wurde 1934 geweiht und entstand auf Initiative des örtlichen „Seelsorge- und Kirchenbauvereins“ und der „Arbeitsgemeinschaft des bayerischen Adels zur Errichtung einer Gedächtniskirche für Ihre Majestäten König Ludwig III. und Königin Maria Theresia in Wildenwart“. Auf einem Bild am Hochaltar ist das Königspaar kniend vor einem Abbild von Jesus Christus abgebildet. Mit Gott verbunden – und mit Frasdorf.

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