Traunstein/Rosenheim – Seit Oktober vergangenen Jahres gilt an Bayerns Schulen wieder Präsenzpflicht, Distanzunterricht wurde eingestellt. Doch nicht alle Eltern aus den Landkreisen Rosenheim oder Traunstein möchten ihre Kinder in diesen Zeiten wieder in die Schule schicken. Sie lassen ihre Kinder zu Hause. Die Landratsämter reagieren inzwischen mit Zwangsgeldern.
Die Verschärfung gilt seit vergangenen Herbst, als der Freistaat die Lücke schloss. Anlass für die Verschärfung war unter anderem die so- genannte Querdenker-Schule in Deutelhausen (Schechen). Seither gilt in Bayern Abwesenheit ohne Attest als Ordnungswidrigkeit.
Eiseskälte der Regierung gespürt
Die Corona-Pandemie hat in der Vergangenheit Eltern und ihren schulpflichtigen Kindern einiges an Flexibilität abgefordert. Distanzunterricht, Wechselunterricht: „Dies bedeutete, man musste seinen Arbeitgeber gegebenenfalls um eine Umstrukturierung der Arbeitszeit bitten, um es dem eigenen Kind zu ermöglichen, in der Schule voranzukommen.“ So ist es im Schreiben einer Mutter zu lesen, die ihren Namen nicht in der Zeitung sehen will.
Schwerer wiegt für sie jedoch derzeit etwas anderes: „Für alle Eltern, welche, trotz anmaßender Einflüsse seitens der Schule, respektive Regierung, ihre Kinder weiter in ihrem ‚Freien Willen = Schule zu Hause, unterstützt haben, haben spätestens ab November die Eiseskälte unserer Regierung zu spüren bekommen.“
Es geht um Zwangsgeldbescheide, die einige Eltern inzwischen seitens der Kreisverwaltung Traunstein erreicht haben. Teils mit Beträgen bis zu 10000 Euro. Dies berichtet die Inzellerin Irmengard Hallweger. Sie engagiert sich als Sprecherin einer Elterninitiative, die sich gegen dieses Vorgehen des Landratsamts Traunstein wehrt.
Die Zwangsgelder hat das Landratsamt Traunstein verhängt, weil die Eltern ihre Kinder unter den Corona-Bedingungen nicht zur Schule schicken möchten. Unter anderem deswegen, weil sie ihren Kindern jene Tests ersparen möchten, denen sich die Schüler ab der Jahrgangsstufe sieben noch immer dreimal die Woche unterziehen müssen, damit sie am Präsenzunterricht teilnehmen dürfen.
Die Gründe dafür? Vielfältig. Als Beispiel führt Hallweger das anonyme Schreiben einer betroffenen Mutter an. In diesem klagt die Frau, man habe sechsjährigen Schülern Testkits in die Hand gedrückt, in denen sich gefährliche Chemikalien befunden hätten. Tests, die nur fachkundiges Personal mit entsprechender Schutzausrüstung hätte vornehmen dürfen.
Welche Chemikalien das sind, nennt sie in ihrem Schreiben nicht. Gemeint gewesen sein könnte jedoch der Stoff Ethylenoxid (EO), mit dem Keime auf den Teststäbchen abgetötet werden. Nach der Sterilisation wird der krebserregende Stoff jedoch durch andere Gase wieder „ausgespült“ oder man lässt ihn schlichtweg ausdampfen, wie der TÜV Süd erklärt.
Besagte Mutter beschreibt noch ein weiteres Problem: Was, wenn sich das Kind dem Test verweigert und auch keine Maske im Unterricht tragen will, wie es derzeit noch für die meisten Unterrichtssituationen vorgeschrieben ist?
Gescheiterte Beschwerden
30 Zwangsgeldbescheide hat das Landratsamt Traunstein in dieser Sache bereits verschickt, wie die Behörde auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen mitteilt. „Teilweise mussten weitere Bescheide folgen.“
Diese seien auch durch die Gerichte in Eilverfahren geprüft worden. Und eine Zwangshaft könne nur ein Verwaltungsgericht verfügen, wenn sie der Landkreis beantrage. Einen solchen Antrag habe das Landratsamt aber bislang nicht gestellt.
Im Dezember entschied das Verwaltungsgericht München über den Eilantrag zweier Eltern, den Bescheid des Landkreises Traunstein zur Durchsetzung der Schulpflicht auszusetzen. Und gab dem Landratsamt recht. „Auch eine noch so sorgfältige Betreuung der Kinder zu Hause ermöglicht ihnen kein schulisches Fortkommen“, argumentierten die Richter unter anderem in ihrem Urteil.
Viel Handlungsspielraum sieht das Landratsamt Traunstein ohnehin nicht für sich: „Die Schulpflicht ist bereits in der Bayerischen Verfassung gesetzlich geregelt“, schreibt die Behörde auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. Dem Landratsamt steht ein Verzicht auf die Präsenz- oder gar Schulpflicht gar nicht zu“, heißt es aus dem Landratsamt.
Auch in Rosenheim – in der Stadt wie auch im Landkreis – gibt es augenscheinlich Eltern, die ihre Kinder wegen der Tests auch weiterhin lieber im Distanzunterricht sehen möchten. Acht Bescheide hat die Stadt Rosenheim in dieser Sache bereits verschickt, wie das Rathaus auf Anfrage mitteilt.
Im Landkreis waren es gar 74 Fälle, die zur Anzeige gebracht wurden, wie Kreissprecher Michael Fischer berichtet.
Neun Bußgeldverfahren würden jedoch nicht weiter verfolgt, da die Kinder entweder wieder im Präsenzunterricht erschienen seien oder die Familien sich ins Ausland abgemeldet hätten.
Ein Argument, das seitens der Eltern immer wieder vor Gericht genannt wird, ist, dass eigentlich keine Testpflicht an Schulen bestehe.
Tatsächlich sprach der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom April 2021 von einer „Obliegenheit“ der Schüler, ein negatives Testergebnis vorzuweisen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu können. Im Ergebnis aber blieb: Für die Teilnahme am Präsenzunterricht braucht es einen negativen Corona-Test.