Rosenheim – Der Sommer heuer, er könnte, was Corona betrifft, entspannter ausfallen als seine beiden Vorgänger 2020 und 2021. Das hoffen viele Menschen in der Region Rosenheim. Und das hofft auch Dr. Jens Deerberg-Wittram, Chef des Romed-Klinikumsverbunds. Er drückt sich vorsichtig aus. Eine Verbesserung spüre er, das erste Mal seit Monaten. „Ich persönlich glaube, dass das für längere Zeit funktionieren kann“, sagte Deerberg im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Entwarnung nach zwei Jahren Pandemie? Was den Romed-Chef optimistisch stimmt: Die Auslastung durch Corona-Patienten ist längst nicht mehr so heftig wie auf den Scheitelpunkten der fünf Corona-Wellen seit Februar 2020. „Wir haben sehr niedrige Belegungszahlen auf der Intensivstation“, sagt Deerberg. Was bedeutet, dass Verläufe, die so schwer sind, dass die Patienten auf die Intensivstation eingewiesen werden müssen, „sehr selten geworden sind“.
Und diese intensiv zu beobachtenden Patienten seien eher Menschen, die neben einer schweren Erkrankung auch noch mit Corona infiziert seien und nicht so sehr an Corona selbst leiden. Kurzum: „Diese unmittelbare vitale Bedrohung, die wir in den ersten Wellen für das Leben so vieler Menschen hatten, scheint im Moment runterzugehen.“
Ende März waren noch 115 Patienten mit Covid zu betreuen. Seitdem aber sanken die Zahlen stetig. Am 17. April war zum ersten Mal seit Langem die Corona-Intensivstation unbelegt, wenn auch nur für einen Tag. Aktuell werden 65 Patienten versorgt, der Anteil der Intensivpatienten bewege sich, so hieß es aus dem Klinikum Rosenheim, seit Tagen durchweg im niedrigen einstelligen Bereich.
So entspannt sah man den Romed-Chef in den vergangenen zwei Jahren nie. Beispiel April 2020. Da war Corona seit zwei Monaten im Lande, und die erste Welle erreichte ihren Höhepunkt. Täglich starben Menschen. Und: Es war noch wenig bekannt über das neue Virus. Dann kam ein verhältnismäßig ruhiger Sommer – und dann die nächste Welle Ende Oktober, Anfang November, inklusive Lockdown. Ein Muster, das sich im zweiten Corona-Jahr wiederholte, mit einer heftigen, noch von Delta dominierten Welle und schließlich mit dem Auftauchen von Omikron: Diese bislang jüngste Variante zeigte sich um ein Vielfaches ansteckender als die Delta-Variante – und doch wesentlich harmloser als alle ihre Vorgänger.
Der Nachteil an Omikron: Gegen die Ansteckung an sich helfen weder Zweit- noch sogar Booster-Impfung. Auch eine überstandene Corona-Infektion feit niemanden. Der Vorteil: Eine komplette Impfung senkt das Risiko einer schweren Erkrankung beträchtlich. Und wenn sich wieder eine neue Spielart des Virus über die Welt verbreitet? Wahrscheinlich, aber eine neue, beständige Mutante ist nicht in Sicht. „Wir sehen im Moment keine höher aggressive Variante, auch in Nachbarländern nicht“, sagt Deerberg-Wittram. „Meine Hoffnung ist, dass wir erstmal wieder einen ruhigen Sommer erleben.“
Wohlgemerkt: Der Romed-Chef spricht – wie auch andere Fachleute – nicht vom Ende der Pandemie, wohl aber von der Möglichkeit einer Pause. „Wir haben eine Frist“, sagt Deerberg-Wittram. Eine Frist, die die Politik nützen solle. Den vergangenen Sommer habe man gründlich „verdaddelt“, derlei dürfe sich nicht wiederholen. „Jetzt können wir mal ohne Druck schauen, wie wir uns auf eine weitere Welle vorbereiten“, sagt er. Jetzt müsse man einen Maßnahmenkatalog aushandeln, um nicht dann, wenn im Winter das Virus wieder tobe, den „Diskussionen zwischen Kubicki und Maischberger zuhören zu müssen“.
Ob der bayerische Gesundheitsminister die Empfehlungen Deerberg-Wittrams im Kreis der Kollegen auf Bundesebene vertreten wird – weg mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, her mit der allgemeinen Impfpflicht, zumindest für vulnerable Gruppen –, bleibt abzuwarten. Offenbar aber sieht Klaus Holetschek (CSU) seinerseits den Moment zum Handeln. Er hat einen gemeinsamen Plan von Bund und Ländern gefordert. „Wir brauchen einen Masterplan für den Herbst, um dann nicht wieder am Anfang einer neuen Welle zu stehen“, sagte Holetschek.