Nußdorf – Bis zu 50 Meter tief gehen die Testbohrungen der Deutschen Bahn auf dem Inn im Zuge der Planung des Brenner-Nordzulaufs. Von einer schwimmenden Insel aus werden rund zwei Kilometer von Nußdorf entfernt seit drei Tagen Proben aus dem Gestein entnommen, um eine mögliche Flussdurchquerung des Bahntunnels zu analysieren. Laut dem Projektleiter sind die Ergebnisse entscheidend für das weitere Vorgehen der Bahnstrecke zum Brenner, die im Jahr 2040 in der Region von Kufstein bis nach Ostermünchen führen soll.
Beschaffenheit des
Gesteins entscheidend
„Die Erkenntnisse, die wir hier gewinnen, werden in den kommenden Jahren immer wieder als Grundlage für die Bauunternehmen des Brenner-Nordzulaufs verwendet“, berichtet Manuel Gotthalmseder, Projektabschnittsleiter der DB Netz. Er kümmert sich um die vier Bohrungen, die aktuell bei der geplanten Überquerung des Inns vorgenommen werden. Zwei davon finden an Land, zwei auf dem Wasser statt.
Damit der große Bohrer seine gut 50 Meter langen Stahlrohre in das Gestein graben kann, wurde der Koloss, laut dem Leiter, zunächst mithilfe eines Krans auf eine schwimmende Plattform in den Fluss gesetzt. Von dort aus können drei Mitarbeiter die Maschine bedienen. Innerhalb von zwei Wochen sollen circa 50 Zentimeter lange Gesteinsbrocken aus dem Boden gezogen werden. Diese sogenannten Bohrkerne haben einen Durchmesser von rund zehn Zentimetern und werden nach erfolgreicher Bergung nach Neubeuern verfrachtet, wo sie von einem Geologen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit analysiert werden.
Da die Witterung einen großen Einfluss auf die Testarbeiten hat, wird im Schichtbetrieb gearbeitet. So kommen die Arbeiter möglichst schnell voran. „Die vier Bohrungen, deren Kosten im Bereich von rund einer halben Million Euro liegen, sind im besten Fall schon an Weihnachten fertig“, meint Gotthalmseder.
Für den geplanten Bau des Brenner-Nordzulaufs ist es, laut dem Projektleiter, unerlässlich zu wissen, mit was für einem Gestein es die Arbeiter zu tun haben. Je nach Beschaffenheit müssten bei der späteren Untergrabung des Inns verschiedene Anforderungen beachtet werden. Ein großes Hindernis für den Brenner-Nordzulauf erwartet Gotthalmseder jedoch nicht. „In der Regel haben wir unter einem Fluss sehr feinkörniges Gestein, das uns keine Probleme machen sollte“.
Die aktuellen Pläne sehen einen rund acht Meter hohen Tunnel vor, der nahe Oberaudorf unter der Inntalautobahn beginnt, wenig später durch den Fluss „durchtaucht“ und nach 13 Kilometern nördlich der A8 kurz vor Stephanskirchen endet. An der Stelle der Inndurchquerung soll der Tunnel gut zehn Meter unter dem Grund liegen. Mit einer Tiefe des Flusses von acht Metern verliefe der Tunnel dementsprechend rund 25 Meter unter der Erde.
Auch wenn bei der Bohrung „Löcher in der Erde gelassen werden“, wird man danach nicht mehr viel von den Testungen merken, wie der Projektleiter bestätigt. Laut der Deutschen Bahn wird außerdem bei der gesamten Planung und Umsetzung des Brenner-Nordzulaufs auf sämtliche Vorschriften bezüglich des Naturschutzes geachtet.
Nichtsdestotrotz wird der unterirdische Abschnitt der Bahntrasse in Nußdorf kritisch betrachtet. „Eine Herausforderung der geplanten Strecke wird der Wasserhaushalt in den Innauen sein. Der Schutzstatus muss unbedingt erhalten bleiben und darf von den Bohrungen nicht beeinträchtigt werden“, meint Susanne Grandauer, stellvertretende Bürgermeisterin von Nußdorf. Sie bemerkt die Sorgen und Ängste der Einwohner vor „unerwünschten Überraschungen des Jahrhundertprojekts“ und sieht den unterirdischen Verlauf als eine zwingende Grundvoraussetzung. „Es muss definitiv eine Innunterquerung sein, damit unser schönes Inntal nicht durch ein überirdisches Bauwerk in Süd-Nord getrennt wird.“
Rund 60 Testungen in
der gesamten Region
Dafür müssen jedoch laut Gotthalmseder erst einmal die 60 Bohrungen, die aktuell in der gesamten Region stattfinden, beendet werden. „Im Moment haben wir viele Einsätze gleichzeitig. In Kiefersfelden sind wir gerade fertig geworden, in Großkarolinenfeld testen wir noch.“ Wenn alles gut läuft, soll die Probeentnahme am Ende des Jahres 2022 abgeschlossen sein. Wie es danach weitergeht, hängt, laut dem Projektleiter, von den Analysen des Gesteins ab. „Nur anhand der Bohrkerne wird man sehen, ob das Projekt Brenner-Nordzulauf auch so funktionieren kann, wie bisher geplant.“