Im Visier des Verfassungsschutzes

von Redaktion

Behörde prüft Bezug der Querdenker-Schule zu Reichsbürger-Szene

Schechen – Viele Autos am ehemaligen Schulbauernhof am Wochenende; am Montag das Gerücht, die Truppe hätte ein neues Domizil in einer Nachbargemeinde gefunden. Die Reichsbürgerschule in Deutelhausen ist nach längerer Funkstille wieder im Gespräch. Und unter Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Das bestätigt dessen Sprecher Dr. René Rieger.

Die Behörde prüft einen Bezug zur Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter – ebenso zu einer in Deutschland nicht anerkannten Stiftung mit dem Namen „Freiheit braucht Mut“, die ihren Sitz in Russland haben soll. Laut Landesamt für Verfassungsschutz gebe es gewichtige Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. „Dies haben wir den zuständigen Schulbehörden unverzüglich mitgeteilt“, so Rieger. Denn die Federführung liege bei den Schulbehörden, mit denen man in Kontakt stehe.

Keine Hinweise auf
neuen Schulbetrieb

Vermehrtes Autoaufkommen in Deutelhausen ist auch der Regierung von Oberbayern bekannt. „Hinweise, dass der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde, gibt es aber keine“, so Wolfgang Rupp, Sprecher der Regierung von Oberbayern. Es steht zu vermuten, dass die Räume leergeräumt werden oder wurden.

Denn die Gruppe rund um die verbeamtete Lehrerin „Veronika“ aus Glonn – gegen sie prüft laut Rupp derzeit die Landesanwaltschaft die Einleitung eines Disziplinarverfahrens – hatte über Telegram angekündigt, dass die Schließung der Schule in Deutelhausen nicht das Ende der Geschichte sei. Davon ging auch die Polizei von Anfang an aus. Und tut das noch, wie Martin Emig, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, durchblicken lässt.

Anfang der Woche hieß es, die Schule habe als „Lerngruppe“ in einer Nachbargemeinde wieder eröffnet. In dem Ortsteil, in dem dies laut der Gerüchte der Fall sein sollte, war nach Recherchen der OVB-Redaktion allerdings keine Spur einer Schule oder Lerngruppe zu finden.

Lerngruppen habe es schon vor Corona gegeben, jetzt würden es eher mehr als weniger, so Rupp. Die weitaus meisten seien dazu da, den im Fernunterricht zu kurz gekommenen Stoff gemeinsam nachzuholen. „Aber die Grenzen sind fließend und von außen schwer nachzuvollziehen“, so der Sprecher der Regierung von Oberbayern.

Was sich laut Rupp bemerkbar macht: Seit Anfang Oktober gilt Testverweigerung nicht mehr als Entschuldigungsgrund. Damit reagierte das Kultusministerium, nachdem die Reichsbürgerschule in Deutelhausen bekannt geworden war. Wer sich nicht testen lässt, verstößt nun gegen die Schulpflicht und gilt als Schulschwänzer.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die der Schule fernblieben, habe das Kultusministerium vor zwei Wochen mit 0,29 Prozent und fallender Tendenz beziffert, so Rupp. Einbezogen seien aber auch alle Kinder und Jugendlichen, die klassisch krank seien oder ein ärztliches Attest hätten. Michael Kern vom Kultusministerium beziffert den aktuellen Stand mit 0,25 Prozent aller Schüler.

Aus dem Umfeld der Stiftung „Freiheit braucht Mut“, Betreiber der Reichsbürgerschule in Deutelhausen, hieß es schnell, man werde die Schließung durch die Regierung von Oberbayern nicht akzeptieren. Schließlich handele es sich bei dem Bauernhof um „russisches Hoheitsgebiet“. Aus Moskau gingen jetzt Briefe an alle Kultusminister, und dann werde man ja sehen, was passiere. Trockene Reaktion des Kultusministeriumssprechers Michael Kern: „Ein Brief aus Moskau hat uns nicht erreicht.“

Reichsbürger in der Region

Einfach mal schnell die Polizei vorbeischicken, und die bringt den Schulschwänzer dann ins Klassenzimmer. So einfach funktioniert das laut Ina Krug, Sprecherin des Landratsamtes, nicht. In der Regel ist es die Schule, die reagiert, wenn ein Schüler oder eine Schülerin ohne Entschuldigung dem Unterricht fernbleiben. Oft wurde nur vergessen, die Schule zu informieren, und eine entsprechende Krankmeldung/Entschuldigung wird nachgereicht. Wiederholt sich das Fernbleiben vom Unterricht, versucht die Schulleitung, alle Möglichkeiten der Kommunikation zu nutzen, um das Problem zu lösen. Gibt es keine Lösung, und das unentschuldigte Fernbleiben vom Unterricht setzt sich fort, werden die entsprechenden Stellen im Landratsamt oder der Stadt Rosenheim informiert. Dann wird gegebenenfalls ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Betroffenen bekommen hier die Möglichkeit, sich zu erklären und gegebenenfalls ärztliche Atteste oder eine plausible und nachvollziehbare Erklärung für das Fernbleiben vom Unterricht nachzureichen. Sollte es wiederholt Verstöße geben, wäre der letzte Ausweg, den Schulzwang einzuleiten. Dann kann die Behörde die Polizei um entsprechende Amtshilfe bitten.

Die Polizei holt Schulschwänzer nicht so schnell ab

In Bayern wurden der Reichsbürger-Szene zum Jahreswechsel 2020/2021 etwa 4130 Personen zugerechnet. Das schreibt die bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) auf ihrer Homepage. In kleinen Teilen der Szene fänden sich auch ideologische Überschneidungen mit dem Rechtsextremismus; insbesondere dort, wo sich Versatzstücke nationalsozialistischer, antisemitischer und revisionistischer Denkmuster wiederfinden. Mittelfranken, Oberfranken und Oberbayern hätten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung leicht überdurchschnittliche Reichsbürgerzahlen. In der Region rund um Rosenheim sind es laut Martin Emig vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd mehrere hundert Personen, Tendenz steigend.

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