Traunstein/Rosenheim – Viel Geld, unter anderem 23000 Euro für eine Erntemaschine, investierte ein 36-jähriger Landwirt in seine Cannabis-Anbauanlage in einem gemieteten Haus in Samerberg. Die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Richter Andreas Bartschmid an der Spitze verhängte gegen den Angeklagten gestern wegen illegalen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln – der Erzeuger hatte die Ernte an vier Freunde verkauft – eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Anonymer Brief
bringt Fall ins Rollen
Ans Tageslicht kam der Fall durch einen anonymen Brief im November 2020 an die Polizeiinspektion Brannenburg. Der nie ermittelte Absender berichtete von häufigen Fahrten des 36-Jährigen zu dem Haus. Dort herrsche oft „starker Marihuana-Geruch“. Der Verfasser äußerte die „Bitte“: „Es sollen nicht noch mehr Jugendliche den Drogen verfallen.“
Im Januar durchsuchten Polizeibeamte das Wohnanwesen des Angeklagten im östlichen Landkreis Rosenheim und Kollegen aus Brannenburg das unbewohnte Gebäude am Samerberg. Die Kripo Rosenheim wurde eingeschaltet. Deren Sachbearbeiter schilderte, das ganze Haus sei vom Keller bis zum Dachgeschoss umgebaut gewesen. Neben der Erntemaschine, die zum Beispiel für Hopfen geeignet ist, konnte die Polizei über 200 Cannabis-Pflanzen, fast 15 Kilogramm Marihuana guter Qualität und 28000 Euro Bargeld sicherstellen.
Verteidiger Harald Baumgärtl aus Rosenheim hatte nach Verlesen der Anklage durch Staatsanwalt Rasim Filipov ein Rechtsgespräch beantragt. Kammervorsitzender Bartschmid informierte daraus, der Verteidiger habe sich „vehement“ für eine Strafe mit Bewährung eingesetzt. Aus Sicht des Anklägers komme Bewährung aber „nicht in Betracht“, informierte der Vorsitzende. Eine Einigung bezüglich der Strafhöhe sei nicht erfolgt.
In der anschließenden Verteidigererklärung schilderte Harald Baumgärtl, der Angeklagte habe 2015 von den Freunden über deren „Bedarf“ an Marihuana erfahren. Der 36-Jährige habe mit wenigen Cannabis-Pflänzchen begonnen – anfangs nur in der Garage des Hauses. Von dem Verkaufserlös habe er Investitionen bezahlt, darunter die Erntemaschine, stromsparende LED-Beleuchtung und mehr.
Der Landwirt ergänzte, er habe die „guten Freunde“, die schon länger Marihuana geraucht hätten, teils vom Kindergarten her gekannt. Die ersten Anbauversuche seien nicht gut verlaufen, aber besser geworden. Er habe Verkaufserlöse investiert, beispielsweise in ein Lüftungs- und ein Bewässerungssystem und in die Elektrik samt Zeitschaltuhr.
„Es gab schon einige Male Ärger“, meinte der 36-Jährige. 2019 sei eine der durchschnittlich zwei Ernten pro Jahr mit jeweils Hunderten von Cannabis-Pflanzen verschimmelt, mal sei das Marihuana wegen falschen Saatguts nicht von der erhofften Qualität gewesen. Seine Freunde seien „enttäuscht“ gewesen.
Der Angeklagte schilderte weiter, anfangs hätten die vier Männer alles allein konsumiert: „Irgendwann war es aber so viel, dass sie es nicht mehr derrauchen konnten. Da war klar, dass sie es weiterverkauften. Ich wusste aber nicht, an wen und wieviel.“ Zur Frage des Kammervorsitzenden nach dem Tatmotiv erwiderte der Landwirt: „Der Anbau hat mich interessiert. Ein bisschen Geld ist rausgesprungen.“
Die Aufklärungshilfe durch den voll schuldfähigen 36-Jährigen führte Staatsanwalt Filipov im Plädoyer zur Kronzeugenregelung. Zugunsten seien das Geständnis zu sehen, das straffreie Vorleben, die Einsicht und die Reue. Andererseits habe der Angeklagte hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt und „aus reinem Gewinnstreben“ gehandelt. Die Menge an Marihuana sei sehr groß. Angemessen seien fünfeinhalb Jahre Haft.
Dieses Strafmaß sei viel zu hoch, entgegnete Harald Baumgärtl. Der Verteidiger fragte nach dem Sinn der Kronzeugenregelung, wenn ein derart umfangreiches und frühzeitiges Geständnis nicht gewürdigt werde. Der 36-Jährige habe sich drei Monate in Untersuchungshaft befunden. Die Drogen seien nicht in Umlauf gekommen. Eine Strafe von nicht mehr als zwei Jahren mit Bewährung sei ausreichend.
Milderung des
Strafrahmens
Letztlich habe der 36-Jährige nach Bekanntwerden der Tat die Notbremse gezogen und alles gestanden, so der Kammervorsitzende im Urteil. Begangen habe er neun Fälle des unerlaubten Handelstreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Vieles spreche zugunsten des Angeklagten, auch, dass Marihuana eine „weiche Droge“ sei. Ein „minderschwerer Fall“ sei nicht in Betracht zu ziehen. Die Kammer habe jedoch nach der Kronzeugenregelung eine Milderung des Strafrahmens vorgenommen. „Sie haben einen sehr großen Strafrabatt bekommen. Ihre Angaben hatten ein hohes Gewicht“, stellte Bartschmid fest. Den einzuziehenden Wertersatz fixierte das Gericht mit rund 74000 Euro. Der Angeklagte reagierte sichtlich geknickt.