Weniger Salz, mehr Sport

von Redaktion

Interview Kardiologie-Chefarzt über Blutdruck-Gefahren

Rosenheim – Einer der gefährlichsten Risikofaktoren für viele Krankheiten ist der Bluthochdruck. Prof. Dr. Christian Thilo, Chefarzt Kardiologie am Romed-Klinikum in Rosenheim, ist Experte auf diesem Feld – und verrät auch, ob dadurch das Covid-19-Risiko steigt. Über Warnsignale und die Rolle von Sport im Kampf gegen Bluthochdruck sprach er mit den OVB-Heimatzeitungen.

Inmitten der vierten Welle der Pandemie ist auch ein Gespräch über Bluthochdruck nicht ohne Corona möglich. Wie hoch ist das Risiko von Bluthochdruckpatienten, von Corona schwer getroffen zu werden? 

Anfangs hatten wir tatsächlich den Eindruck, dass Hochdruckpatienten häufiger einen schweren Covid-19-Verlauf erleiden können. Dies hat sich aber wissenschaftlich so nicht bestätigt. Auch dass bestimmte Blutdrucksenker anfälliger für Covid-19 machen sollen, ist unbewiesen. Blutdrucksenker sollten dementsprechend keinesfalls eigenständig abgesetzt werden.

Warum interessieren Sie sich als Kardiologe so sehr für den Bluthochdruck?

Der Bluthochdruck im großen Körperkreislauf ist relevant für den Kardiologen, weil er das gesamte Gefäßsystem betrifft. Es handelt sich um eine Volkskrankheit. Bluthochdruck kann alle Gefäße beschädigen, unter anderem Herzkranzgefäße ebenso wie den Herzmuskel. Wenn jemand das nicht bemerkt, dann stellt das eine dauerhafte Mehrbelastung für den Herzmuskel dar. Das Herz muss sich viel zu viel anstrengen. Irgendwann wird der Herzmuskel dicker, weil er mehr arbeiten muss, und im weiteren Verlauf kann er dann schwächer werden.


Was sind Risikofaktoren für Bluthochdruck?

Risikofaktoren sind in der Anamnese erkennbar, also in der Vorgeschichte des Patienten und beinhalten Stress, Übergewicht und Bewegungsmangel. Hinzu kommt eine genetische Veranlagung.

Wie genau schädigt Bluthochdruck den Körper?

In erster Linie kann über die Zeit die Herzleistung zurückgehen. Aber auch Herzkranzgefäße können verkalken und es kann ein Herzinfarkt entstehen. Blutdruck ist zudem tückisch, weil er alle Gefäße betrifft. Der gesamte Gefäßbaum wird früher verkalken.

Gibt es Warnsignale?

Das Gemeine ist, dass diese Warnsignale meistens kaum zu bemerken sind. Wenn man eine Entgleisung hat, eine Krise, wenn der Blutdruck auf 200 steigt, dann hat man wohl Kopf- und Brustschmerzen, man bekommt vielleicht einen roten Kopf und fühlt sich allgemein nicht gut. Wenn der Blutdruck aber nur gering erhöht ist, dann merkt man das gar nicht. Der Blutdruck kann jahrzehntelang langsam steigen und unentdeckt bleiben. Deswegen sind Voruntersuchungen so wichtig. Messungen kann man mit der Manschette am Oberarm oder am Handgelenk sogar selbst vornehmen.

Was gilt denn als Richtwert?

Der systolische, der obere Wert, also der den Auswurf des Herzens beziffert, sollte bei 120 bis 139 mmHg (1 mmHg ist der Druck, dem eine Quecksilbersäule von einem Millimeter erzeugt, Anm. der Red.) liegen und untere, der angibt, wie gut das Herz entspannen kann, sollte unter 90 liegen. Das wäre normal. Optimal ist der Blutdruck, wenn er unter 120/80 mmHg beträgt.

Wie beeinflusst der Lebensstil den Blutdruck?

Sport ist das A und O. Wenn man dreimal in der Woche 30 Minuten Ausdauersport macht, dann ist das mit einer Blutdrucktablette zu vergleichen. Man kann vorbeugen, den Blutdruck wieder senken, bevor man mit Medikamenten einsteigt.

Wie kann man Bluthochdruck mit der Ernährung vorbeugen?

Man sollte sich salzärmer ernähren. Weil salzreiche Ernährung auch einen Einfluss hat auf die Höhe des Blutdrucks.  Auch seine Lebensgewohnheiten sollte man hinterfragen. Stress beeinflusst den Bluthochdruck, er kann auch eine Folge von zu wenig Bewegung sein.


