Rosenheim – Die Corona-Lage in der Region spitzt sich weiter zu: Die Kliniken sind am Limit, die Zahl der Neuinfizierten erreicht neue Negativrekorde und die Inzidenz bewegt sich in großen Schritten auf die Marke 1000 zu. Ist diese Hotspot-Marke erreicht, folgen ab Mittwoch massive Einschränkungen: Gastronomie, Hotels sowie Sport- und Kulturstätten müssen schließen, Veranstaltungen entfallen.
Die Region ist nicht mehr weit davon entfernt: Der Landkreis lag am Freitag bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 914, die Stadt Rosenheim bei 793 (Stand 19. November, 0 Uhr). Zuletzt kamen 629 Neumeldungen an einem einzigen Tag (Donnerstag) hinzu – ein weiterer Negativrekord in dieser Pandemie. Binnen einer Woche verzeichnete das Staatliche Gesundheitsamt Rosenheim 2896 Neumeldungen (Vorwoche: 1921).
Die Hotspots
im Landkreis
Zu den Hotspots in der Region zählen neben der Stadt Rosenheim mit 503 Neuinfizierten binnen einer Woche die Städte Kolbermoor (167), Bad Aibling (145) und Wasserburg (114) sowie die Marktgemeinde Bruckmühl (163). Ebenfalls massiv betroffen: die Gemeinden Riedering mit 98 Neuinfizierten, Stephanskirchen mit 88 neuen Fällen sowie Raubling mit 80 Neumeldungen.
Stark zugenommen haben die Fälle in Schulen und Kitas: In 172 Schulen und in 44 Kitas sind Neuinfektionen aufgetreten. Dabei handelt es sich laut Gesundheitsamt um 34 Ausbrüche mit 61 Folgefällen.
Brisante Lage
in den Heimen
Brisant ist die Lage in den Alten- und Pflegeheimen in der Region. Dabei ist laut Gesundheitsamt der Anteil der positiv getesteten vollständig geimpften Bewohner „beunruhigend hoch“. Etwa die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter war ungeimpft. So wurden in dieser Woche in 24 Alten- und Pflegeheimen bei 137 Bewohnern (106 vollständig geimpft, 25 ungeimpft) und 102 Mitarbeitern (46 unge-impft, 48 vollständig und zwei unvollständig geimpft, Rest unbekannt) Corona-Infektionen festgestellt.
Sechs der infizierten Heimbewohner, fünf davon vollständig geimpft, mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Mit ein Grund, weshalb Gesundheitsamtsleiter Dr. Wolfgang Hierl dringlich zu Auffrischungsimpfungen rät angesichts des nachlassenden Impfschutzes.
Die dramatische Lage spiegelt sich auch in den Todeszahlen wider: Im Verlauf dieser Woche wurden zwölf weitere Corona-Todesfälle gemeldet (Vorwoche: 15). Neun der Verstorbenen waren über 80 Jahre alt, die übrigen in der Altersgruppe zwischen 60 und 80. Sechs Personen waren in einem Heim betreut worden. Die Gesamtzahl der registrierten Corona-Toten steigt damit auf 595 Personen.
Höchst angespannt ist die Klinik-Lage in der Region. Allein in den Romed-Kliniken wurden Stand Freitag, 7.30 Uhr, insgesamt 115 Covid-Patienten (davon fünf Verdachtsfälle) behandelt. 20 Patienten befinden sich auf der Intensivstation, sieben müssen beatmet werden.
Die Kliniken geraten damit an ihre Kapazitätsgrenzen. Patienten müssen am laufenden Band abverlegt werden. Romed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram erklärte dazu gegenüber den OVB-Heimatzeitungen: „Patienten, die derzeit mit einer schweren Covid-Erkrankung auf Intensivstation ins Klinikum Rosenheim kommen, können fast sicher sein, dass ihre Behandlung nicht in Rosenheim enden wird. Sie müssen damit rechnen, möglicherweise bis nach Frankfurt an der Oder oder Bremen abverlegt zu werden.“
Die prekäre Lage verdeutlicht auch Gesundheitsamtsleiter Hierl in seiner aktuellen Einschätzung: „Die Lage in Stadt und Landkreis ist dramatisch. In der letzten Woche sind die Fallzahlen in der Region noch einmal förmlich explodiert. Ich sehe diese Entwicklung vor dem bevorstehenden Winter mit großer Sorge.“
Bereits jetzt ließen sich die Infektionsketten in der Bevölkerung mit den zur Verfügung stehenden Infektionsschutzmaßnahmen kaum mehr unterbrechen und Nachverfolgungen von Fällen und Kontaktperso-nen weitgehend nicht mehr durchführen, betont der Behördenleiter. Das Gesundheitsamt konzentriere sich im Wesentlichen auf sensible Einrichtungen wie Heime, Kliniken, Schulen und Kitas.
Stehen die Kliniken
vor dem Kollaps?
Hierl: „Aufgrund der extrem hohen Infektionsaktivität und der unterdurchschnittlichen Impfrate steht zu befürchten, dass in der Region im Winter eine bislang noch nicht dagewesene Welle an Infektionen und Erkrankungen bevorsteht. Dies wird unweigerlich zu einer weiteren krisenhaften Belastung der Kliniken führen und kann, wenn nicht noch gesetzgeberisch umgesteuert wird, auch einen Kollaps der Kapazitäten der Intensivstationen in Stadt und Landkreis verursachen.“
Hierl weiter: „Eine Trendwende mit einem Brechen der Welle und damit einer Entwarnung für unsere Kliniken lässt sich für unsere Region nur durch einschneidende Maßnahmen erreichen.“ Dazu zählt er neben konsequenten 2G-plus-Regelungen das Untersagen von Veranstaltungen sowie weitgehende Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum für Ungeimpfte. Und: eine Impfpflicht für Personal in Kliniken und Pflegeheimen.
Die Impfquote in der Region ist nach wie vor unterdurchschnittlich mit 59,4 Prozent Erstgeimpften und 58,4 Prozent Zweitgeimpften sowie 16235 Booster-Impfungen. Die bundesweite Impfquote liegt bei 67,9, die bayernweite bei 65,9 Prozent (Zweitimpfung). Der erfreuliche Aspekt: Laut Gesundheitsamt ist ein deutlicher Anstieg bei der Nachfrage nach Impfungen zu verzeichnen, auch bei den Erstimpfungen. Um längere Wartezeiten zu vermeiden, wird daher eine Terminvereinbarung empfohlen.