Rosenheim/Traunstein – Auch wenn es inzwischen etwas ruhiger geworden ist um den Wolf: Im Hintergrund schwelt die Diskussion, wie Nutzvieh in der kommenden Weidesaison geschützt werden kann. Zwar werden wolfssichere Zäune und Herdenschutzhunde gefördert. Aber ganz so einfach ist es nicht. Die OVB-Heimatzeitungen haben Verordnungen gewälzt und in die bürokratischen Tiefen der Schutzkulisse geblickt.
Im Jahr 2021 gingen am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Traunstein 50 Anträge auf Herdenschutzmaßnahmen gegen den Wolf ein, beim AELF Rosenheim waren es zehn. Dass Traunstein und Rosenheim bei den Zahlen so weit auseinander liegen, liegt daran, dass nur ein kleiner Teil des Landkreises Rosenheim Teil der Förderkulisse ist. Denn nur wer geografisch dort ansässig ist, darf einen Antrag stellen.
Erst Zuschüsse
nach Rissen
„Mit jedem neuen Nutztierriss durch einen Wolf erweitert sich die Kulisse, in den Herdenschutzmaßnahmen gefördert werden. Das führt zu vermehrten Anfragen nach Fördermöglichkeiten und zu mehr Anträgen“, erklärt Hans Zens, Bereichsleiter Landwirtschaft am AELF Traunstein. Mit anderen Worten: Es muss erst was passieren, damit die Bauern ihre Tiere ebenfalls auf staatliche Kosten schützen lassen können. Ist ein Wolf nachgewiesen bei Rissen von Wildtieren in der freien Natur, so hat dies aber keinen Einfluss auf die Förderkulisse.
Passiert ist nun viel in der Region. Doch klammheimlich wurde die Förderung für Herdenschutzmaßnahmen nun von der bayerischen Staatsregierung verringert, kritisieren Landwirte. „Ein Unding!“, findet die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Gisela Sengl.
Tatsächlich werden seit 21. Dezember 2021 Herdenschutzzäune nicht mehr mit 100 Prozent der Bruttokosten bezuschusst. Das Landwirtschaftsministerium beruft sich auf das Haushaltsrecht, nach dem Zuschüsse verhältnismäßig sein müssen. Das sei bislang sehr schwierig gewesen, daher habe man nun Referenzkosten eingeführt, um diese Prüfung zu erleichtern.
Aus Sicht des Bauernverbandes sind diese Kosten aber zu niedrig angesetzt: 13 Euro pro laufender Meter. „Damit kommt man überhaupt nicht zurande. Zwischen 18 und 25 Euro, in Extremlagen noch mehr“, sagt Stefan Köhler, Vorsitzender im Landesausschuss für Umweltfragen des Bayerischen Bauernverbandes.
Das findet auch Franz Mayer, nebenberuflicher Landwirt aus Siegsdorf. Er hatte im September seinen Antrag gestellt, dann gab es noch mal Rückfragen des AELF. Im Oktober stellte er nochmals den Antrag in einer mit den Hinweisen überarbeiteten Variante.
Im Januar erhielt er dann Bescheid – nachdem die Referenzkosten eingeführt worden waren. „Jetzt ist nicht mal das Material abgedeckt“, sagt Mayer resigniert. Er züchtet Pferde, wobei der Zaun lediglich seine fünf Ziegen schützen solle. „Nach dem jetzigen Bescheid bleibe ich auf 5000 bis 6000 Euro Kosten sitzen“, sagt Mayer. Über 1000 Euro Zaunkosten pro Tier wären das.
Zweimal hat er schon Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) angeschrieben, nur einmal habe er Antwort bekommen. Der Zaun ist nur 1,40 Meter hoch. So ganz überzeugt, dass das den Wolf abhält, ist Mayer nicht. Und wie die Elektrifizierung im Winter bei Schnee funktionieren soll, fragt er sich auch. Man dürfe auch nicht unterschätzen, wie viel Pflege der Zaun in Anspruch nehme. „Bei einem 20 Zentimeter hohen Elektrozaun steckt da viel Arbeit dahinter“, sagt Mayer. Zumal sich die Landwirte verpflichten, den Zaun zehn Jahre zu nutzen. Er halte die Tiere nicht zum Geldverdienen, sondern zur Landschaftspflege, damit die Wiesen nicht verbuschen.
Ministerium
prüft Referenzwerte
Dass die jetzige Zuschussregelung wenig praktikabel ist, hat nun wohl auch die Staatsregierung zur Kenntnis genommen und darauf reagiert. Auf Anfrage unserer Zeitung teilt das Umweltministerium mit, man habe sich mit dem Landwirtschaftsministerium geeinigt, die Referenzkosten in der Berggebiets-Kulisse anzuheben. In Kürze soll dies umgesetzt werden.