Frau will helfen und wird schwer verletzt

von Redaktion

Kolbermoorerin verhindert mutmaßliche Vergewaltigung – 17-Jähriger festgenommen

Kolbermoor – Das Sprechen fällt ihr hörbar schwer, ein Auge kann sie nur öffnen, wenn sie die Lider mit ihren Fingern auseinanderzieht. Ob die schweren Verletzungen, die Christine Leitner (52) aus Kolbermoor erlitten hat, als sie eine Frau vor einer möglichen Vergewaltigung bewahrte, vollständig ausheilen werden, ist noch offen. Und dennoch sagt die 52-Jährige: „Ich würde mich auf jeden Fall wieder einmischen.“

Es ist früher Samstagmorgen, gegen 1.40 Uhr, als Christine Leitner auf der Ganghoferstraße in Kolbermoor – direkt unterhalb ihrer Wohnung – panische Frauenschreie hört. Sie selbst ist gerade mit Bastelarbeiten für Weihnachten beschäftigt. „Ich bin zum Fenster gegangen und habe auf der Straße eine Gestalt kauern sehen“, erzählt die 52-Jährige, die derzeit in einer Münchner Klinik behandelt wird. Daraufhin habe sie sich eine Jacke gegriffen und sei auf die Straße gegangen. Dort entdeckte sie eine völlig verstörte 37-jährige Frau aus Kolbermoor.

Nach ersten Ermittlungen der Polizei soll die 37-Jährige kurz zuvor von einem 17-jährigen Rumänen, der ebenfalls in Kolbermoor lebt, angegriffen und gewürgt worden sein. Zeitgleich habe der Schüler versucht, der Frau die Hose auszuziehen. Nachdem sich die 37-Jährige massiv zur Wehr gesetzt hatte, hätten der junge Kolbermoorer und sein Begleiter, zu dem die Polizei keine weiteren Angaben machen will, die Flucht ergriffen.

Doch auf der Flucht hatte der 17-Jährige nach Informationen der OVB-Heimatzeitungen seine Geldbörse verloren – weshalb das Duo nur wenig später zum Tatort zurückkehrte. „Dass der mutmaßliche Täter eine Geldbörse verloren hat, werden wir weder bestätigen noch dementieren“, erklärte Polizeisprecher Alexander Huber auf Anfrage unserer Zeitung und verwies auf „die laufenden Ermittlungen“. Nach Angaben der Ermittler habe der 17-Jährige nach seiner Rückkehr aber versucht, sich des Rucksacks der 37-Jährigen zu bemächtigen. „Die Frau und ich haben gemeinsam den Rucksack festgehalten“, schildert Leitner die Auseinandersetzung. „Und dann habe ich schon seine Faust im Gesicht gehabt.“ Anschließend flohen die beiden Männer vom Tatort, konnten aber wenig später im Rahmen einer sofort eingeleiteten Fahndung festgenommen werden.

Die couragierte Kolbermoorerin, ohne deren Einsatz der Abend für das 37-jährige Opfer noch deutlich schlimmer hätte enden können, wurde mit schweren Verletzungen im Gesicht in eine Münchner Spezialklinik gebracht. Dort musste sich Leitner einer Notoperation unterziehen, um nicht Gefahr zu laufen, das Augenlicht zu verlieren.

Der Angreifer hat der 52-Jährigen das Jochbein zertrümmert, weshalb derzeit eine Prothese angefertigt werden muss. Diese soll dann in einer weiteren Operation in einigen Tagen eingesetzt werden. Ob Leitner mit Langzeitfolgen rechnen muss, dazu konnten die Ärzte der 52-Jährigen nach eigenen Angaben bislang keine genaue Auskunft geben.

Zumindest physisch hat nach Angaben der Polizei das Opfer des Überfalls, die 37-jährige Kolbermoorerin, nur leichte Verletzungen erlitten. Sie wurde ebenfalls zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht.

Richter stellt keinen Haftbefehl aus

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, wurde der 17-jährige Tatverdächtige am Sonntag dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgeführt, der gegen den Jugendlichen jedoch keinen Untersuchungshaftbefehl erließ. „Der Ermittlungsrichter hat zwar ebenfalls dringenden Tatverdacht gesehen, aufgrund des Alters und der Lebensumstände des 17-Jährigen einen Untersuchungshaftbefehl aber abgelehnt“, begründete Oberstaatsanwalt Björn Pfeiffer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, die Entscheidung. „Wir werden aber natürlich – ungeachtet der Entscheidung gegen einen Untersuchungshaftbefehl – die Ermittlungen unter Hochdruck fortführen.“

Ermittelt wird gegen den 17-Jährigen nach Angaben der Polizei wegen versuchter Vergewaltigung, versuchten schweren Raubes sowie schwerer Körperverletzung. Dass die Gewalttat nicht noch drastischere Konsequenzen hatte, ist sicherlich auch dem beherzten Eingreifen von Christine Leitner zu verdanken, die es selbst „für völlig normal“ empfindet, „für Menschen, die Hilfe brauchen, einzustehen“.

Trotz der massiven Schmerzen, trotz der drohenden weiteren Operation und einer möglicherweise langwierigen Genesung hat die 52-Jährige aber ihren Humor nicht verloren. Leitner: „Meine Karriere als Germany’s Next Topmodel kann ich wohl aufgrund meiner Gesichtsverletzungen vorerst vergessen.“

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