Traunstein – Ein 59 Jahre alter Tierhalter führte 2020/2021 große Umbaumaßnahmen auf seinem Hof durch und vernachlässigte trotz niedriger Temperaturen seinen ganzen Tierbestand. Weit überdurchschnittlich viele Kälber starben, sechs Rinder litten nach mangelnder Klauenpflege erhebliche Schmerzen. Das Amtsgericht Traunstein mit Richter Wolfgang Ott verhängte jetzt wegen Tiertötung und Tiermisshandlung, jeweils durch Unterlassen, eine Geldstrafe von 6400 Euro.
Das Amtsgericht hatte 2021 einen Strafbefehl erlassen. Der 59-Jährige erhob Einspruch. So kam es zu einer mündlichen Verhandlung. Die ursprünglichen Zeugen, darunter zwei Tierärzte vom Veterinäramt Traunstein, konnte Richter Wolfgang Ott kurzfristig wieder ausladen. Der Grund: Der Angeklagte hatte mit Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe der Strafe den Schuldspruch und damit den Sachverhalt aus dem Strafbefehl akzeptiert.
Unter einem Vordach
außerhalb des Stalles
Demnach verstarben während der Umbauarbeiten im Jahr 2020 in dem Hof nahe Traunstein 17 Kälber, im Folgejahr acht. Das entsprach einer Kälbersterblichkeit von 57 Prozent 2020 und von 67 Prozent im Jahr 2021. Die durchschnittliche Kälbersterblichkeit pro Jahr im Landkreis Traunstein betrage 7,6 Prozent, hieß es im Strafbefehl. Unter den Vorwürfen war das Schicksal eines Kalbs, das am 2. Februar 2021 geboren wurde. Der 59-Jährige kümmerte sich nicht um das Tier und überließ es trotz sehr niedriger Temperaturen unter einem Vordach außerhalb des Stalls sich selbst.
Ein Zeuge appellierte am späten Vormittag an den 59-Jährigen, dringend etwas zu unternehmen. Sonst werde das Kalb zu Tode kommen. Dennoch ließ der Landwirt das Tier bis gegen 16.30 Uhr unversorgt im Kalten auf der nassen Einstreu stehen. Obwohl noch versucht wurde, das Kalb zu retten, verendete es am 5. Februar aufgrund Dehydration, bedingt durch unzureichende Grund- und Flüssigkeitsversorgung.
Die sechs erwachsenen Kühe ohne die notwendige Klauenbehandlung wiesen schmerzhafte Veränderungen auf, durch die sie in dem eh schon engen Stall kaum mehr gehen konnten, auch nicht zum Futter, zur Wassertränke und zum Melkstand. Teils benötigten sie eine chirurgische Versorgung. Für alle Kühe war eine Schmerzbehandlung unverzichtbar.
Der Angeklagte wurde erst aktiv, als das Veterinäramt ankündigte, andere Personen mit den erforderlichen Maßnahmen zu beauftragen. Hätte der Angeklagte pflichtgemäß gehandelt, wären allen Tieren „erhebliche Schmerzen und Leiden“ erspart geblieben beziehungsweise hätten sie gelindert werden können, hieß es im Strafbefehl.
Verteidiger fordert
Ein-Euro-Tagessatz
Einen Tagessatz von „einem Euro“ hatte Verteidiger Stefan Neudecker aus Traunstein bei seinem Einspruch unter Verweis auf hohe Baukosten auf dem Hof beantragt, berichtete Richter Wolfgang Ott gestern. Staatsanwalt Thomas Putschbach lehnte das ab. Der Tagessatz liege wohl deutlich höher – bei mindestens 40 Euro. Diesen Betrag könne er noch vertreten.
Letztlich einigten sich die Prozessbeteiligten auf diesen Betrag. Zum Vergleich: Vorsitzender Ott bezifferte den Tagessatz eines Hartz-IV-Empfängers mit 15 Euro. Im „letzten Wort“ beteuerte der 59-Jährige: „Ich habe einen Fehler gemacht. So etwas wird nicht wieder vorkommen.“ Er sei in der Bauphase völlig überfordert gewesen.
Gemäß Urteil muss der Tierhalter 160 Tagessätze zu je 40 Euro, somit insgesamt 6400 Euro Geldstrafe, an die Staatskasse leisten. Außerdem bewilligte das Gericht eine Zahlung in monatlichen Raten von 500 Euro. Mit Zustimmung des Staatsanwalts wurde das Urteil rechts- kräftig.Monika Kretzmer-Diepold