Die Hunde und die Hells Angels

von Redaktion

Nach Zwischenfall in Schechen blühen Gerüchte um Rocker-Gang

Schechen – Die Attacke der beiden Kampfhunde war so brutal wie schnell: Sekunden dauerte es, dann war „Ricky“ tot. Zerrissen von zwei Kampfhunden, die ein Vielfaches des winzigen Yorkshire-Terriers wogen. Verletzt wurde das junge Frauchen (18) von „Ricky“. Als sie versuchte, ihren kleinen Liebling aus der Todeszone zu hieven, verbiss sich ein Kampfhund in ihrem Arm. Die Wunde musste genäht werden. So schnell der Kampf auch vorüber war – das grausame Erlebnis dürfte lange nachwirken. Inklusive juristischem Nachspiel.

„Wollte nur sein
Leben leben“

„Der kleine Kerl wollte nur sein Leben leben – und die beiden haben es ihm genommen.“ Der Vater der jungen Frau, die vergangene Woche ihren „Ricky“ verlor und selbst beträchtlich verletzt wurde, hat selber an der Attacke der Kampfhunde zu tragen. Seinen Namen will er nicht sagen. Wegen der Verbindungen zwischen der Kampfhund-Halterin zu den Hells Angels, über die man in Schechen hinter vorgehaltener Hand spricht.

Was die Attacke auslöste, ist über eine Woche danach noch rätselhaft. Fest steht, dass die beiden Kampfhunde zusammen gar nicht hätten ausgeführt werden dürfen. Denn mit einem der beiden hatte es zuvor schon einen Zwischenfall gegeben. Offensichtlich war auch die Frau, die beide Kampfhunde an jenem Tag an der Leine ausführte, der Situation nicht gewachsen. „Die weinte hinterher ja selber und sagte, dass es ihr so leid tue“, berichtet der Vater. Viel zu filigran sei sie gebaut gewesen, um die beiden Kraftpakete im Zaum zu halten. Auch die Hundehalterin selbst sieht die Schuld bei der Hunde-Nanny. Auf Facebook postete sie, dass die Betreuerin sich nicht an die Regeln gehalten habe. „Sie versagte in jedem Punkt.“

Auf Anweisung der Gemeinde hin wurden der Besitzerin die beiden Hunde entzogen. Sie kommen zu einem neuen Halter, hieß es seitens der Gemeindeverwaltung. Bürgermeister Stefan Adam widerspricht Vorwürfen, die Gemeinde habe damit zu lange gewartet. Ein schnelles Vorgehen gegen aggressive Hunde sei leichter gefordert denn getan. „Wir leben in einem Rechtsstaat“, sagte Adam, und das Recht auf Eigentum sei nun einmal eines der am besten geschützten Rechte.

Zwar hätten die Hunde der Frau zuvor schon für Ärger gesorgt. Doch dabei habe es sich erstens um typische Konflikte zwischen Hunden gehandelt, heißt es von Verwaltung und Polizei. Zudem seien immer wieder andere Tiere auffällig gewesen, sagt Adam. Für die Hunde habe in jedem Fall ein Negativnachweis vorgelegen, wie er für Kampfhunde, sogenannte Listenhunde der Kategorie 2, vorgeschrieben ist. Dafür ist ein Wesenstest Bedingung, in dem ein Gutachter das Verhalten des Tiers wie auch sein Zusammenspiel mit seinem Herrchen prüft. Offensichtlich aggressive Tiere fallen durchs Raster.

„Es sind eigentlich tolle Hunde“, sagt Hundelehrerin Anja Petrick von Petricks Hundeschule in Stephanskirchen auf Anfragen der OVB-Heimatzeitungen. . „Aber sie kommen oft halt auch an ungeeignete Halter.“ Zum Beispiel an Menschen, für die sie vor allem Statussymbole sind. Wie in der rauen Welt der Motorrad-Gangs, die in der Region Rosenheim und speziell in Schechen immer wieder für Aufsehen sorgen? Erst vor zwei Wochen wurde ein hochrangiges Mitglied der Hells Angels aus Schechen unter anderem wegen Zwangsprostitution und Körperverletzung in Frankfurt zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Er sei der eigentliche Besitzer der Hunde, heißt es in Schechen – was die Polizei aber weder bestätigt noch dementiert.

Schechen war zuvor bereits der Schauplatz einer großen Hells-Angels-Hochzeit gewesen. Bürgermeister Stefan Adam kann sich erinnern, wie die „Höllen-Engel“ in Schechen Einzug hielten, „ein Schrank neben dem andern, mit einem riesen Fuhrpark“.

Aber auch die Rocker dürfe man nicht über einen Kamm scheren. Die Hochzeit sei ein Erlebnis gewesen, aber kein furchteinflößendes. Wegen der Corona-Vorschriften seien damals nur zehn Gäste in einem Raum zugelassen gewesen, erinnert sich Adam. Irgendwann sei einer der Hünen auf ihn zugekommen und habe ihn fast schüchtern gefragt, ob ein elfter Mann, genauer der Fotograf ausnahmsweise ins Zimmer dürfe. „Es war gesittet“, sagt Adam.

Strikt nach Gesetzen
vorgegangen

Lässt sich die Gemeinde von der starken Präsenz der Hells Angels beeinflussen? Ganz und gar nicht, entgegnet Adam, man sei im Falle der entfesselten Kampfhunde strikt nach den Gesetzen vorgegangen.

Nun sind die Hunde weg, bei einem neuen Halter, wie es vonseiten der Gemeinde Schechen heißt. Die Besitzerin klagt dagegen, auch die Gemeinde hat die Anwälte eingeschaltet, ebenso wie die Herrchen von „Ricky“. Seine Tochter werde lange brauchen, um darüber hinwegzukommen, sagt der Vater. „Er war so lieb, ein richtiger Kuschelhund. Und er lernte so schnell.“

Er selber schlafe nicht gut, immer wieder wache er auf. Dann sehe er den zerfetzten Hund vor sich. Und frage sich, ob und was er gegen die entfesselte Naturgewalt der Kampfhunde hätte tun können.

Artikel 1 von 11