„Die Kliniken waren voll“

von Redaktion

Zum Tag des Notrufs: Integrierte Leitstelle beschreibt Arbeit während der Pandemie

Rosenheim – Überfüllte Kliniken und über 90000 Einsätze setzten die Integrierte Leitstelle Rosenheim (ILS) im vergangenen Jahr gehörig unter Druck. Die Koordination von Feuerwehr, Krankenwagen und Rettungskräften bei Notfällen in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach kostete in Zeiten der Corona-Pandemie viel Kraft. Gerade die Verteilung auf die teilweise überfüllten Kliniken stellte alle Beteiligten vor eine große Herausforderung. Am europäischen Tag des Notrufs gibt Leiter Stefan Ertl den OVB- Heimatzeitungen einen Einblick in die pandemische Ausnahmesituation und erklärt, was genau passiert, wenn jemand in der Region die 112 wählt.

Lage hat sich ein
wenig gebessert

„Den Umständen entsprechend ist es aktuell fast schon entspannt“, berichtet Ertl mit einem Blick auf die fünf parallel laufenden Monitore. Diese zeigen unter anderem eine Übersicht über die derzeit freien Plätze in den Krankenhäusern der Region. Zu diesem Zeitpunkt sind bis auf die Romed Klinik in Bad Aibling alle Anzeigen im grünen Bereich – laut dem Leiter ein seltener Anblick inmitten einer Corona-Welle. „Wir hatten Phasen, in denen wir die Leute verlegen mussten, um irgendwie genügend freie Plätze für neue Aufnahmen zu schaffen“, erinnert sich Ertl. Nach dem Kleeblattprinzip wurden daher einige Patienten kurzfristig auf die Kliniken im gesamten Freistaat verteilt. Keine einfache Aufgabe für die Leitstelle, bei der man sich laut Ertl aufgrund der engen Taktung teilweise wie bei einem Logistikunternehmen fühlte. Rund 300 Notrufe gehen jeden Tag im Rosenheimer „Logistikzentrum“ ein.

Für die sechs Disponenten, die während einer Schicht die Anrufe entgegennehmen, gilt es zunächst zu klären, wie schwerwiegend die Lage des Anrufers tatsächlich ist. „Da gehen die ersten Beschreibungen der Betroffenen mit der wirklichen Lage vor Ort auch gerne einmal auseinander“, weiß der Raublinger, der die Zentrale seit rund drei Jahren leitet.

So kommen auch kuriose Szenarien bei der integrierten Leitstelle zustande. „Ich hatte einmal eine Dame am Apparat, die mich bat, einem Freund ihres Sohnes zu erklären, dass er sich in Quarantäne befindet und sich deswegen nicht mit ihm zum Spielen treffen kann“, sagt Ertl. Ein Anruf, der intern mit einem kurzen Lächeln quittiert und höflich abgelehnt wurde.

Bei schwerwiegenden Fällen kann ein Disponent innerhalb von Sekunden reagieren, einen Einsatzwagen losschicken und ein Bett in einer nahegelegenden Intensivstation belegen. Eine Übersicht über alle verfügbaren Fahrzeuge und Rettungskräfte soll dabei einen möglichst reibungslosen Ablauf sicherstellen.

Ein Problem für die Mitarbeiter ist die wiederkehrende Zahl an „normalen Einsätzen“, die zu Zeiten des ersten Lockdowns im Jahr 2020 wegfielen. „Am Anfang der Pandemie gab es viel weniger Straßenunfälle, Herzinfarkte oder Bergunglücke“, berichtet Ertl.

Allein im vergangenen Jahr kamen allerdings wieder 5,4 Millionen Übernachtungsgäste in die Region und mit ihnen mehr Arbeit für Bergwacht, Katastrophenschutz, Notarzt oder Luftrettungsdienst.

„Vom verunglückten E-Biker in den Bergen bis hin zu großen Unfällen auf der A8 war wieder alles dabei.“ Aus diesem Grund verbuchte die ILS im Jahr 2021 90000 Einsätze, gut 5000 mehr als in den Jahren zuvor. Auch das Bayerische Rote Kreuz bestätig mit bayernweit über 1,3 Millionen Einsätzen eine hohe Belastung durch die Pandemie. Allerdings ist laut Abteilungsleiter Thomas Stadler nur noch jede 82. Infektion Auslöser für einen Nottransport. „Ein insgesamt positiver Trend.“

Für Ertl ist bei der Rosenheimer Leitstelle ein koordinierter und eingespielter Ablauf äußert wichtig. Im Durchschnitt dauere ein Notrufgespräch zwischen 90 und 120 Sekunden. In dieser Zeit soll ein geschulter Disponent die wichtigsten Fragen geklärt und die notwendigen Schritte eingeleitet haben. Um das 2343 Quadratkilometer große Gebiet abzudecken, bedarf es außerdem einer reibungslosen Technik. Im kommenden Herbst wird dafür die komplette Hardware ausgetauscht und überarbeitet. Sowohl die Server als auch die Computer werden aktualisiert. „Wenn die meisten noch Windows 7 benutzen, brauchen wir eigentlich mindestens Windows 11 oder 12“, meint Ertl schmunzelnd.

Betrieb muss
immer weitergehen

Für die Zukunft ist der Leiter der ILS positiv gestimmt. „Bisher haben wir für jeden Notfall noch immer irgendwie einen Platz gefunden.“ Selbst als rund acht Disponenten auf einmal als Kontaktpersonen eingestuft wurden und ausfielen, war rund um die Uhr ein Mitarbeiter erreichbar. Mit der richtigen Einstellung und diversen Notfallplänen in der Hinterhand, so Ertl, sei die integrierte Leitstelle auch für die noch kommenden Wellen der Corona-Pandemie gerüstet.

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