Rosenheim/Wasserburg – In manchem Wald ist gründlich der Wurm drin – und zwar für den Holzdieb: ein Loch vom Durchmesser einer Steckdose in den gelagerten Stamm gebohrt, ein Gerät reingesteckt, etwas Rinde drüber und schon kann der Besitzer das Holz orten, wenn‘s denn unvorhergesehen seinen Standort verlassen haben sollte. Mit Hightech wie GPS-Trackern wappnen sich die Bayerischen Staatsforsten auch in der Region gegen den Holzklau in großem Maßstab.
Denn die Diebestour ins Gehölz könnte bald verlockend werden. Wegen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der macht Energie teuer. Öl, Gas, Kohle, alles kostet deutlich mehr Geld als vor dem Krieg im Osten Europas. Da wird dann Holz als Energieträger attraktiver.
Bislang keine Preisanstiege
Derzeit sei noch kein Preisanstieg zu vermelden, sagt etwa Max Haimmerer von Holz Haimmerer in Rosenheim. „Wir haben Frühjahr, wir müssen nicht heizen“, sagt er. Aber: Er habe schon, früher als sonst, Nachfragen von Kunden erhalten: Ob er nicht schon im August liefern könne. „Das beginnt eigentlich normal so im September, Oktober.“ Es scheint, als bereitete sich, wer kann, auf einen Winter ohne russisches Gas vor. Waldbesitzer aus der Region, aber auch die Mitarbeiter der Bayerischen Staatsforsten stehen daher in den Startlöchern. „Es kommt schon mal vor, dass sich da einer den Kofferraum volllädt“, sagt Jörg Meyer, Leiter des Forstbetriebs Schliersee, der 34000 Hektar staatliche Forsten auch in der Region Rosenheim, darunter das Revier Oberaudorf, betreut. Kein ganz neues Phänomen, sagt er, „Holz kann schon mal Füße bekommen.“ Ein Kavaliersdelikt sei der Holzklau dennoch nicht, erst recht nicht, wenn die Ganoven mit dem Holzlaster vorfahren und ganze Stämme verladen.
Daher setze man ja auch auf die GPS-Technik, sagt Meyer. Wenn das sozusagen verwanzte Holz aus einem bestimmten Radius wegbewegt werde, wird Alarm ausgelöst. Der Transportweg wird aufgezeichnet, die Polizei kann sich nach der am Diebes-Navi angezeigten Route zielgenau auf den Spuren der Übeltäter auf den „Holzweg“ machen.
Wenn Holzdiebe von kleinerem Kaliber auch nicht aufs große Gerät angewiesen sind, so benötigen sie doch ein Mindestmaß an Sachkenntnis. Nicht jedes Holz ist als Brennholz geeignet, und nicht jedes Brennholz ist schon reif für den heimischen Kamin.
„Eigentlich ist es ziemlich unsinnig, Holz zu stehlen“, meint sogar Dr. Heinz Utschig, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Wasserburg. Das Holz, das im Wald gelagert werde, sei ja kein Brennholz. „Das ist frisch“, erklärt Utschig, „es muss erst einmal richtig trocknen.“ Ein Prozess, der eineinhalb Jahre dauert. Ein Dieb müsste also schon ganz schön in die Zukunft planen.
„Der Wald hat
1000 Augen“
Zudem sei es nicht so, dass Holzdiebe nicht auch beobachtet werden könnten. „Man meint immer, im Wald, da ist niemand. Aber das stimmt nicht: Der Wald hat 1000 Augen.“ Jäger, Forstarbeiter, Spaziergänger und Pilzsucher, sagt Utschig, „da ist immer was los.“ Ähnlich äußert sich Alexander Graßl, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Wasserburg-Haag. „Unsere Wälder sind klein“, sagt er. Auch er warnt etwaige Diebe davor, die Ruhe im Wald nicht zu unterschätzen. „Vor allem bei Privatbesitz ist sehr oft jemand vor Ort, der sich gut auskennt.“ Die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden, sei also groß.
Bislang sei Holzklau so etwas wie das Spurenelement in der Kriminalitätsstatistik, vermeldet die Polizei auf Nachfragen der OVB-Heimatzeitungen. Auch Jörg Meyer und Heinz Utschig wissen bislang nur von wenigen Fällen Holzdiebstahls in großem Maßstab zu berichten. Was anderes sei es kurz vor Weihnachten. „Christbäume werden schon eher gestohlen“, schildert Heinz Utschig.
Schon lange vor dem ersten Advent werden andere Holzsorten knapp, prophezeit Holzhändler Max Haimmerer. Bei diesen Engpässen hilft dann auch kein noch so verstohlener Ausflug in den heimischen Forst: Sibirische Lärche, aufgrund ihres feinen Wuchses und Haltbarkeit für Terrassen und Gartengebrauch immer gern verwendet, werde bald nicht mehr erhältlich sein, sagt Haimmerer. Sie wächst eben, wie es schon der Name sagt, nicht in der Region Rosenheim, sondern im Osten Europas, in Russland. Dorthin führt derzeit kaum ein Weg.