Bergfest für die Tunnelbauer

von Redaktion

In Österreich und Italien schreiten Arbeiten für Brenner-Projekt voran

Rosenheim – Dem Winter der Planungen folgen die Monate weiterer Entscheidung: Beim europäischen Megaprojekt Brennerbasistunnel werden Weichen gestellt. Womöglich schon im Mai will die Bahn bekannt geben, wie es mit dem Bahnhof Ostermünchen im Zuge des Brenner-Nordzulaufs weitergeht, ob eine Unterquerung des Inns bei Langenpfunzen denkbar ist und wo die Verknüpfungsstelle im Inntal gebaut werden soll.

Ein paar Wochen später will die Bahn ihre Grobtrasse für den Abschnitt von Grafing bis Ostermünchen bekannt geben. Neben den vier Varianten der Bahn-Planer hat es auch eine „Bürgertrasse“ in diese letzte Runde vor der Vorplanungsphase geschafft.

Drei Abschnitte
in Tirol

Derweil ist der Ausbau bei den Nachbarn in Österreich und Italien weit vorangeschritten. In Österreich geht es in den kommenden Jahren auch um die letzten Tunnelstücke. Die Tiroler Neubaustrecke nach dem Brennerbasistunnel umfasst drei Abschnitte: von Baumkirchen nach Kundl Kufstein-Brenner, von Radfeld nach Schaftenau und von dort nach Kufstein.

Der Abschnitt von Baumkirchen nach Kundl im Unteren Inntal ist bereits ausgebaut, seit gut zehn Jahren. Dort laufe der Unterinntalbahn-Nahverkehr im „Viertelstundentakt“, sagt Dr. Christoph Gasser-Mair, Pressesprecher der ÖBB-Holding für Tirol und Vorarlberg. „Das geht nur, wenn der andere Verkehr unter der Erde verläuft.“

Unter der Erde, das ist das Stichwort für die weiteren Arbeiten in Tirol. Einen Gutteil ihres Brenner-Nordzulaufs haben die Österreicher im Tunnel geplant. Von den 40 Kilometern des ersten Abschnitts bis nach Kundl verlaufen 34,5 Kilometer in Tunneln oder Wannen.

20,5 Kilometer misst der zweite Abschnitt, davon werden 14 im Tunnel verlaufen. 6,5 Kilometer sind es im dritten Abschnitt, davon werden 5,6 Kilometer in dem Tunnel verschwinden, der unter der Grenze nach Bayern hinüberführt. In den nächsten Jahren sollen diese Tunnel Realität werden.

Derzeit laufen die Vorarbeiten am Tunnel Angath, 15 Kilometer vor der Grenze. Ein Eingriff in die Natur, für den die ÖBB allerdings ökologische Ausgleichsmaßnahmen reklamiert. So habe man unter anderem Nistmöglichkeiten für Fledermäuse geschaffen, gestalte den Wald gerade um, sagt Gasser-Mair, um ihn „klimafitter“ zu machen, also mit mehr Laubbäumen und weniger Fichten. „Ich sehe die Bauarbeiten an sich schon als Chance, weil die Bahn im Kampf gegen den Klimawandel eine besondere Rolle spielt“, sagt er.

Bevor dann Ende diesen Jahres damit begonnen werden kann, einen 2,6 Kilometer langen Rohbaustollen durch den Angerberg zu treiben, wird die Baustelle mit Zufahrtswegen erschlossen. Noch nicht so weit sind die Partner beim Tunnel unter der Grenze hindurch (siehe Infokasten). Die Planungen laufen bereits, 2025 will man das Projekt erfolgreich durch die Prüfung auf Umweltverträglichkeit bringen. Die Genehmigung könnte dann ungefähr zu dem Zeitpunkt vorliegen, da die Deutsche Bahn ihre Abschnitte des Brenner-Nordzulaufs unter anderem im Landkreis Rosenheim dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen will.

