Rosenheim/Mühldorf – So echt, so herzlich, so einzigartig, so tief von innen heraus: Eigentlich müsste sich die Lisi (12) ihr Lachen patentieren lassen. „Da könnte man einen tollen Lachsack draus machen“, sagt die Mama.
Das gilt auch für Elisabeths Sprache, ebenfalls ein Unikat. Weil das Mädchen ohne Worte auskommen muss und schon gar keine ganzen Sätze über die Lippen bringt, hat es seine eigene Lautlehre entwickelt – ein bemerkenswert nuancenreicher Phonetik-Mix aus hellen und dunklen Tönen.
In Aschau und Prien
sprechen alle Lisisch
Dazu gehört glucksen, piepsen, blubbern, juchzen, zischen, murmeln, quietschen, gackern oder kichern in den unterschiedlichsten Tonlagen und Lautstärken – natürlich auch die bunten Vokalreihen, die in der westlichen Welt gern als Indianer-Laute bezeichnet werden.
Doch was Lisi spricht, ist kein Indianisch. Es ist Lisianisch oder Lisisch, wie sie es in Aschau und Prien, wo Lisi daheim ist, gerne nennen. „Wir sprechen alle Lisisch“, betont Mutter Eva stellvertretend für die fünfköpfige Familie. Jedes zweite Wochenende verbringt Elisabeth mit Eltern und Geschwistern in Prien – und natürlich auch Fest- und Ferientage wie Weihnachten.
„Dahoam“ ist Lisi aber vor allem in Aschau: Heilpädagogisches Zentrum (HPZ), Würzburger Haus, Erdgeschoss, Wohngruppe Antonius – unter dieser Adresse ist sie am ehesten zu finden. Dort verbringt sie die meiste Zeit ihres Lebens – im Wohnheim, in der Schule, mit ihren jungen Mitbewohnern, Betreuerinnen, Therapeutinnen, Lehrern. Und sie alle beherrschen das Lisianische oder Lisische ebenfalls aus dem Effeff.
Elisabeth gehört zu den Kindern mit den schwersten Beeinträchtigungen im HPZ. Sie hat von Geburt an erhebliche motorische und kognitive Einschränkungen, sitzt im Rollstuhl, kann weder alleine gehen noch stehen und auch nicht sprechen. Hinzu kommen weitere Krankheiten, weshalb Elisabeth bei allen Dingen im Alltag – aufstehen, anziehen, essen, Körperpflege und so fort – rund um die Uhr auf Unterstützung und Fürsorge angewiesen ist.
Und das bekommen sie im HPZ in Aschau offenbar besser hin als die besten Eltern der Welt. „Der Wert des Wohnheims für Lisi und uns ist mit Gold nicht aufzuwiegen“, betont die Mama. „Man kann das gar nicht in Worte fassen, wie sehr das HPZ uns Eltern entlastet.“
Lisi kam vor zehn Jahren mit zwei ins HPZ, besuchte erst die Vorschulstufe, dann die Tagesstätte, schließlich die Förderschule. Seit März 2019 wohnt das Mädchen auch in Aschau und fühlt sich dort so wohl, dass die Eltern an den Trennungen nicht mehr groß zu knabbern haben. Weil Lisi gern heim nach Prien kommt – und sich ebenso gern wieder nach Aschau zurückfahren lässt.
Weihnachten 2021 ist das genauso. Vor allem den Heiligabend genießt Lisi wieder in vollen Zügen: Als sich die Mama, wie immer vor der Bescherung, im stimmungsvollen Kerzenschein ans Klavier setzt und alle zusammen „Stille Nacht“ singen – Mutter Eva (56), Filmregisseurin, Papa Michael (54), IT-Spezialist, Zwillingsschwester Johanna (12), Bruder Bastian (16) sowie ihre Halbbrüder Julian (21) und Benjamin (23). Was für wundervolle Momente des Glücks!
Quietschvergnügen:
Lego im Wäschekorb
Leider kann man sie nicht festhalten und die Zeit auch nicht anhalten – und so geht es nach den Weihnachtsfeiertagen wieder ins Würzburger Haus. Die Rückfahrt ist 2021 wie immer: Sobald Kampenwandbahn und Schloss Hohenaschau in Sichtweite sind, gluckst, quietscht und lacht das Mädchen auf Lisianisch.
Bald wird das HPZ modernisiert und umgebaut. Lisi wird davon profitieren – wie alle anderen Kinder und Jugendlichen, die das HPZ im Kind im Zentrum Chiemgau (siehe unten) besuchen. Die Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ soll dafür sorgen, dass das Geld auch für eine moderne Ausstattung der Räume und Therapiegeräte reicht, die genau auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten sind.
Lisi verbringt täglich eine Stunde in einem Stehständer, damit der Rücken gestreckt wird. Dabei lässt sie gern Legosteine in einen vor ihr am Boden stehenden Wäschekorb fallen. Jeder Treffer wird dann mit einem Quietscher auf Lisianisch bejubelt.
Mit Rihanna im Ohr auf die Massagematte
Zum Entspannen hört sie gern Musik, unter anderem von Rihanna. Oder Elisabeth macht es sich im Würzburger Haus im bunten Wasserklangbettraum oder auf der schwarzen Massagematte bequem. Noch hat sie auf der Matte Platz. Aber am 12. Januar wird sie 13. Bald könnte die Unterlage zu klein sein, auch die Technik ist sicher nicht mehr der letzte Schrei. Ansatzpunkte für die OVB-Weihnachtsaktion gibt es also viele – vor allem in der digitalen Welt im HPZ, die für die Kinder im Hinblick auf bestmögliche Lebensqualität und Eigenständigkeit von so großer Bedeutung ist.
Aber wir alle müssen auch mal „unplugged“ sein. Wer eine kurze Auszeit braucht, setzt sich gern zu Lisi auf die Couch. Zum Auftanken, weil ihre Lebensfreude und das herzlichste Lachen der Welt so ansteckend sind. Das klappt fast immer, man muss nur Lisianisch können. Und das lernt man schnell.
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