Rosenheim/Niamey – An Weihnachten wird Marie-Charlott J.* in diesem Jahr vermutlich vor einer Palme sitzen. Denn einen Christbaum gibt es auf dem Lufttransportstützpunkt im Wüstenstaat Niger nicht. Eine Palme schon – und die sei sowieso passender zu Niamey.
Es ist das zweite Weihnachten in Folge, das sie nicht daheim in Rosenheim verbringen wird. Für J. ist das schwer. Aufgrund ihres Berufes als Notfallsanitäterin bei der Bundeswehr ist sie viel unterwegs. Weihnachten ist für sie – wie für so viele Menschen – ein Fest für die Familie. „Ich vermisse es, nicht da zu sein. Die Entfernung macht das Gefühl dann noch ein bisschen extremer.“ Kurz ist es still am anderen Ende der Leitung. „Aber ich schätze es dann umso mehr, wenn ich wieder daheim bin.“
Versorgt Kameraden
vor Ort in Niamey
Ihre Stimme dringt klar aus dem Telefonhörer, trotz einer Entfernung von beinahe 4000 Kilometern Luftlinie. J. arbeitet in Niamey im Rahmen der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (UN) „Minusma“. Diese dient laut Bundeswehr dazu, den Frieden in Mali – ein Krisenherd, der seit Jahren von Konflikten geprägt ist – zu sichern. Die UN-Soldaten sollen Waffenruhevereinbarungen unterstützen und sicherstellen, dass das Friedensabkommen von 2015 (siehe Kasten) im Land umgesetzt wird.
Die Bundeswehr ist an verschiedenen Standorten in Mali im Einsatz und betreibt im benachbarten Niger den Lufttransportstützpunkt. Dort wickelt die Truppe Material- und Personentransporte ab. Außerdem versorgen Sanitäter wie Marie-Charlott J., die ihre Ausbildung bei der Ambulanz Rosenheim gemacht hat, Kameraden vor Ort.
Niamey ist ihr zweiter Auslandseinsatz. Vorher war sie bereits im Kosovo stationiert. Bis Ende Januar wird J. im Niger bleiben – Urlaub an den Weihnachtsfeiertagen existiert dort nicht. „Wir sind 24/7 im Einsatz“, sagt sie. Mal ein paar Stunden frei haben, das gibt es. Aber wenn etwas passiert, muss sie ran, auch um 2 Uhr nachts. Aus Mali kommen immer wieder Berichte über bewaffnete Konflikte, verwundete Soldaten oder Selbstmordanschläge. In Niamey selbst ist die Situation laut J. entspannter. „Die Gefahrenlage ist nicht so hoch wie in Gao. Hier ist es ruhiger.“
Und trotzdem ist es für die Soldaten wichtig, sich Auszeiten von der Arbeit zu schaffen. J. und ihre Kameraden versuchen deshalb, sich im Vorfeld der Feiertage ein Stück Weihnachten in den Niger zu holen. Gemeinsam schmückten sie das Betreuungszelt, in dem sie sich abends gemeinsam aufhalten, erzählt J. „Damit ein bisschen Stimmung da ist.“ Dort brennen dann Kerzen, liegen Tannenzapfen und Adventskränze auf den Tischen. In der Ecke steht ein Schneemann aus Plastik.
Die Weihnachtsdekoration ist in einem Container gelagert und wird nach den Feiertagen dort wieder für das nächste Jahr verstaut. Frisch kommt jährlich eine Ladung Lebkuchen und Christstollen aus Deutschland am Stützpunkt an.
Adventskalender
in der Wüste
J. selbst hat von ihrer Familie noch einen Adventskalender geschickt bekommen. „Bis jetzt lebt er noch und ist nicht geschmolzen“, sagt sie. Sie will ihn mit ihren Kameraden teilen. „An jedem Tag darf dann ein anderer das Türchen öffnen.“
Eine richtige „stade Zeit“ gibt es aber auch in Niamey nicht. Wenn J. Zeit findet, telefoniert oder schreibt sie mit ihrer Familie über Whatsapp. Auch Videoanrufe sind möglich. Einsam sei sie auf keinen Fall, sagt sie. Im Gegenteil – ihre Kameraden seien immer zum Reden da. Sie sind eine Art Ersatzfamilie für sie.
Dazu gehört auch der Militärpfarrer. Er ist Ansprechpartner für alle Soldaten. Während der Feiertage gestaltet er mit den Frauen und Männern immer einen weihnachtlichen Gottesdienst.
Bis Ende Januar wird Marie-Charlott J, die seit 2010 bei der Bundeswehr ist, in der Wüste bleiben. Seit September ist sie schon dort. Mittlerweile habe sie sich schon einigermaßen an die Bedingungen vor Ort gewöhnt. „Heiß, trocken, kein Regen“, beschreibt sie die Situation. Das genaue Gegenteil zu ihrer Heimat also. „Komisch zu dieser Jahreszeit.“ Eben ein Ort, an dem statt Christbäumen Palmen wachsen.
* Zum Schutz der Privatsphäre der Soldatin will die Bundeswehr ihren vollen Nachnamen nicht bekanntgeben.