Auf Touren laufen die Arbeiten derzeit in Italien, meldet Peter Endrizzi von der Brenner-Corridor-Plattform: „Wir sind über die Hälfte gelangt.“ Die Hälfte, das heißt 150 Kilometer von 230 Kilometern Brennerbasistunnel insgesamt, also von zwei Hauptröhren für die Gleise und den Erkundungsstollen. Die Ingenieure des Kernstücks des derzeit größten europäischen Verkehrsprojekts können also tief unterm Brenner Bergfest feiern.

2032 soll dieser längste Eisenbahntunnel der Welt fertiggestellt werden, zwei Jahre nach dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt. Im Oktober 2020 hatte sich die Brennerbasistunnelgesellschaft über den südlichsten österreichischen Abschnitt von Pfons zum Brenner mit der ursprünglich beauftragten Baufirma überworfen. Das Baulos musste neu ausgeschrieben werden.

Währenddessen streben die Italiener den vierspurigen Ausbau des Südzulaufs an. Bis 2040 solle der vollendet sein, sagt Endrizzi. Bis Ende des Jahres sollen die Grabungsarbeiten für die Unterquerung der Eisack abgeschlossen sein. Dazu frosten die italienischen Ingenieure den gewachsenen Boden unter der Eisack, um für die Dauer der Arbeiten mehr Stabilität zu erreichen. „Man hätte das Flussbett für die Grabungsarbeiten verlegen können, im Sinne des Naturschutzes war dann aber die Vereisungsvariante angeraten“, sagt Endrizzi.

Umfahrungen von Trient und Bozen

Demnächst sollen die Planungen für die Umfahrungen zunächst von Trient und dann von Bozen beginnen. Ursprünglich war 2026 als Termin für die Fertigstellung der Trasse um Trient genannt worden, „das erscheint mir nun aber sehr sportlich“, sagt Endrezzi.

Für die olympischen Winterspiele 2026 in Cortina d‘Ampezzo sei der Brenner-Zulauf ohnehin nicht wichtig, da werde in den Nahverkehr investiert. Allerdings sollen sich der Brennerbasistunnel und die ausgebauten Bahnstrecken nördlich und südlich des Passes auch für Reisende rechnen. Einerseits wolle die Bahn so viele Flüge und lange Busfahrten wie möglich überflüssig machen. Andererseits könnten die neuen Gleise den Spielraum für Taktverdichtungen vergrößern. „Gerade der Personennahverkehr kann davon profitieren“, sagt Endrezzi.

Österreichische Bahnen reagieren auf Wünsche

Die österreichische Bahn reagiert auf dringende Wünsche und Anregungen: Für den Bereich Kufstein-Morsbach hat sie nun eine Alternativvariante vorgelegt. Bei der ursprünglichen Variante „Violett“ würde im Raum Kufstein-Morsbach die Tunneltrasse nördlich der Autobahn in offener Bauweise errichtet werden. Das war in den vergangenen zwölf Monaten stets ein Punkt der Kritik für viele Anrainer und Kufsteiner. Die hatten sich für eine „geschlossen bergmännische“ Bauweise eingesetzt. Von der „offenen Lösung“ scheint die Bahn nun abgerückt zu sein: Nach Prüfung von Punkten wie Baulogistik, Geologie, Wasserhaushalt und Konfliktstellen mit anderen Infrastrukturen kamen die ÖBB zu folgendem Schluss: Ein etwas tiefer im Untergrund geführter Bahntunnel scheine „die sinnvollere Lösung zu sein.“ Das teilten die ÖBB kürzlich mit. Dabei müssen die ÖBB allerdings auch die Planungen der Kollegen auf deutscher Seite berücksichtigen. Die Absprachen über die Koordination bei grenzüberschreitenden Einzelbauwerken wie dem Tunnel „Laiming“ ist übrigens viel älter als die Trasse „Violett“. Sie waren Gegenstand des Vertrags von Rosenheim von 2012.

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