Rosenheim/Traunstein – „Examinierte Kinderkrankenschwester und Rettungssanitäterin, ungeimpft, sucht ab 15. März eine neue Arbeitsstelle“, „Verwaltungsmitarbeiterin sucht wegen Einführung der Impfpflicht im Krankenhaus neuen Wirkungskreis“, „Fachkrankenschwester, intensiv, ungeimpft, sucht neue Arbeitsstelle“ – derartige Stellengesuche sprießen aktuell in der Region wie Pilze aus dem Boden. Rund 20 derartige Anzeigen waren in der Mittwochsausgabe der OVB-Heimatzeitungen zu finden. Droht den Kliniken der Region also ein Exodus?
Gesetz betrifft
viele Einrichtungen
Am 10. Dezember hatte die Bundesregierung eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Bis zum 15. März müssen demnach Beschäftigte einen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen oder sich von einem Arzt bestätigen lassen, dass man von der Impfpflicht gegen das Coronavirus befreit ist. Betroffen sind beispielsweise Klinikmitarbeiter – von der Pflegekraft bis zum Verwaltungsangestellten. Auch Einrichtungen für behinderte Menschen, Arztpraxen oder der Rettungsdienst fallen unter die neue Gesetzeslage.
Nachfragen bei
der Rechtsberatung
Bei der Gewerkschaft Verdi ist man sich des Problems bewusst. Domingo Heber ist Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Gesundheit im Bezirk Rosenheim. Seit Wochen gehen bei der Rechtsberatung der Gewerkschaft vermehrt Nachfragen zur Impfpflicht ein, wie Heber bestätigen kann. „Es gibt zumindest Einzelfälle, in denen der Arbeitsplatzverlust in Kauf genommen wird, um sich der Impfpflicht zu entziehen.“
Doch Heber vermutet bei einigen Anzeigen, dass es sich um Fälschungen „oder zumindest eine koordinierte Aktion“ handelt. Was allerdings dagegen spricht: Nach Angaben der Anzeigenabteilung der OVB-Heimatzeitungen stünden hinter den Stellengesuchen unterschiedliche Auftraggeber.
Ein Paar aus dem Chiemgau, das ebenfalls eine derartige Stellenanzeige geschaltet hat, seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will, begründet den geplanten Jobwechsel gegenüber den OVB-Heimatzeitungen mit den „politischen Entscheidungen.“
Sie seien keine Impfgegner und auch gegen verschiedene Erreger geimpft. Es gehe „um unsere persönliche Entscheidung“, sagt die Chiemgauerin, die nach eigenen Angaben selbst mit Covid-Patienten konfrontiert gewesen sei und seit 23 Jahren auf der Intensivstation arbeite. Ihr Partner arbeite im Krankenhaus im Verwaltungsbereich.
„Wir würden liebend gerne weiterarbeiten wollen, aber uns lässt ja niemand – nur wegen einer politischen Entscheidung“, stellt das Paar klar, dem es nach eigenen Angaben aufgrund der Entscheidung zum Jobwechsel „total schlecht“ gehe. Zumal der Pflegepersonalmangel und die Bettennot, die derzeit noch herrschten, eigentlich dem politisch eingeschlagenen Weg entgegenstünden: „Das ist nicht nachvollziehbar.“
In den Kliniken selbst sieht man die zahlreichen Stellenanzeigen hingegen noch gelassen. Die Kündigungen bewegten sich derzeit im Durchschnittsbereich, heißt es bei den Romed-Kliniken. Dass ungeimpftes Personal nach anderen Stellen suche, sei im Klinikverbund nicht bemerkbar.
In den Kliniken Südostbayern (KSOB) in Traunstein gibt es nach Angaben von Klinik-Sprecher Ralf Reuter ebenfalls noch keine Kündigungen wegen der kommenden Impfpflicht. Es gebe jedoch Hinweise darauf, „dass der ein oder andere Mitarbeiter mit einer berufs- beziehungsweise einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht einverstanden ist“.
Bei den Kliniken setzt man weiterhin darauf, das bislang noch ungeimpfte Personal zur Impfung zu bewegen. Deswegen werden in vielen Einrichtungen auch Infoveranstaltungen und fachärztliche Einzelgespräche zur Aufklärung angeboten. „Die Romed-Kliniken möchten keine Mitarbeiter verlieren. Das wird auch so kommuniziert, und die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden nochmals angeschrieben“, teilte beispielsweise Elisabeth Siebeneicher, Pressesprecherin des Klinik-Verbundes, gegenüber den OVB-Heimatzeitungen mit.
Am kbo-Inn-Salzach-Klinikum in Gabersee bei Wasserburg sind die Angestellten ebenfalls umfassend informiert worden, heißt es von Sprecherin Franziska Amann. Ein Großteil des Personals habe sich bereits impfen lassen und erfülle die gesetzlichen Vorgaben.
„Überwiegende Mehrheit“
Auch bei den Kliniken Südostbayern hat sich die „überwiegende Mehrheit“ der Mitarbeiter bereits impfen und auch boostern lassen. „Wir haben in unseren Einrichtungen Impfquoten, die über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegen. Wir haben mit kontinuierlichen Angeboten an unsere Beschäftigten und mit Aufklärung die Impfquote steigern können, zudem erleben etliche Mitarbeiter hautnah die Konsequenzen einer Erkrankung“, so Reuter. Dennoch stößt die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht in allen betroffenen Betrieben auf uneingeschränkte Zustimmung. „Unser Ziel ist es nach wie vor, keinen einzigen unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch die Impfpflicht zu verlieren. Eine allgemeine Impfpflicht wäre die sinnvollere Alternative, damit endlich die Pandemie überwunden werden kann“, teilten die Kliniken Südostbayern mit. „Die Impfpflicht nur für unsere Beschäftigten im Gesundheitswesen auszusprechen, ist nur bedingt zielführend und belastet das Gesundheitssystem.“
Wie viele Angestellte letztlich den Einrichtungen aus dem Bereich Gesundheit den Rücken kehren werden, lässt sich derzeit kaum abschätzen. Im Hinblick auf die aktuelle Flut an Stellengesuchen warnt Verdi-Vertreter Domingo Heber allerdings vor Schwarzmalerei: „Man sollte auch die Zahlen mal ins Verhältnis setzen. Wir reden über circa 20 Annoncen, bei jeweils mehr als 3500 Beschäftigten in den Romed- und KSOB-Kliniken. Also selbst wenn die Anzeigen reale Stellengesuche wären, eine Kündigungswelle sieht anders aus.“