Notaufnahme in Not

von Redaktion

Die Omikron-Variante des Coronavirus sorgt für milde Verläufe. Doch auch in der Region Rosenheim stellt sie die Kliniken vor Probleme: Viele Patienten kommen wegen etwas anderem, müssen dann aber überraschend isoliert werden. Und Omikron sorgt weiter für Ausfälle in kritischen Bereichen.

Rosenheim – Oft nicht weiter schlimm für den Kranken, jedoch folgenschwer für die Kliniken: Die hochansteckende Omikron-Variante stellt die Einrichtungen in der Region Rosenheim vor Herausforderungen in mehreren Bereichen: Es häufen sich die Fälle von „Zufallsdiagnosen“, die Umplanungen in erheblichem Aufwand verursachen. Und die steigenden Infektionszahlen führen nach wie vor zu vielen Ausfällen bei den Mitarbeitern.

„Entfesseltes
Infektionsgeschehen“

Ein „entfesseltes Infektionsgeschehen“, so warnt Romed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram, könne „gerade kritische Bereiche wie Notaufnahmen, Operationen und Intensivstationen lahmlegen“. Kurz: Corona bleibe sehr gefährlich, auch in der fünften Welle einer derzeit „weniger aggressiven, aber dafür besonders ansteckenden Omikron-Variante“.
Insgesamt seien seit Beginn des Jahres 170 Mitarbeiter positiv getestet worden, heißt es seitens des Klinikums. Besonders betroffen sind die Notaufnahmen: Im Romed-Klinikum in Rosenheim sind nach Angaben von Sprecherin Elisabeth Siebeneicher derzeit über zwölf Prozent der Mitarbeiter der Zentralen Notaufnahme im Krankenstand. Romed ziehe alle Kräfte zusammen, um den Betrieb in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, sagt DeerbergWittram. Das sei aber nicht ganz so einfach. „Die Rolle der Notaufnahme im Covid-19-Geschehen haben wir vielleicht ein bisschen unterschätzt“, räumt er ein. Schließlich laufen dort auch viele Menschen mit Covid-19-ähnlichen Symptomen auf. Überhaupt sei die Arbeit in der Zentralen Notaufnahme doppelt fordernd. Die Mitarbeiter seien nicht nur besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt, sie müssten überdies „die Wege kennen“ und sich gut in den Arbeitsabläufen am Klinikum auskennen, sagt der Romed-Chef. Dabei ist aus Sicht eines Stationsleiters nicht einmal entscheidend, ob der Infizierte auch nur leichte Symptome verspürt. Die Isolation für Infizierte und Quarantäne für Kontaktpersonen reißt Lücken in die Dienstpläne.

Erkrankung
eine Überraschung

Und dann wären da noch die Überraschungspatienten. In den vorhergehenden Wellen lief es meist so: Ein mit dem Coronavirus Infizierter spürte Symptome, ließ sich testen und wurde im Fall der Fälle eingewiesen. Wegen der leichteren Verläufe durch die Omikron-Variante wissen inzwischen viele Menschen, die das Krankenhaus aufsuchen, zunächst gar nicht, dass sie auch noch das Virus in sich tragen. Wegen eines Beinbruchs ins Krankenhaus gekommen, in der Corona-Isolation gelandet: Das erleben zurzeit immer mehr Patienten in der Region Rosenheim. 22 Patienten liegen derzeit im Klinikum in Rosenheim, weil Covid-19 bei ihnen festgestellt worden war. 18 weitere Patienten haben Covid-19 als so genannte Nebendiagnose. Kein statistischer Zufall, wie Romed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram unterstreicht.

Kurven in
falscher Richtung

„Das bestätigt den Trend der letzten Wochen, dass wir genauso viele Covid-19-Patienten haben wie Patienten, die eigentlich wegen etwas anderen kommen und zusätzlich positiv sind.“
Aus der Sicht des Klinikumsverbunds mit seinen Standorten in Rosenheim, Wasserburg, Bad Aibling und Prien bewegen sich daher zwei Kurven in die jeweils falsche Richtung: Kraft und Ausdauer des Personals sinken, während die Zahl der Infizierten steigt.
Von den Zutaten für einen „perfekten Sturm“, ein ausgewachsenes Fiasko also, spricht daher Dr. Jens Deerberg-Wittram. Er wünsche sich, die Kurve so weit wie möglich zu strecken, um Überlastungen in einzelnen Bereichen zu vermeiden.

Noch gibt es wenigstens keine Hinweise darauf, dass die Kombinationen aus Covid-19 und anderen Erkrankungen schlimme Folgen zeitigt. Das liegt nach Auskunft von Prof. Dr. Stephan Budweiser, Chefarzt Pneumologie am Romed-Klinikum, daran, dass die meisten Patienten mit diesen Covid-19-Diagnosen eigentlich wegen einer Verletzung eingeliefert wurden. Immerhin: Mit nur zwei Patienten auf der Corona-Intensivstation und 40 Patienten auf der Normalstation ist Romed weit von den Ausnahmezuständen der vorhergehenden Wellen entfernt.

Dennoch könnte ein anhaltender steiler Anstieg der Infektionszahlen irgendwann erneut die Kapazitäten überlasten. „Eine Verdoppelung der Zahlen könnten wir nicht brauchen“, sagt auch Budweiser.

Verständnis
für Ansinnen

Vor diesem Hintergrund sieht er Lockerungen wie die Aufhebung der Corona-Sperrzeit in der Gastronomie nicht ganz unbeschwert. „Auch wenn ich dieses Ansinnen gut verstehen kann.“

Gemischte Gefühle wegen Aussetzung der Impfpflicht

Für Erleichterung sorgt die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die Impfpflicht für Mitarbeiter in Gesundheitsberufen auszusetzen. Von mindestens 80 bis 85 Prozent geimpften Mitarbeitern darf man bei den Kliniken in der Region Rosenheim zwar ausgehen. Aber eben schon der Verzicht auf 15 Prozent würde viele Häuser hart treffen. „Wir brauchen jeden Mitarbeiter“, unterstreicht Professor Dr. Stephan Budweiser, Chefarzt Pneumologie am Romed-Klinikum. Romed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram, sieht die Denkpause der Staatsregierung mit gemischten Gefühlen. Die isolierte Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen habe er immer als problematisch angesehen, weil sich dadurch viele Kolleginnen und Kollegen „diskriminiert“ fühlten. „Es wird sich aber leider nicht vermeiden lassen, dass Impfskeptiker, Corona-Leugner und Demokratiefeinde diese Entscheidung der Staatsregierung, die auch noch explizit gegen die Entscheidung der Bundesregierung steht, als Sieg gegen staatliche Maßnahmen feiern werden“; befürchtet er. Gesundheitsamtsleiter Dr. Wolfgang Hierl, dessen vollkommen überlastete Behörde auch noch die Impfquote der Mitarbeiter in den Gesundheitsberufen überprüfen müsste, traut dem Frieden nicht. Man habe von der Absicht, den Vollzug für Pflegeheime auszusetzen, auch erst über die Medien erfahren, heißt es vonseiten des Landratsamts. „Leider liegen hierzu seitens der Staatsregierung noch keine Vollzugsregelungen für die Verwaltung vor.“ Die wolle man noch abwarten.

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