Außer am Salz zu sparen – was können Sie noch empfehlen?

Es gilt, dass man nicht zu viel Fleisch isst, das spielt in die Risikoreduktion herein. Viel Gemüse sollte zudem auf dem Speiseplan stehen, dazu Hülsenfrüchte. Aber ich glaube, das sind eher Beieffekte: Wenn sich jemand gesünder ernährt, dann treibt er auch mehr Sport.

Wie sieht es mit Zucker aus, etwa mit Süßigkeiten?

Lakritze treibt den Blutdruck. Süßigkeiten sind aber sonst nicht primär für Bluthochdruck verantwortlich. Sie fördern aber Diabetes und auch Übergewicht und damit indirekt auch den Bluthochdruck. Insgesamt gilt: Wer sich schlecht ernährt, erhöht sein Risikoprofil. Und man macht dadurch seine Gefäße kaputt. Wenn dann noch hoher Blutdruck dazukommt, steigt das Risiko eklatant.


Übergewicht spielt eine Rolle?

Ja, absolut. Einerseits, weil es oft auf Bewegungsmangel zurückgeht. Wie gesagt, Sport ist das A und O. Andererseits, weil das Herz mehr Blut durch den Körper treiben muss. Hinzu kommt noch, dass die Gefäße im Rahmen eines chronischen Entzündungsprozesses ihre Elastizität verlieren.

Welchen Eindruck haben Sie von der Region? Eher bewegungsfreudig oder nicht?

Es gibt noch keine Studien. Aber: Wir wollen die bestversorgte Region Deutschlands werden. Da werden wir uns die Leute anschauen, wir werden Angebote schaffen, dass die Einwohner an Monitoring-Programmen teilnehmen. Und gerade bei Bluthochdruck kann man mit Bluetooth-Technik und Apps viele Daten sammeln.

Aber man sammelt ja auch im Alltag so seine Eindrücke. Und wenn man hier draußen unterwegs ist, kann man annehmen, dass Sport für viele Menschen hier zum Leben gehört. Ja, das ist mir aufgefallen. Es ist ein Menschenschlag, der gerne in die Natur geht. Der im Winter Ski fährt und im Sommer radelt oder in die Berge geht oder was anderes macht. Es ist, nach allem, was ich hier mitbekomme, eine auffällig aktive Klientel. Manche Patienten kommen sogar mit dem Radl zur Untersuchung. Es gibt Regionen in Bayern, die einen deutlich höheren Body-Mass-Index haben.


Sie sind Kardiologe und blicken vor allem auf die Herzprobleme, die Bluthochdruck schaffen kann. Was verursacht er sonst noch für Krankheiten?

Hypertonie geht aufs Auge, lässt dort manchmal sogar Gefäße platzen. Auch die Schlaganfallgefahr steigt, desgleichen das Risiko der arteriellen Verschlusskrankheit, Schaufensterkrankheit nennt man das, und für Nierenschwäche. Bluthochdruck kann eine Spirale der Schäden auslösen: Wenn die Gefäße mal verkalkt sind, dann können sie nicht mehr entspannen. Und wenn da nur noch starre Rohre sind – dann steigt der Blutdruck nochmals.

Was geht mit Medikamenten?

Was erprobt ist an vielen Tausend Probanden, ist eine Kombinationstherapie. Es genügt nur eine einzige Tablette mit zwei oder drei Wirkstoffen. Damit kann man den Blutdruck gut wieder unter Kontrolle bekommen.

Gibt es einen Punkt, an dem es zu spät ist?

Wenn schon Folgeschäden wie eine Nierenschwäche vorhanden sind, dann heißt das nicht, dass man den Blutdruck einfach sich selber überlassen kann. Es kann immer noch das Herz in die Knie gehen, und die Gefäße werden immer starrer, ganz akut kann Bluthochdruck tatsächlich zum Tode führen. Interview Michael Weiser

Wertvolle Informationen im Internet

Die Deutsche Herzstiftung ist die größte unabhängige Anlaufstelle, wenn es um Herz-Kreislauf-Erkrankungen geht. Mit den „Herz-Wochen“ informiert die Stiftung über viele Aspekte von Herz und Kreislauf. Unter dem Motto „Herz unter Druck“ geht es aktuell um Bluthochdruck. Professor Dr. Christian Thilo ist Aktionspartner der Stiftung und empfiehlt die Seite www.herzstiftung.de mit vielen Informationen.

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