Falschen „Impfarzt“ Stefan H. (50) plagen massive Geldsorgen

von Redaktion

Prozess in Traunstein fortgesetzt – Durchschnittlich 250 Euro im Monat zum Leben – Breit gefächerte Jobsuche

Traunstein/Rosenheim – Um seine angespannte finanzielle Situation in den Griff zu bekommen, kam der 50-jährige Stefan H., derzeit als „falscher Impfarzt“ wegen 1450 Fällen von Körperverletzung an Impflingen in Rosenheim und Karlsfeld vor dem Landgericht Traunstein (wir berichteten), auf ungewöhnliche Ideen.

Auf seinen Datenträgern fanden sich Bewerbungen als „Profilercoach“, „Teamleiter“, „Allrounder“ und als „Trainee in der Heimleitung“ bei verschiedenen Einrichtungen. Vor der Sechsten Strafkammer mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler wurde gestern bekannt, dass er durchschnittlich nur 250 Euro pro Monat zum Leben hatte.

Unter Vorlage einer selbst gefertigten Approbationsurkunde mit Tippfehlern und unter Verwendung von zwei falschen Doktortiteln hatte sich der Theologe aus Ottobrunn Ende 2020/Anfang 2021 bei den Impfzentren Rosenheim und Karlsfeld als „Impfarzt“ beworben und dort auch gearbeitet.

Über seine Verteidiger hatte der ansonsten schweigende Angeklagte sinngemäß erklären lassen, er habe aus Liebe zu Menschen gehandelt und um sich selbst zu verwirklichen. Folgt man den gestrigen Zeugen, spielten jedoch finanzielle Gründe ebenfalls eine Rolle.

Ermittler der Kripo Rosenheim berichteten anhand von sichergestellten Datenträgern von einer breit gefächerten Jobsuche des 50-Jährigen in den vergangenen Jahren.

Ehe das Thema Corona im Frühjahr 2020 aktuell wurde, hatte der Angeklagte Bewerbungen an die unterschiedlichsten Institutionen gerichtet – zum Beispiel als „Oberaufseher“ bei der Archäologischen Staatssammlung, als „Allrounder“ bei einer Stiftung in Ottobrunn, als „Trainee der Heimleitung“ bei einer kirchlichen Einrichtung und als „Bereichsleiter“ beim BRK-Kreisverband Starnberg.

Tatsächlich plagten ihn wohl Geldprobleme – mit Mietschulden beim Vermieter seiner Praxis in Ottobrunn, Darlehensverpflichtungen aus 360000 Euro Restschuld für einen Anteil an einer Eigentumswohnung und wenig Mittel zum Lebensunterhalt. Die Frührente reichte nicht, die Praxis brachte wenig ein.

Ein Finanzermittler der Kripo Rosenheim informierte, bei Prüfung der Konten von Stefan H. sei er auf Geschäftseinnahmen der Praxis von insgesamt 6900 Euro gestoßen, allerdings im Zeitraum von zwei Jahren. Der 50-Jährige habe völlig überzogene staatliche Corona-Hilfen von insgesamt über 13000 Euro beantragt und teils erhalten. Tatsächlich habe der nachvollziehbare Umsatz der Praxis im Durchschnitt gerade mal 185 Euro monatlich betragen.

Der aktuelle Lebenspartner (51) schilderte, ihm gegenüber habe Stefan H. von „fundiertem medizinischen Fachwissen“ gesprochen, aber nicht vorgegeben, Arzt zu sein. Der Freund umriss den 50-Jährigen als „wahnsinnig begeisterungsfähig“. „Werden Sie auf ihn warten?“, wollte die Vorsitzende Richterin wissen. Das bejahte der 51-Jährige. kd

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