Traunstein/Wasserburg – Im Zuge eines wochenlangen Streits wegen der Rückgabe ausgeliehener CDs schnappte sich ein angetrunkener Mann (25) vor einer Shisha-Bar in Wasserburg das teure E-Bike seines Freundes. Der 27-Jährige folgte ihm bis zu einer Wohnung. Dort stach der Jüngere zu. Seit gestern muss sich der Messerstecher vor der Zweiten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler wegen gefährlicher Körperverletzung, besonders schweren Raubs und Diebstahls verantworten. Der Prozess wird am 14. und 15. Februar jeweils um 9 Uhr fortgesetzt.
Anhaltender Streit
wegen Rap-CDs
Die beiden Männer, bis zu der Sache mit den CDs enge Freunde, kannten sich von Kindheit an. Irgendwann während eines Klinikaufenthalts bat der 25-Jährige den anderen, ihm einige Rap-CDs zu leihen. Die sechs bis acht Tonträger gab er nicht zurück, sondern mit anderen CDs in einer Tasche an einen Dritten weiter. Er dachte offenbar, er habe noch Zeit für die Rückgabe, saß der 25-Jährige doch damals in Haft. Nach der Entlassung forderte der Eigner die angeblich seltenen CDs zurück beziehungsweise einen Schadensersatz von 100 Euro je Stück.
Darüber entbrannte ein länger anhaltender Streit. Vor diesem Hintergrund stand der Raub des E-Bikes am 11. August 2021. Der Angeklagte befand sich in dem Lokal und trank Alkohol. Der 27-Jährige blieb angesichts möglicher erneuter Forderungen wegen der CDs lieber draußen. Der sichtlich alkoholisierte 25-Jährige kam aus der Bar, schnappte sich das zwei Meter von dem Eigner entfernt unversperrt stehende E-Bike und radelte damit weg. Das war nicht so einfach, hatte der Nebenkläger doch das für den Elektroantrieb erforderliche Display eingesteckt. Der 25-Jährige befürchtete zunächst, der Dieb würde das fast neuwertige Zweirad mit einem Wert von immer noch 3000 Euro in den Inn werfen. Der Täter steuerte jedoch die drei Kilometer entfernte Wohnung eines Bekannten an. Mit einer Frau folgte ihm der 27-Jährige per Pkw. Er entdeckte sein E-Bike und wollte es aus dem Garten schieben. Der Angeklagte kam dazu, versetzte dem Geschädigten gemäß Anklage von Staatsanwalt Wolfgang Fiedler einen Messerstich in den Bauch und fuhr wieder mit dem Rad weg. Kurz darauf wurde der 25-Jährige von Beamten der Polizeiinspektion Rosenheim vor seiner Wohnung in Edling vorläufig festgenommen. Das Tatmesser befand sich noch in seiner Arbeitshose. Vorsitzender Richter Volker Ziegler erteilte gestern den rechtlichen Hinweis, im Falle einer Verurteilung komme neben den angeklagten Delikten zusätzlich eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad in Betracht.
Dem stark blutenden Schwerverletzten leistete damals der völlig unbeteiligte Wohnungsinhaber Erste Hilfe, bis Rettungsdienst und Polizei kamen. Der Nebenkläger hatte eine fünf bis sechs Zentimeter tiefe, zwei bis drei Zentimeter lange Stichwunde in den linken Oberbauch, einen Bluterguss im Brustraum und mehrere innere Blutungen erlitten. Eine Notoperation im Klinikum Wasserburg, fünf Tage Intensivstation und insgesamt elf Tage stationärer Krankenhausaufenthalt folgten. Nach sechs Wochen arbeitete er vorzeitig wieder auf Bitte seines Chefs. Der 27-Jährige mit Opferanwalt Andreas Müller aus München zur Seite zeigte gestern vor Gericht seine auffällige große Narbe am Bauch. Weiter schilderte er massive psychische Folgen: „Beim Schlafen träume ich richtige Scheiße von ihm. Was ist, wenn er wieder aus dem Gefängnis kommt? Das belastet mich sehr. Oder wenn jemand beim Kochen ein Messer in der Hand hält oder jemand mit dem Arm in Richtung meines Bauchs gestikuliert. Er war ein enger Freund. Ich hätte tot sein können.“
Bitte um
Entschuldigung
Der Angeklagte, dem als Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim zur Seite steht, bat den einstigen guten Freund um Entschuldigung. Einen Handschlag zur Versöhnung verweigerte der 27-Jährige. Der ehemalige Freund beteuerte, er habe den Nebenkläger nicht verletzen, sondern lediglich seine CDs zurückhaben wollen.
Die Sachverständige Dr. Jutta Schöpfer vom Rechtsmedizinischen Institut an der Universität München gelangte zu einer Alkoholisierung bei dem zur Tatzeit auch unter Drogen stehenden 25-Jährigen von rückgerechnet etwa zwei Promille. Unstrittig habe der Messerstich die Bauchhöhle des Geschädigten eröffnet. Die Gutachterin unterstrich: „Das ist immer mit Risiken verbunden – von einer Entzündung bis zu Verletzungen großer Gefäße.“ Was tatsächlich verletzt werde, sei dem Zufall unterstellt. Der Stich sei potenziell lebensgefährlich gewesen. Eine konkrete Lebensgefahr habe jedoch nicht bestanden, unterstrich Frau Dr. Schöpfer.