Rosenheim/Kufstein – Italien feierte am Montag den „Tag der Befreiung“, für Brummi- und Autofahrer in der Region Rosenheim folgte der Dienstag der Verkehrsbehinderungen: Wegen der Blockabfertigung nach dem Fahrverbot am italienischen Feiertag bildeten sich auf der Salzburger und der Inntalautobahn Staus von Dutzenden Kilometern Länge.
Auch der Ärger
staut sich auf
Im Inntal staut sich auch der Ärger auf. „Es ist untragbar“, sagte gestern beispielsweise Brannenburgs Bürgermeister Matthias Jokisch. Er konnte von seinem Fenster aus sehen, wie sich die Lastwagen auf der Staatsstraße durch den Ort schoben – Ausweichverkehr „im Schritttempo“.
Nicht besser sah es auf den Autobahnen selbst aus. Stockender Verkehr im Inntal selbst, Rückstau bis zur Ausfahrt Weyarn auf der Salzburger Autobahn, aber auch von Rosenheim ab ein Stückchen in Richtung München. Dort behinderten die Lastwagen den Verkehr, die, aus München kommend, in Richtung Rosenheim gefahren waren, um dann umzudrehen und über die vermeintlich freie Abfahrt am Inntaldreieck auf die A93 zu gelangen. Das berichtete die Polizei. Gesamtlänge der Staus nach ihrer Rechnung: über 50 Kilometer. Die Beamten registrierten auch einen Unfall zwischen zwei Lkw und einem Kleinlaster, zum Glück ohne Verletzte.
Blechlawinen
und Abgase
Immer wieder Blechlawinen und Abgase und keine Lösungen in Sicht. Weil Tirol nicht nachgibt, sondern im Gegenteil noch an der Schraube dreht: Seit 2018 hat sich die Zahl der Tage mit Blockabfertigung verdoppelt. Um so mehr steigen die Erwartungen an die Politik. Sie soll den Transitstreit mit Tirol beilegen und soll den Nachbarn auf österreichischer Seite zur Not das Instrument der Blockabfertigung aus der Hand nehmen.
Nun fehlte es zuletzt zwar nicht an Vorschlägen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte vor einiger Zeit einen Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing geschickt, mit dem Vorschlag, die Maut für Lkws zu erhöhen und somit die Fahrt über den Brenner weniger attraktiv zu machen. Wie Wissing dazu steht, mochte sein Ministerium gestern nicht sagen: Anfragen der OVB-Heimatzeitungen blieben unbeantwortet.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht zwar „wenig Spielraum“ für die Erhöhung der Maut, drängt aber auf Stärkung der Bahn. Der Schienentransport müsse „wirtschaftlicher gemacht und die Kapazitäten der Verladeterminals erhöht“ werden.
Das Vertrauen in diese Vorschläge scheint nicht allzu groß, in der Region verdichtet sich der Eindruck, aus Berlin und München im Streit mit Tirol nicht ausreichend unterstützt zu werden. „Herr Aiwanger kümmert sich, aber nicht mit dem nötigen Nachdruck“, sagt beispielsweise Klaus Wagenstetter, in Pfaffing Gemeinderat der Freien Wähler, als Transportunternehmer in Sachen Transit aber durchaus auch anderer Meinung als Parteifreund Aiwanger. Auch vom Bundesverkehrsminister habe er noch nichts zur Lösung gehört. „Ich habe den Eindruck, dass wir weit entfernt sind von Berlin.“
Wagenstetter und andere Unternehmer aus der Logistikbranche hatte die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) kürzlich an einen runden Tisch geladen. Auch da bestand Einigkeit: Man wünscht sich mehr Engagement der Politik. Und zwar für die harte Kante: das juristische Vorgehen gegen Tirol. Da war sich Ludwig mit den Logistikern einig.
„Wir brauchen die Klage“, sagt auch Klaus Wagenstetter. „Sonst bewegt sich ja nichts.“ Auch weil die Österreicher sachlichen Argumenten in dieser Frage nicht zugänglich seien. Die Österreicher belasteten schließlich ihrerseits bayerische Autobahnen, „und die fahren viel mehr Kilometer als wir“:
Wenn das Zeugnis für Bund und Freistaat bislang mäßig ausfällt, so habe sie immerhin vom neuen bayerischen Verkehrsminister Resonanz erhalten, berichtet Daniela Ludwig. Sie habe Christian Bernreiter (CSU) die brisante Lage erläutert und ihn gebeten, „unverzüglich“ tätig zu werden. Was Bernreiter auch zugesagt habe. Allerdings: „Der Ball in Sachen Klage gegen Tirol liegt bei der EU-Kommission“, räumt Ludwig ein.
Bürgermeister Jokisch glaubt ohnehin nicht, dass eine Klage hilfreich sei. „So etwas dauert doch auch“, sagt er. Und überhaupt „sollte sich die Angelegenheit doch eigentlich nachbarschaftlich regeln lassen“.