Rosenheim – „Beunruhigend“: So nennt Dr. Wolfgang Hierl, Leiter des Staatlichen Gesundheitsamts in Rosenheim, die Situation in der Altersklasse der Senioren. Allein vergangene Woche wurden in 19 Alten- und Pflegeheimen der Region Infektionen registriert, 116 Bewohner hatten sich infiziert. 15 Menschen starben vergangene Woche an oder mit Corona. 13 von ihnen waren über 60 Jahre alt, sechs waren in einem Heim betreut worden.
Pflegekräfte
verzweifelt gesucht
Die Zahlen der Kranken sind das eine. Die Anzahl der Helfer das andere. Wie auch in den Kliniken sind in den Pflegeeinrichtungen Mitarbeiter knapp. So knapp sogar, dass sich Heimleiter bereits nach Hilfe umsehen. „Wir stemmen es zurzeit gerade noch“, sagt etwa Ralf Schwärz vom Seniorenwohnheim Küpferling in Rosenheim. Doch was, wenn Pflegekräfte krank werden oder das Handtuch werfen? „Wir haben per E-Mail an den Katastrophenschutz schon mal angefragt, ob man Bundeswehrsoldaten einsetzen kann“, sagt Schwärz.
Er ist nicht der einzige. Den Ruf nach der Bundeswehr hält auch Dr. Florian Bonke für sinnvoll. Der Allgemeinarzt mit Corona-Schwerpunktpraxis im Inntal betreut mit seinem Team gerade zwei Altenheime mit Corona-Ausbrüchen. Er weiß, wie überlastet das Gesundheitssystem ist. „Bundeswehrsoldaten könnten auch in Heimen stehen“, sagt er. „Ich halte es für sinnvoll, dass die Tests abnehmen.“
Auch bei den Romed-Kliniken blickt man mit Sorge in die Zukunft und erinnert sich der gut ausgebildeten 20000 Soldaten im Sanitätsdienst der Streitkräfte. Es herrsche Bedarf an Intensivkräften, sagt Chefarzt Dr. Hanns Lohner, Pandemie-Beauftragter bei Romed. Daher habe man mit der Bundeswehr Kontakt aufgenommen.
Die hohe Anfälligkeit älterer Menschen einerseits und die Überlastung des Personals bringen Politik und Verantwortliche im Gesundheitswesen in eine Zwickmühle. Das zeigt auch die Diskussion über eine Impfpflicht deutlich.
Wie man in den Altersresidenzen und Pflegeheimen sehen kann, tobt sich Covid-19 dort aus, wo wenig geimpft wird. 56 Mitarbeiter von Altenheimen in Stadt und Landkreis Rosenheim wurden vergangene Woche positiv getestet. Von ihnen waren mindestens 30 nicht geimpft.
Skepsis gegenüber
einer Impfplicht
Eine Impfpflicht für Personal in sensiblen Bereichen sehen dennoch viele Verantwortliche skeptisch. „Im Prinzip wäre ich dafür“, sagt Hennig Löffler, Leiter des Caritas-Altenheims in Rosenheim. „Aber ich befürchte dadurch eben auch eine Spaltung.“ Der Personalmangel belaste den Betrieb schwer, sagt auch Ralf Schwärz. „Wenn die 2G-Regel für Pflegekräfte kommt, steht zu befürchten, dass uns Mitarbeiter verlassen.“
Immerhin: Viele Pflege- und Altenheime der Region melden auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen einen guten Impfstand bei ihren Bewohnern. Die ersten 40 Senioren hätten bereits die Auffrischungsimpfung erhalten, berichtet etwa Löffler, der nächste Termin stehe schon. „Die Bereitschaft zum Booster ist sehr groß“, sagt der Leiter des Caritas-Altenheims.
Thomas Mühlnikel, Leiter des Seniorenheims Rosenholz in Rosenheim, berichtet von gut 100 Prozent Durchimpfung – und zwar sowohl bei Bewohnern wie bei Mitarbeitern. Sein Haus, sagt Mühlnikel, sei bislang bestens durch die vierte Welle der Corona-Pandemie gekommen. Auch die Booster-Impfungen seien bereits abgehakt.
Nicht mal elf Monate nach Beginn der Impfkampagne wird deutlich, wie wichtig die Auffrischung der Viren-Abwehr durch die dritte Impfung ist. Von den bereits erwähnten 116 infizierten Senioren, die das Gesundheitsamt in der vergangenen Woche registrierte, waren 98 zweimal geimpft gewesen.
Gerade bei älteren Menschen nehme die Abwehrkraft nach einem halben Jahr ab, heißt es aus dem Gesundheitsamt. Das kann Thomas Mühlnikel mit eigenen Beobachtungen bestätigen: Viele ältere Bewohner hätten nach einigen Monaten nur noch wenige Antikörper. Die Lösung sei der Booster. „Daran prallt Corona ab.“