Rosenheim – Die Corona-Inzidenzkurve für die Region Rosenheim flacht ab, die Zahl der Neuinfizierten geht zurück. Und dennoch warnen die Experten davor, bereits von einer „wirklichen Trendumkehr“ zu sprechen. Ganz im Gegenteil: Der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Rosenheim, Dr. Wolfgang Hierl, spricht weiter von einer „dramatischen Lage“ in Stadt und Landkreis. „Keinesfalls dürfen wir uns hinreißen lassen, aufgrund der sinkenden 7-Tage-Inzidenz Entwarnung zu geben.“
Dabei sieht es so hoffnungsvoll aus: Die 7-Tage-Inzidenz bewegt sich inzwischen unter dem Hotspot-Schwellenwert 1000. Stand Freitag liegt der Landkreis bei 957, die Stadt bei 783. Zwar sind aufgrund von 531 Neumeldungen beide Inzidenzwerte gegenüber dem Vortag leicht angestiegen, doch verbleiben sie unter der Marke 1000. Bleiben die Werte fünf Tage in Folge unter dem Schwellenwert, könnte der regionale Lockdown aufgehoben werden. Für die Stadt Rosenheim wäre bei gleichbleibender Tendenz Tag fünf am Sonntag erreicht. Der Landkreis würde am Montag, 6. Dezember, folgen.
Lockdown-Ende
am Dienstag?
Gelockert wird jedoch erst mit einem beziehungsweise zwei Tagen Verzögerung, wie es seitens Stadt- und Kreisverwaltung heißt, sprich am Dienstag, 7. Dezember. Sowohl die Stadt wie auch der Landkreis werden, wie ihre Sprecher auf OVB-Anfrage betonen, am Montag das Unterschreiten an fünf Tagen in Folge „amtlich bekannt machen“. Die Aufhebung des Lockdowns tritt dann einen Tag später in Kraft. Womit ab diesem Tag Gastronomie, Sport- und Kulturstätten öffnen dürften.
Weiter als kritisch beurteilt Behördenleiter Hierl die Lage: In der Region seien in dieser Woche lediglich bei den täglichen Fallzahlen die absoluten Spitzenwerte der Vorwoche zwischen 800 und 1100 ausgeblieben. „Weiterhin stecken sich jeden Tag zwischen 500 und 600 Personen mit dem Virus an. Dies führt dazu, dass auch weiterhin unweigerlich schwerste Erkrankungen entstehen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Da hilft kein Schönreden.“
Vorsichtig optimistisch könne man indes sein, dass die strengen Beschränkungsmaßnahmen greifen, die ja in der Region schon seit Längerem bestehen. Hierl: „Die gilt es aber auch weiterhin strikt einzuhalten. Jeder Bürger ist aufgerufen, im Alltag die Abstandsregeln einzuhalten. Die Impfung ist für mich persönlich absolute ethische Verpflichtung und Dienst an der Gesellschaft.“
Denn: Weit überwiegend sind laut Gesundheitsamt nach wie vor Ungeimpfte bei den neuen Fällen betroffen. Knapp zwei Drittel der positiv Getesteten seien im Alter zwischen 18 und 59 Jahren.
Besorgt blickt der Behördenchef auf die Heime: Denn hier sind die Krankheitsfälle bei Bewohnern und Mitarbeitern weiter angestiegen.
Ausbrüche in
32 Heimen
Dabei ist nach den Worten von Hierl der Anteil der positiv getesteten vollständig geimpften Bewohner weiterhin beunruhigend hoch. Etwa die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter sei ungeimpft. Betroffen waren diese Woche 32 Alten- und Pflegeheime mit 249 erkrankten Bewohnern. 201 Erkrankte waren vollständig geimpft (81 Prozent), 39 nicht geimpft, drei unvollständig geimpft, in sechs Fällen ist der Impfstatus noch unbekannt. Hinzu kommen 166 erkrankte Mitarbeiter (75 nicht geimpft, 77 vollständig, drei unvollständig geimpft, Rest unbekannt). Fünf Heimbewohner, vier davon vollständig geimpft, mussten in der Klinik behandelt werden.
Hierl betont: „Die hohe Zahl der positiv getesteten Bewohner und Mitarbeiter ist dabei keineswegs Beweis einer fehlenden Impfeffektivität, sondern vielmehr Ausdruck dafür, dass aufgrund nachlassender Schutzwirkung bei den Betagten und Hochbetagten dringend Auffrischimpfungen erforderlich sind, wenn die Impfserie vor einem halben Jahr stattfand.“ Und weiter: „Ich appelliere noch einmal nachdrücklich an alle Beschäftigten in der Pflege und Therapie sowie an die Angehörigen der Pflegebedürftigen, die sich bislang noch nicht für eine Impfung entscheiden konnten, sich einen vollständigen Impfschutz geben zu lassen. Ungeimpfte setzen die in den Einrichtungen betreuten Bewohner einer unnötigen Gefahr aus. Ich finde diese Haltung auch ethisch nicht vertretbar.“
Nach wie vor schleppend ist der Impffortschritt in der Region. Die Quote bei den Zweitimpfungen liegt bei knapp 60 Prozent (59,55 Prozent), bundesweit knapp 69 Prozent. Groß ist das Interesse an den Auffrischungsimpfungen, knapp 42000 Booster wurden bereits gesetzt (13 Prozent). Für Hierl kein Grund zur Zufriedenheit: „Die wöchentlichen Zuwächse bewegen sich nur im Zehntelprozentbereich. Das ist für einen nennenswerten Einfluss der Impfquote auf das Infektionsgeschehen viel zu gering.“
Nur mit Anmeldung
ins Impfzentrum
Im Übrigen: Impfungen im Impfzentrum können nicht mehr ohne Termin durchgeführt werden (www.impfzentren.bayern oder Telefon 08031/365-8899.
Weiter angespannt ist die Lage in den Kliniken. Nach Aussage des Ärztlichen Leiters Krankenhauskoordinierung, Dr. Michael Städtler, steigen die Belegungszahlen mit Covid-19 auf Normalstationen weiter an.
Zuletzt stagnierte die Belegung auf den Intensivstationen auf hohem Niveau, hat aktuell aber nochmals zugenommen. Stand Freitag waren in den Romed-Kliniken insgesamt 109 Covid-Patienten, davon 23 auf Intensivstation, sieben beatmet (inklusive Verdachtsfälle).
Intensivstationen
überlastet
„Mittels Kleeblatt-Verlegungen gab es zwar eine leichte Entlastung, diese war aber nur von kurzer Dauer“, so Städtler. Ein gleiches Bild zeige sich im gesamten bayerischen Raum, sodass Abverlegungen nahezu unmöglich würden. Dramatisch ist weiter die Zahl der Corona-Todesfälle in der Region: Diese Woche kamen erneut 20 Covid-Tote hinzu (Vorwoche: 20), neun davon im Alter zwischen 60 und 80 Jahren, elf über 80. Elf der Verstorbenen waren in einem Heim betreut worden. Die Gesamtzahl der Corona-Toten steigt auf 635.