Wenn die Muskeln schwinden

von Redaktion

Tim leidet an unheilbarer Krankheit – Unterstützung aus der Region

Rosenheim/Bad Aibling – Tim wird sterben. Das wissen seine Eltern bereits seit einigen Jahren. Der 15-Jährige leidet an einer sogenannten Muskeldystrophie – eine vererbbare Muskelschwäche, die bis jetzt nicht heilbar ist. „Bei seiner Geburt im Jahr 2006 war er ein ganz normaler Bub“, sagt seine Mutter. Sowohl sie, als auch ihr Mann, wollen lieber anonym bleiben. Die Geschichte ihres Sohnes erzählen sie trotzdem. Auch, um sich auf diesem Weg für die zahlreichen Spenden zu bedanken, die ihnen zuteil geworden sind. Kurz holt sie Luft, nickt ihrem Mann zu und erzählt von den ersten Jahren ihres Sohnes.

Erste Diagnose mit fünfeinhalb Jahren

Während andere Kinder nach und nach ihre ersten Schritte machten, setzte Tim lieber weiterhin aufs Krabbeln. „Er war sehr wackelig unterwegs. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte“, sagt seine Mutter. Sie habe daraufhin verschiedene Ärzte kontaktiert, ihren Sohn bei diversen Physiotherapien angemeldet und im Internet recherchiert. Denn es war nicht nur die Tatsache, dass ihr Sohn keinerlei Versuche machte zu gehen, die sie immer mehr verunsicherte. Auch geredet habe er kaum. „Als er fünfeinhalb Jahre alt war, haben wir dann eine erste Diagnose erhalten“, erinnert sich seine Mutter.

Sie wird still. Die Tränen laufen ihr über die Wangen. Immer wieder entschuldigt sie sich. Noch heute kann sie sich an das Gefühlschaos erinnern, das in ihr ausgelöst wurde, als der Arzt ihr mitteilte, dass ihr Sohn an Muskelschwund und Autismus leidet. „Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.“

Denn durch ihre Recherche habe sie gewusst, was die Diagnose für sie und ihre Familie bedeute. Ihr war klar, dass es durch die Krankheit zu einem irreversiblen Abbau der Muskelzellen kommt – zunächst in der Skelettmuskulatur, später auch in der Herz- und Atemmuskulatur. Dass ihr Sohn irgendwann im Rollstuhl sitzt und schließlich beamtet werden muss. „Unser Leben hat sich von heute auf morgen komplett verändert“, sagt sie.

Statt Pläne für die Zukunft zu machen, denkt die Familie nur noch an morgen. Sie sucht sich Hilfe, kontaktiert die Stiftung „Ambulantes Kinderhospiz“ (AKM) mit Sitz in Rosenheim und bittet um Unterstützung. „Die Familie braucht nicht viel von mir, aber es hilft, dass sie wissen, dass sie nicht alleine sind“, sagt Christiane Greinsberger, die als Fachkraft für Kinderhospizarbeit arbeitet. Sie besucht die Familie regelmäßig, berät sie und hört ihnen zu. Für Tim hat sie fast immer eine Kleinigkeit dabei.

Der 15-Jährige – der geistig etwa auf der Höhe eines Siebenjährigen ist – sitzt mittlerweile seit acht Jahren im Rollstuhl. Seine Beine kann er nicht mehr bewegen, auch die Funktion seiner Arme lässt immer mehr nach. Mit einzelnen Lauten verständigt er sich. Seine Eltern verstehen ihn blind.

„Ich habe gelernt, dass ich mich nicht hängen lassen kann. Es ist so, wie es ist. Und wir müssen jetzt die kostbare Zeit, die wir mit unserem Sohn haben, nutzen“, sagt die Mutter. Während ihr Mann viele Nachtdienste macht, um die anfallenden Kosten irgendwie begleichen zu können, kümmert sie sich rund um die Uhr um ihren Sohn.

Nur am Vormittag, wenn Tim in der Schule ist, hat sie Zeit für sich – und den Haushalt. „Meistens bin ich so müde, dass ich mich noch mal hinlege“, sagt sie. Denn an die letzte Nacht, in der sie durchgeschlafen hat, kann sie sich nicht mehr erinnern. „Tim muss alle zwei Stunden gedreht werden, weil er das selbst nicht mehr kann“, sagt sie.

Irgendwann wird sie eine Pflegekraft einstellen müssen, aber im Moment will sie so viel Zeit wie möglich mit ihrem Sohn verbringen. „Zeit und Liebe ist das Einzige, was am Ende zählt“, sagt sie. Auch Geld würde in Situationen wie der ihrigen nur eine Nebenrolle spielen. Gut, es zu haben, sei es dennoch.

Umso größer sei jetzt auch die Freude gewesen, als ihnen Greinsberger mitteilte, dass ein Tattoostudio ihnen einen Scheck in Höhe von 4725 Euro überreichen möchte (siehe Kasten). „Wir waren total sprachlos“, erinnert sich der Vater. Zumal er niemals mit dieser Höhe gerechnet hätte.

Ein Auto für Ausflüge und Arztbesuche

Investieren wollen sie das Geld in ein neues behindertengerechtes Auto. „Tim liebt es, Auto zu fahren. Am liebsten zu einem Restaurant. Aber wir brauchen das Auto auch für Ausflüge und Arztbesuche.“ Und irgendwann will die Familie einen Urlaub im Wohnwagen machen. „Das ist Tims größter Wunsch“, sagt seine Mutter. Und genau den will sie ihm erfüllen – nur das Geld hierfür fehlt im Moment noch.

Vereine arbeiten Hand in Hand

Zeit und Liebe ist das Einzige,

was am Ende zählt.

Tim’s Mutter