Haft für Menschenschmuggler

von Redaktion

Prozess vor dem Landgericht – Traunstein „Umschlagplatz“ für Schleuserbande

Traunstein/Salzburg – Quasi ein „Umschlagplatz“ für eine internationale Schleuserbande war zwischen Juni 2018 und Juli 2019 der Bahnhof Traunstein. Von dort aus sollten mit Pkw nach Bayern geschmuggelte illegale Flüchtlinge auf eigene Faust weiterreisen. Drei syrische Staatsangehörige, 41 und 25 Jahre alte Männer aus Aachen sowie einen 26-Jährigen aus Unken bei Salzburg, verurteilte die Sechste Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler jetzt wegen unterschiedlich vieler gewerbs- und bandenmäßiger Schleusungen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen.

45 Personen illegal
über Grenze gebracht

Der 41-Jährige muss wegen zehn Tatkomplexen mit insgesamt 45 geschleusten Personen für sechseinhalb Jahre hinter Gitter. Gegen den 25-Jährigen verhängte die Kammer wegen fünf Fällen mit 18 Flüchtlingen eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Der 26-Jährige erhielt wegen vier Fällen mit zehn Illegalen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten.

Kopf der Profibande mit hierarchischer Organisation war ein bislang nicht gefasster Mann in Istanbul. Er verfügte über ein Netz aus Verantwortlichen für die einzelnen Etappen der Schleuserroute. Diese wiederum organisierten Fahrer für die jeweiligen Teilstrecken. Der 41-jährige Angeklagte war zuständig für den Abschnitt Österreich-Deutschland und weiter in das übrige Schengen-Gebiet. Die jüngeren Männer, die Geldnöte plagten, wirkten als Fahrer.

Staatsanwalt Dr. Gregor Stallinger rechnete dem Trio in der Anklage zwölf konkrete Schleusungen zu. Illegale aus dem Nahen Osten wurden in Wien abgeholt und zumeist über Salzburg-Siezenheim und Ainring nach Traunstein geschafft. Einmal fielen geschleuste Personen bei Kontrollen in Bayerisch Gmain und später in Bad Reichenhall-Marzoll auf (wir berichteten). Zur Zeit der Schneekatastrophe im Januar 2019 erreichte die größte Einzelgruppe mit 19 Personen aus verschiedensten Herkunftsländern Traunstein aufgrund gesperrter Straßen nicht und blieb in der niederösterreichischen Gemeinde Rohrau hängen.

„Alle Angeklagten, auch die Fahrer, haben banden- und gewerbsmäßig gehandelt. Alle haben für das gleiche Ziel gearbeitet. Alles griff wie ein Zahnrad ineinander in dieser kriminellen Organisation mit arbeitsteiliger Struktur“, hob Aßbichler im Urteil heraus. Weil die Fahrer nicht ganz so stark eingebunden waren, habe die Kammer bei ihnen minderschwere Fälle angenommen. Im Gegensatz zu dem 41-Jährigen seien sie „kleine Lichtlein“ gewesen. Die lange Untersuchungshaft sei allen Angeklagten strafmindernd zugute zu halten, ebenso die Geständnisse.

Anhand der Ermittlungen der Bundespolizei und der Tausenden von Chats der Bandenmitglieder hätten die Vorwürfe vielleicht vollständig nachgewiesen werden können – aber in wesentlich mehr Verhandlungsterminen: „Das hätte den Steuerzahler viel gekostet.“

Der Prozess war ursprünglich auf sechs Tage anberaumt. Jetzt erging das Urteil bereits am Morgen des zweiten Hauptverhandlungstags. Der 41-Jährige hatte als Einziger zwei von elf Punkten abgestritten. In einem Fall war sein Bruder unter den Geschleusten. Der andere Komplex sei eindeutig durch die Chats belegt, so die Vorsitzende Richterin. Bei dem ältesten Angeklagten sei „nicht schön, dass er zusätzlich staatliche Unterstützungsleistungen bezog“. Auf Fahrverbote verzichtete die Kammer. Weiter lehnte das Gericht ab, bei den jüngeren Männern die Haftbefehle aufzuheben. Grundsätzlich sei nicht erwünscht, eine Untersuchungshaft zu unterbrechen. Aßbichler stellte in Aussicht: „Noch ein paar Monate Haft. Dann werden Sie entlassen und können einen Neuanfang machen.“

Auf weitaus höhere Strafen hatte Staatsanwalt Dr. Gregor Stallinger plädiert. Er begründete: „Wir haben es mit strukturierter Bandenkriminalität zu tun. Der 41-Jährige stand in der Hierarchie unmittelbar unter dem Hauptschleuser, hatte seine Fahrer und hat den Hauptteil des Geldes kassiert. Damit war er eine zentrale Figur in Deutschland.“ Acht Jahre Haft seien angemessen. Der 25-Jährige solle drei Jahre Freiheitsstrafe bekommen, der 26-Jährige viereinhalb Jahre.

Verteidiger fordern
geringere Strafen

Die Verteidiger hatten deutlich niedrigere Strafen beantragt, auch teils angezweifelt, ob wirklich eine „Bande“, die laut Bundesgerichtshof mindestens drei Mitglieder haben muss, anzunehmen sei. Der Anwalt des 41-Jährigen, Hans Sachse aus Rosenheim, bezeichnete fünf Jahre Haft als ausreichend. Für den 25-Jährigen forderten Helmut Brandt aus Alsdorf und Dr. Markus Frank aus Rosenheim zwei Jahre Freiheitsstrafe mit Bewährung. Dr. Andreas Kastenbauer aus Traunstein gelangte zum gleichen Antrag für den 26-Jährigen.

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