Rosenheim – Ist das Projekt einer unterirdischen Verknüpfungsstelle für den Brenner-Nordzulauf im Wildbarren bei Niederaudorf damit vom Tisch? Oder drohen der Bahn erneut Hausaufgaben mit einer genauen Prüfung dieser Lösung? Das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) sieht die unterirdische Variante der Verknüpfungsstelle Nieder-audorf skeptisch, hält sie aber nicht für unmachbar.
Die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellte Studie des Zentrums kommt zu dem Schluss, dass die Genehmigungsfähigkeit eines solchen Tunnelbauwerks fraglich erscheine. Deutschland betrete zudem mit einer unterirdischen Verknüpfungsstelle „eindeutig Neuland bei der Gestaltung von Eisenbahntunneln“. Die Prüfung, ob ein so komplexes Bauwerk funktionieren könne, sei aufwendig und teuer. Es sei abzuwägen, ob der Nutzen den Aufwand rechtfertige.
Die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig äußerte sich enttäuscht. „Das bedauere ich sehr.“ Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber sagte in einer ersten Reaktion: „Ich hätte mir eine andere Nachricht gewünscht.“ Nun müsse man weiter auf eine konstruktive Lösung drängen.
„Sehr bedauerlich“ nennt Landrat Otto Lederer (CSU) die Schlussfolgerungen. Das enge Inntal werde bereits von zahlreichen Verkehrsachsen durchzogen. „Eine oberirdische Verknüpfungsstelle würde diese Situation nochmals verschärfen.“ Die Verlegung ins Bergmassiv hätte eine gute Lösung dargestellt.
Lösung kostet
Geld und Zeit
Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhardt zeigte sich gelassen. Die Bahn habe die Machbarkeit einer solchen Tunnellösung im Wildbarren immer verneint. Anders die Autoren vom Zentrum für Schienenverkehrsforschung. „Von daher ist das Ergebnis positiv“, sagte Bernhardt. „Die Studie widerspricht der Annahme nicht, dass es funktionieren könnte.“ Dass sie zum Abwägen rate, sei nur sinnvoll. Sicherlich sei mit Mehrkosten zu rechnen. Allerdings rechtfertigten die Folgen einer Brenner-Nordzulauf-Trasse für viele Generationen aus der Sicht der Anrainer auch hohe Investitionen.
Das findet auch Flintsbachs Bürgermeister Stefan Lederwascher. „Die Studie sagt nicht, dass es nicht geht.“ Ansonsten sei nicht recht viel Neues dabei herausgekommen. „Dass es Geld kostet, wussten wir. Dass es Zeit kostet, wussten wir. Dass sowas in Deutschland noch nicht gemacht worden ist, wussten wir auch.“
Unterstützung dürfen die Menschen aus der Region von Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) erwarten. Auch sie sieht darin, dass die Studie die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Lösung nicht bestreite, einen Vorteil. „Der Ball liegt jetzt beim Bund“, sagt sie. Aufwand sei kein Argument. Nachdem die unterirdische Variante nicht ausgeschlossen werde, „erwarte ich vom Bund schon, dass er sich noch intensiver damit auseinandersetzt und dies dort konkret durch die DB Netz untersuchen lässt.“
Die Studie geht auf Anregungen der Inntalgemeinden und der Interessengemeinschaft „Inntal 2040“ zurück. Sie hatten den Bund aufgefordert, für eine Verknüpfungsstelle im Wildbarren eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben.
Der Rosenheimer Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner (CSU) hatte der Forderung nach einem Gutachten seinerzeit mit einem Dringlichkeitsantrag im Landtag Nachdruck verliehen. Er sagt: „Die Bahn muss das Ganze nun vertieft technisch prüfen, und dann gehört ein Preisschild dran. Und erst dann kann man entscheiden.“
Die Bahn hatte von Anfang an Bedenken geltend gemacht. So sei eine Verknüpfung von Gleisen in einem Tunnelbauwerk wegen der europäischen Norm des Begegnungsverbots nicht zulässig. Der Konzern sieht sich nunmehr durch die Studie bestärkt.
Unterirdische Verknüpfungsstellen bedeuteten einen Widerspruch zu wesentlichen Sicherheitsbestimmungen. Zu diesem Ergebnis sei nun eben auch das DZSF gekommen, sagte ein Sprecher. Die Forschungseinrichtung des Bundes bestätige damit das Ergebnis einer Untersuchung des DB-Projektteams aus dem Herbst 2020.
Die vom DZSF aufgezeigte Möglichkeit, dass die Bahn nochmals prüfe, ob Sicherheitsstandards eingehalten werden könnten, sei zeitaufwendig, kostenintensiv und berge ein hohes Risiko, heißt es weiter seitens der Bahn. „Zu Recht habe daher das DZSF die Frage aufgeworfen, ob ein solcher Aufwand den zu erwartenden Nutzen rechtfertigt.“
Dem folgt, wie gestern bekannt wurde, auch das Bundesverkehrsministerium: Die Deutsche Bahn werde nun Möglichkeiten einer „Optimierung“ der Lage der oberirdischen Verknüpfungsstelle „vertieft prüfen“. Damit aber will sich Daniela Ludwig nicht abfinden. Ministerium und Bahn könnten das Projekt nicht einfach beerdigen. „Das geht so nicht“, sagte Ludwig. „Vielmehr müssen das Ministerium und die Deutsche Bahn die heiklen Punkte noch einmal intensiv prüfen und nach Lösungen suchen.“
Im Wildbarren könnte es für die Planer mehr als nur dicke Bretter zu bohren geben. Ludwig kündigt der Bahn jedenfalls harte Verhandlungen an: „Eine oberirdische Verknüpfungsstelle im Inntal ist ein erheblicher Eingriff, den wir nicht so einfach hinnehmen können.“