Traunstein/Stephanskirchen – Ein zumindest seit 2017 psychisch schwer kranker 23-Jähriger aus Rheinhessen mit Angst vor „Organhändlern“ strandete in Rosenheim. Ein 15-jähriger Schüler wurde in Stephanskirchen zum Zufallsopfer. Der schon bei früheren Vorfällen äußerst aggressive Täter würgte den Buben und raubte ihm das Mountainbike (wir berichteten). Die Siebte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune ordnete gestern die zeitlich unbegrenzte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
In Rosenheim aus
dem Zug verwiesen
Der 23-Jährige aus Alzey wollte mit der Bahn nach Norden fahren, als er Beamten der Bundespolizei auffiel. Er wurde in Rosenheim aus dem Zug verwiesen. Wie er genau nach Stephanskirchen kam, blieb offen. Der Schüler war am 26. Mai zu einer Radtour mit seinem 1000 Euro teuren Mountainbike aufgebrochen. Dabei hatte der Bub einen Unfall und stürzte. Dies nutzte der 23-Jährige aus. Er sprang über ein Absperrgeländer eine Böschung hinunter und würgte den Schüler einige Zeit mit beiden Armen. Der 15-Jährige erlitt Würgemale am Hals, Schluckbeschwerden sowie blutende Wunden an Hand, Arm und Knie. Bei den Ermittlungen konnten gemäß Aussage eines Kripobeamten am Hals des Buben DNA-Spuren des Angreifers nachgewiesen werden.
Der Täter wähnte sich damals in seinem akuten Krankheitsschub verfolgt von „Organhändlern“, flüchtete per Rad nach Rosenheim und wurde auf dem Weg zum Bahnhof festgenommen. In der Dienststelle rastete er völlig aus.
Im Urteil sah Vorsitzende Richterin Christina Braune das aggressive, gewalttätige Verhalten mit einem Tritt des Beschuldigten in das Gesicht eines Arztes, der lediglich Blut abnehmen sollte, und extremer Unruhe begründet in der Angst des 23-Jährigen vor der Entnahme von Organen durch die „Organmafia“.
„Erhebliche rechtswidrige Taten“ als eine der Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Psychiatrie stünden nicht infrage, führte die Vorsitzende Richterin aus. Ein Gutachter habe eine abstrakte, aber keine konkrete Lebensgefahr für den 15-Jährigen attestiert. Der Arzt sei in der Polizeiwache glücklicherweise nicht voll getroffen worden und habe nur eine Platzwunde davongetragen. Der 23-Jährige habe in wahnhafter Symptomatik und völlig aufgehobener Schuldfähigkeit zwei massive tätliche Übergriffe begangen. Dafür könne er nicht verurteilt werden.
Anders als der Verteidiger betrachte die Kammer die Erheblichkeitsschwelle überschritten, unterstrich Frau Braune. Anwalt Alexander Kohut aus Rosenheim hatte auf Freispruch und Abweisen des Unterbringungsantrags der Staatsanwaltschaft plädiert. Das Gericht habe bei seiner Entscheidung weitere Vorfälle berücksichtigt, hob die Vorsitzende Richterin heraus. Im Bezirksklinikum in Gabersee habe der Beschuldigte einen Pfleger ansatzlos mit der Faust gegen das Brustbein geschlagen, das dadurch gebrochen sei. Einem anderen Pfleger habe er mit der Faust gegen den Schädel geschlagen – mit der Folge einer Hirnblutung.
„Für Allgemeinheit
extrem gefährlich“
Die Vorsitzende Richterin wörtlich: „Das zeigt, mit welcher Kraft der Beschuldigte zuschlägt.“ Unbehandelt seien solche Verhaltensweisen wieder zu erwarten, betonte die Vorsitzende Richterin weiter. Mit dem Urteil schloss sich die Siebte Strafkammer dem Fazit des psychiatrischen Sachverständigen wie auch den Argumenten und dem Schlussantrag der Staatsanwältin an. Eva Hittinger hatte unter anderem gesagt: „Der 23-Jährige ist für die Allgemeinheit extrem gefährlich. Ich möchte mir nicht ausmalen, was unbehandelt noch passiert.“
Monika Kretzmer-Diepold