Das Perlengebet als kostbare Tradition

von Redaktion

Zwischen Himmel und Erde

Vor meinen Augen kann ich sie immer noch sehen: die alte Frau, die sich jeden Abend mit dem Rollator auf den Weg macht. Immer wieder staune ich über ihre mühsame Beharrlichkeit, denn sie kommt wirklich bei jedem Wind und Wetter, bei Hitze und Schnee zum täglichen Rosenkranzgebet einer kleinen Gruppe in die Pfarrkirche.

So geht das sieben Tage die Woche schon über viele Jahrzehnte hinweg, erzählen mir die Bewohner des Viertels. Jetzt ist die alte Frau nach ein paar Stürzen in ein Pflegeheim umgezogen. Es geht nicht mehr allein zu Hause.

Als ich sie besuche, sehe ich den Rosenkranz am Nachttisch liegen. Sie folgt meinem Blick und meint: „Der Rosenkranz ist das Einzige, das mir jetzt noch geblieben ist.“ Mich berührt diese einfache Frau, die ihre persönliche Kraftquelle auch für schwere Zeiten gefunden hat.

Im Monat Oktober wird das Rosenkranzgebet traditionell noch an vielen Orten gepflegt. Den Jüngeren ist diese Form meist völlig fremd oder wird als „Geleiere“ der Alten abgetan. Dabei gibt es das meditative Wiederholen von einzelnen Gebeten, die wie ein Mantra zu einer besonderen Ruhe und in die Tiefe führen, auch in den derzeit als so modern geltenden fernöstlichen Religionen. Wir haben da eben unsere eigenen kostbaren Traditionen.

Als ich im Pflegeheim nach einer Zeit wieder gehe, drückt die alte Frau liebevoll meine Hand: „Ich bete für Sie, denn ich habe hier ja viel Zeit. Damit Ihnen die Kraft nicht ausgeht!“ Was für ein Geschenk, dass es solche Menschen heute noch gibt, die mich und andere im Herzen still weitertragen.

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